Teurer Preis für die Fusion

Verkauf der Schule von Altwis wird erwogen

Das Schulhaus von Altwis könnte bald zum Verkauf stehen. (Bild: Seetaler Bote)

Die verschuldete Gemeinde Altwis im Luzerner Seetal muss ihr Schulhaus aufgeben, wenn sie mit dem ebenfalls nicht auf Rosen gebetteten Hitzkirch fusionieren will. Das haben die Hitzkircher in Verhandlungen mit Altwis durchgesetzt. Im Interview mit zentral+ sagt Benno Felder, Fusionsprojektleiter und Gemeindeschreiber von Hitzkirch, warum viele Landgemeinden zurzeit so grosse finanzielle Probleme haben und was sich die potentiellen Fusionspartner vom Luzerner Regierungsrat erhoffen.

Zentral+: Benno Felder, die Aufhebung der Schule Altwis ist ein zentrales Thema bei den Fusionsverhandlungen zwischen Altwis und Hitzkirch (siehe Infobox). Ursprünglich war bereits im Januar ein Entscheid vorgesehen, warum kam es zu einer Verzögerung?

Benno Felder: Die Gemeinderäte von Altwis und Hitzkirch mussten sich zuerst untereinander einig werden. Die Altwiser haben sich engagiert für die Erhaltung ihrer Schule eingesetzt. Hitzkirch hält vor allem aus pädagogischen und organisatorischen Gründen an den drei bestehenden Schulstandorten Hitzkirch, Gelfingen, Hämikon-Müswangen in der fusionierten Gemeinde fest und will keinen vierten Schulstandort. Der Gemeinderat Altwis hat aufgrund der ungünstigen Rahmenbedingungen die geplante Vorgehensweise schweren Herzens akzeptiert.

Zentral+: Ist die Aufhebung der Schule also beschlossene Sache?

«Finanzen müssen stimmen»

Die öffentliche Vernehmlassung für das Fusionsprojekt Altwis-Hitzkirch wird im August 2014 in beiden Gemeinden starten. Bis dahin, so hoffen die Gemeindebehörden, kennt man die Höhe der finanziellen Unterstützung durch den Kanton. «Die Finanzen müssen stimmen», schreibt Hitzkirch in einer Pressemitteilung. Die Beitragshöhe des Kantons sei von erheblicher Bedeutung für das Fusionsprojekt. «Der Gemeinderat Hitzkirch erachtet es als unabdingbar, dass ein Zusammenschluss ohne fusionsbedingte Steuererhöhung machbar ist.» Gegenüber dem «Seetaler Boten» wird Fusions-Projektleiter Benno Felder noch deutlicher: Wenn der Kantonsbetrag nicht genügend hoch sei, lehne Hitzkirch die Fusion ab. 1,5 Millionen Franken reichten jedenfalls nicht, so Felder.
Im revidierten Finanzausgleichsgesetz ist festgehalten, wie solche Fusionsbeiträge errechnet werden. Nach Berechnung von zentral+ käme Altwis mit rund 380 Einwohnern auf einen Beitrag von rund einer Million Franken. Der Betrag wird pro Kopf ausgerechnet und richtet sich nach der Wohnbevölkerung der kleineren Gemeinde. Dazu käme ein möglicher Zusatzbeitrag von einer halben Million Franken (50 Prozent des Pro-Kopf-Beitrags). Somit wäre man bei rund 1,5 Mio. Franken. Dazu kommt der Besitzstand im Ressourcen- und Lastenausgleich. – Bei der Fusion von 2009 mit fünf Nachbargemeinden hatte Hitzkirch noch 7,3 Millionen Franken erhalten.

Felder: Es ist eine ernsthafte Option, die Teil des Vernehmlassungsverfahrens sein wird. Wenn aber ganz Altwis sich dagegen stellte, würden wir es natürlich wieder fallen lassen.

Zentral+: Welche Überlegungen haben zu diesem Entscheid geführt?

