Luzerner Regierungsratskandidatinnen

Mit 23 Regierungsrätin? So ticken die jungen Kandidatinnen

Die drei Politikerinnen (von links): Andrea Kaufmann (Junge Mitte), Chiara Peyer (Junge Grüne) und Zoé Stehlin (Juso) wollen eine jüngere Generation in der Luzerner Regierung vertreten. (Bild: mik)

Zu den Wahlen im April kandidieren gleich drei Jungpolitikerinnen für den Regierungsrat. Den Vorwurf der FDP- und SVP-Jungparteien, das sei nur «Medienhascherei», lassen Andrea Kaufmann (Junge Mitte), Zoé Stehlin (Juso) und Chiara Peyer (Junge Grüne) nicht auf sich sitzen.

Die Zeit der reinen Luzerner Männerregierung ist endgültig vorbei. Gleich drei amtierende Regierungsräte treten zu den Wahlen am 2. April nicht an. Es kommt also zur grossen Rochade (zentralplus berichtete). Im Kandidatenfeld tummeln sich auch drei Kandidatinnen der Jungparteien: Andrea Kaufmann von der jungen Mitte (23), Juso-Co-Präsidentin Zoé Stehlin (26) und Junge Grüne-Kandidatin Chiara Peyer (22).

Bei den Regierungsratswahlen haben sie als Jungpolitikerinnen höchstens Aussenseiter-Chancen (zentralplus berichtete). Eine Sensation, wie die Wahl der erst 29-jährigen Valérie Dittli, die kürzlich den Sprung in die Waadtländer Regierung geschafft hat, ist kaum vorstellbar. Zumal Dittli als Präsidentin der kantonalen Mitte geamtet hat.

Wieso stellen sie sich trotz der geringen Erfolgsaussichten zur Wahl? Und für welche Themen wollen sie sich stark machen? zentralplus hat die Jungpolitikerinnen zum gemeinsamen Gespräch beim Inseli getroffen. Dabei stellt sich schnell heraus: Zwar verstehen sich die Konkurrentinnen untereinander blendend. Doch geht es um die Sache, scheren sie durchaus aus.

zentralplus: Die Jungfreisinnigen und Junge SVP bezeichneten Ihre Kandidatur als «aussichtslos» und «Medienhascherei». Was sagen Sie dazu?

Andrea Kaufmann: Ich habe die Sache langsam abgehakt. Es ist gut, dass Kandidaturen von Jungparteien offenbar etwas bei den anderen Jungparteien auslösen und eine Debatte dazu stattgefunden hat. Mit solchen Vorwürfen vergeuden wir unsere Zeit aber nicht.

Chiara Peyer: Ich finde ihre Argumentation fragwürdig. Wenn sie sagen, sie wollen keine jungen Leute aufstellen: Sie sind immerhin Jungparteien? Und junge Leute können nicht gewählt werden, wenn sie nicht aufgestellt werden. Ich bin es auch Leid, dass jungen Menschen immer vorgeworfen wird, sie würden sich nicht für Politik interessieren. Wir stehen für unsere Anliegen und Ansichten hin und vertreten diese und wollen dementsprechend auch mitentscheiden.

Zoé Stehlin: Wir fanden es auch sehr schade. Klar, unterstützen Bürgerliche nicht unbedingt linke Kandidaturen. Aber dass man als Jungpartei Kandidaturen von jungen Menschen nicht begrüsst, ist bedauernswert. Wir von der Juso haben die Regierung in den letzten Jahren oft kritisiert. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir hinstehen und uns für dieses Amt zur Verfügung stellen. Wie gross die Chancen sind, ist im ersten Moment nicht das Wichtigste. Aber wir wollen mitbestimmen können.

In einem kurzen Video erzählen die Regierungsratskandidaten, was sie motiviert und weshalb sie gewählt werden sollen.

zentralplus: Trotzdem müssen Sie zugeben, dass Ihre Chancen relativ gering sind. Als jüngste ist Valérie Dittli mit 29 in jüngerer Zeit als Regierungsrätin gewählt worden. Weshalb treten sie dennoch an?

Kaufmann: Wer gar nicht antritt, hat erst recht keine Chance. Wir sind es unseren jungen Mitgliedern auch schuldig zu zeigen, dass es etwas bringt, aktiv hinzustehen und seine politischen Rechte wahrzunehmen. Ich fände es schade, wenn wir als Jungpartei das Feld für Personen 50 plus räumen würden. Es ist auch unsere Aufgabe als Jungpartei, die Politik herauszufordern.

Stehlin: Es ist auch wichtig, eine Alternative zu bieten. Ich merke bei mir selbst: Ich möchte als junge Person andere junge Leute wählen können, durch die ich mich vertreten fühle. Das war beim letzten Mal ja keine Option. Fünf ältere Herren in der Regierung, Durchschnittsalter 58,2. Das ist ein riesiges Problem. Ich glaube, es ist schön für junge Leute, dass sie Personen auf ihren Wahlzettel schreiben können, die ansatzweise in ihrem Alter sind.

«Politische Bildung, ganz klar. Wenn man eine Lehrperson hat, die politisch interessiert ist, hat man Glück.»

Andrea Kaufmann (Junge Mitte) zur Frage, wie sie Junge politisch begeistern würde

Kaufmann: Und bringst sie damit vielleicht auch mehr an die Urne.

Peyer: Definitiv, das ist auch ein wichtiger Punkt. Die Motivation, als junger Mensch wählen zu gehen, schätze ich höher ein, wenn sich auch viele Kandidaten unter 30 zur Wahl stellen. So fühlt man sich als junge Person repräsentiert und bekommt dadurch vielleicht auch mehr Lust mitzumachen. Oder sich politisch zu engagieren.

Stehlin: Und auch für die eigenen Anliegen einzustehen. Wir können nicht einfach alles der Mutterpartei überlassen. Wir haben unsere eigenen Mitglieder und Themen, dann ist es auch wichtig, dass wir dabei sind.

Kandidatin Andrea Kaufmann hält sich in ihrem Motivationsvideo bewusst kurz: «In der Kürze liegt die Würze».

zentralplus: Sie repräsentieren die jüngere Generation, doch genau diese Zielgruppe tritt wenig an die Urne. Wie wollen Sie Junge für die Politik begeistern?

Kaufmann: Politische Bildung, ganz klar. Wenn man eine Lehrperson hat, die politisch interessiert ist, hat man Glück. Oder auch bei einem politisch interessierten Elternteil oder Freundeskreis. Sonst muss der Kanton in der Schule ein Fach «Politik, Bildung, Wirtschaft» einführen, welches Grundlagen vermittelt. Wo gezeigt wird, worum es in diesem komplexen System geht. Es gibt zwar schon heute gute Institutionen, wie beispielsweise das Jugendparlament. Dieses liesse sich ausbauen.

«Die Entscheide, die heute gefällt werden, haben auf die jungen Leute die grössten Auswirkungen. Das geht oft vergessen. Junge Leute würden eine langfristigere Perspektive einbringen.»

Chiara Peyer (Junge Grüne) zur Frage, wieso es die «junge Sicht» in der Regierung braucht

Stehlin: Politische Bildung soll nicht nur ausgebaut, sondern auch modernisiert werden. Ich habe politische Bildung in der Schule gehabt. Wir mussten dabei einfach die grossen Parteien mit ihren Positionen auswendig lernen, zum Beispiel wer in die EU will, wer nicht. Das ist überhaupt nicht motivierend. Da ist es auch an der Lehrperson, den Unterricht etwas spannender zu gestalten und beispielsweise die Jungparteien einzuladen oder das Jugendparlament vorzustellen. Zudem ist es schade, dass die Kantis politische Bildung stärker gewichten als die Berufsschulen. Ganz wichtig ist auch den Jungen mehr das Gefühl zu geben, dass man sie ernst nimmt und sie mitbestimmen können.

Peyer: Hierbei fände ich es auch wichtig, dass der Unterricht gleich mit dem Stimmrecht 16 verknüpft wird. Also dass die Jungen dann, wenn sie Politik im Unterricht haben, auch abstimmen können. Zudem müssen die Inhalte überdacht werden. Bundesräte und ihre Departemente auswendig zu lernen, ist nicht das relevanteste. Viel wichtiger wäre, jungen Menschen mitzugeben, wie sie abstimmen können, wie sie sich politisch einbringen können und was das bringt.

Stehlin: Vielleicht auch mit einem grösseren Fokus auf die kantonale Politik. Die meisten finden über die regionalen Themen einen Zugang in die Politik. Politische Bildung ist aber sehr national fokussiert. Dabei kann man in der eigenen Gemeinde meist schon bei kleinen Themen aktiv sein.

«Bei barrierefreien Haltestellen ist erst ein Bruchteil der Haltestellen angepasst, weil angeblich kein Geld da ist. Aber es fehlt nicht an Geld, sondern an politischem Willen.»

Zoé Stehlin (Juso) zur Frage, was sie in der letzten Legislatur anders gemacht hätte

Kaufmann: Dann liegt es aber auch an den Gemeinden, beispielsweise spannende Kommissionen anzubieten. Ich denke, wenn man den Fuss einmal in der Politik hat, packt es einen.