Felder: Wir haben vier Varianten geprüft: 1. Alles bleibt wie bisher, 2. die Verlegung des Hitzkircher Kindergartens oder der Musikschule nach Altwis, 3. die Altwiser Schüler besuchen die Schule in Hitzkirch und 4. das Schulhaus Altwis wird verkauft. Nach gründlichen Überlegungen haben wir uns für die vierte Variante entschieden. Der finanzielle Unterschied zwischen den Varianten ist allerdings gering.

Benno Felder

Benno Felder

Zentral+: Sie führen neben den finanziellen auch organisatorische und pädagogische Gründe an. Welche sind das?

Felder: Die Schülerzahl in Altwis sinkt, man geht von heute 47 auf 40 Kinder in zwei Jahren aus. Es ist deshalb schwierig, sinnvolle Klassengrössen zu bilden.
Zudem haben wir zwei unterschiedliche Schulsysteme; Altwis hat das System Basisstufe, Hitzkirch einen Kindergarten mit Primarschule; hier müssten also zwei Modelle unter ein Dach gebracht werden. Die Schule Hitzkirch möchte an ihren Schulstandorten aber weitgehend einheitliche Schulmodelle.  Interne und externe Lehrerfortbildungen sind bei unterschiedlichen Modellen nicht die selben. Altwis würde ausserdem weiterhin eine Schulleitung benötigen.
Heilpädagogische und andere Unterrichtsformen (IF, DAZ) können bei einem zentralen Schulstandort einfacher umgesetzt werden.
Es mutet vielleicht komisch an, wenn man weiss, dass wir mehr Platz für den Kindergarten in Hitzkirch brauchen und das Schulhaus Altwis verkaufen wollen. Doch das Schulhaus würde unser Platzproblem nicht lösen, weil es nicht für den zweijährigen Kindergarten ausreicht.

Zentral+: Wer interessiert sich eigentlich für den Kauf eines Schulhauses?

Felder: Da lassen sich durchaus Interessenten finden. Wir haben das ehemalige Schulhaus Retschwil ebenfalls verkauft (Anm. d. Red.: Retschwil ist seit der Fusion 2009 ein Ortsteil von Hitzkirch). Es dient jetzt als Forschungszentrum für Elektrobiologie. Bei den Schulhäusern Sulz und Mosen wurde ein Verkauf erwogen, wir behalten sie aber vorläufig, bis zur Klärung ihrer Nutzung im Ortsplanungsverfahren. Das Schulhaus Mosen wird momentan von der Volkshochschule für die Erwachsenenweiterbildung genutzt.

Zentral+: Haben Sie bereits Interessenten für die Schule Altwis und wieviel muss ein Käufer hinblättern?

Felder: Es gibt noch keinen konkreten Interessenten. Wir müssten zuerst eine Verkehrswertschätzung vornehmen. Wenn jemand die Schule zum Beispiel für Seminare nützen würde, könnte er das Schulhaus so übernehmen. Muss er das Schulhaus zuerst umbauen für seine Zwecke, wird der Käufer weniger zahlen wollen.

Zentral+: Kommen wir zum Thema der Fusion zurück. Kann es sich Hitzkirch eigentlich finanziell leisten, seinen armen Nachbarn Altwis aufzunehmen? Ihre Gemeinde ist doch finanziell ebenfalls nicht auf Rosen gebettet und schloss 2013 mit einem Defizit ab.

Felder: Diese Frage ist berechtigt. Kulturell und geographisch gehören wir sicher zusammen, die Altwiser kaufen in Hitzkirch ein und die Jugendlichen besuchen die Oberstufe. Aber Hitzkirch will nicht die Steuern erhöhen müssen, um Altwis aufnehmen zu können. Hitzkirch hat den Steuerfuss bereits von 2,15 im vergangenen Jahr auf neu 2,25 erhöht und wies 2012 einen Bilanzfehlbetrag von 1,77 Millionen Franken aus.

Zentral+: Hitzkirch ist also selber verschuldet, kann das gut gehen?

Felder: Es ist nicht ganz so schlimm. Aber heute wird das Defizit einfach nicht mehr automatisch mit dem Finanzausgleich ausgeglichen. Wir haben vorsichtig gerechnet. Gewinne aus einmaligen Landverkäufen haben wir in einen Fonds für Investitionen zurück gestellt. Dieser Fonds enthält jetzt 3,5 Millionen Franken. Aber dieses Geld ist jetzt gebunden. Den Bilanzfehlbetrag wird Hitzkirch in besseren Zeiten abtragen.

Zentral+: Wird Hitzkirch die Schulden von Altwis übernehmen?

Felder: Wir wollen dem Kanton beantragen, dass Altwis entschuldet wird.

Zentral+: Wir haben uns beim kantonalen Amt für Gemeinden erkundigt, wie Ihre Chancen stehen. Dort weiss man von einem Gesuch für Sonderbeiträge, das die Gemeinde Altwis eingereicht hat, ein Fusionsgesuch ist aber nicht eingegangen.

Felder: Wir sind im Finish, das Gesuch wird diese Tage nach Luzern geschickt.

Zentral+: Sie schreiben in der Pressemitteilung, dass Sie mehr als 1,5 Millionen Franken vom Kanton erwarten, damit Hitzkirch der Fusion zustimmt. Wieviel fordern Sie konkret?

Felder: Zahlen werden erst nach dem Vorliegen des Verhandlungsergebnisses mit dem Kanton kommuniziert.

Zentral+: Was ist Ihre Hoffnung für die Verhandlungen mit dem Regierungsrat?

Felder: Dass wir eine positive Lösung finden. Der Kanton weiss natürlich, dass die Probleme von Altwis nicht gelöst sind, wenn es keine Fusion gibt. Aber auch der Kanton hat Fesseln angelegt bekommen mit der Limitierung der Fusionsbeiträge und ist nicht so frei, den Gemeinden entgegenzukommen. Andere Fusionsprojekte wie Rickenbach-Beromünster und Wolhusen-Werthenstein sind deshalb in der Vergangenheit gescheitert. Die Gemeinden haben signalisiert, dass sie mit den in Aussicht gestellten Beträgen die Fusion nicht vollziehen können. Das ist ein strukturelles Problem.

Zentral+: Inwiefern?

Felder: Kleingemeinden, die abseits des vom Kanton festgelegten «Entwicklung-Ypsilons» mit den Achsen Luzern-Rontal und Surental liegen, haben zunehmend schlechtere Bedingungen. Wohngemeinden ausserhalb dieser Achsen wie zum Beispiel Wolhusen, Luthern, Werthenstein, Menznau und auch Altwis, müssten deshalb bedeutend mehr Steuern einnehmen, um ihre Aufgaben noch erfüllen zu können. Altwis müsste über drei Steuereinheiten gehen.
Die drei vergangenen Steuergesetzrevisionen wirken sich jetzt aus, aber auch der Anstieg der wirtschaftlichen Sozialhilfe, die Verteuerung der Bildung mit der Integration der Sonderschüler in die Regelklassen und die für die Gemeinden teurere Pflegefinanzierung. Die Summe aller Faktoren bringt manche Landgemeinde mit wenig Entwicklungsmöglichkeiten in existentielle Nöte.

Zentral+: Im Fall von Altwis ist es ein offenes Geheimnis, dass ein lokaler KMU-Besitzer, der seinen privaten Wohnsitz in den Aargau verlegt hat, die Steuereinnahmen hat einbrechen lassen.

Felder: Das kann einer der Gründe sein. Doch auch in Altwis sind die finanziellen Probleme strukturell bedingt. Mit der früheren Einzonung von Bauland hat man gehofft, viele interessante neue Steuerzahler zu erhalten. Es kamen zwar Neuzuzüger. Doch meistens sind es junge Familien, die noch nicht so viele Steuern zahlen und sich für Ihr neues Wohneigentum mit Hypotheken verschulden mussten. Sie haben Kinder, welche die Schule besuchen. Wachstum ist eben nicht nur ein Segen, sondern kostet die Gemeinden auch.

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