Stehlin: Angebote wie Easyvote, die die Themen einfach herunterbrechen, sind auch super. Diese könnte der Kanton noch mehr fördern und bekannter machen. Oder auch der Verein Discuss it, der Politikdiskussionen an Schulen organisiert. Was der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein herausgibt, ist zwar spannend, jedoch sehr komplex, wenn man noch keinen Bezug dazu hat.

Kaufmann: Vor vier Jahren war ich mal an einem Podium an einer Berufsschule. Da habe ich gemerkt, die Schüler finden das cool zu diskutieren und einander mit Argumenten gegenseitig herauszufordern. Wenn man Jungen Politik so schmackhaft machen kann, ist schon viel gewonnen.

Chiara Peyer betont die Wichtigkeit einer jüngeren, linkeren und feministischeren Stimme in der Regierung.

zentralplus: Was sind denn Themen, die nur durch eine junge Sicht eingebracht werden und die eine ältere Regierung aussen vor lässt?

Peyer: Sehr viele junge Leute haben Angst vor der Zukunft, gerade in Bezug auf die Auswirkungen der Klimakrise. Gerade weil man weiss, dass sehr lange nichts oder nicht genug dagegen getan worden ist. Dem muss man Gehör verschaffen. Es ist eine Tatsache, dass die Entscheide, die heute gefällt werden, auf die jungen Leute die grössten Auswirkungen haben. Das geht oft vergessen. Junge Leute würden eine langfristigere Perspektive einbringen. Zudem gibt es andere Themen, die vor allem junge Leute beschäftigen, wie Stimmrecht 16 oder auch psychologische Hilfe für Junge, die sonst etwas vergessen gehen.

Stehlin: Ein gutes Beispiel ist auch das Bildungswesen. Darüber diskutieren heute Leute, die seit 30, 40 Jahren nicht mehr in der Schule gewesen sind. Auch die Sicht der jungen Leute ändert sich. Man hat heute eine andere Sicht auf die Dinge als noch vor 30 Jahren, auch wenn die sich noch immer entlang der Parteien unterscheidet. Gerade bei Klimafragen entscheiden heute Leute, die es de facto nicht mehr gross betreffen wird. Oder bei gesellschaftlichen Themen, bei denen die jüngere Generation parteiübergreifend meist viel offener ist.

Kaufmann: Aus meiner Sicht hat die Regierung bis jetzt einen guten Job gemacht. Ich habe nicht das Gefühl, dass ein Thema komplett vergessen gegangen ist. Natürlich gibt es Justierungen, die heute anders gemacht werden. Aber ich finde, alle unsere Regierungsräte sind nah an den Leuten. Wenn ich etwas ändern möchte, gibt es parteiintern genug Kontakte, um sie auf Themen aufmerksam zu machen. Ich würde nicht sagen, dass unsere Bevölkerung durch unsere Regierung nicht gut repräsentiert gewesen ist.

zentralplus: Was hätten Sie als Regierungsrätin denn anders gemacht?

Stehlin: Völlig einen anderen Fokus gesetzt. Gerade bei Themen wie Bildung, Kulturförderung, Gleichstellung, Klima. Es wird nicht gar nichts gemacht, aber der Kanton ist zu wenig mutig. Was mich zudem hässig gemacht hat: Wir haben künftig Mehreinnahmen durch die OECD-Mindeststeuer. Ich habe mich schon gefreut und dachte, nun haben wir beispielsweise endlich Geld fürs Pflegepersonal, das dringend Unterstützung benötigt. Stattdessen sind Steuersenkungen für Unternehmen geplant. Dabei wird die eigene Bevölkerung im Stich gelassen. Auch bei barrierefreien Haltestellen ist erst ein Bruchteil der Haltestellen angepasst, weil angeblich kein Geld da ist. Aber es fehlt nicht an Geld, sondern an politischem Willen.

Kaufmann: Die letzten Jahre waren tough. So viele Anträge und Vorstösse, die sie in der letzten Legislatur behandeln mussten. Hier stellt sich natürlich die Frage nach der Priorisierung. Ich kann mich nur wiederholen: Ich finde, sie haben keinen schlechten Job gemacht. Die Kommunikation dürfte besser laufen, doch das ist auch bei anderen Exekutiven ein Dauerthema. Manchmal vermisse ich etwas den Mut, einen anderen Weg einzuschlagen oder sich zu gewissen Themen zu positionieren. Das hätten sie sicher tun dürfen.

Peyer: Sicher nicht Steuersenkungen für Unternehmen. Sehr oft werden Themen und Projekte nicht umgesetzt, mit der Begründung, dass das Geld dafür fehle. Statt das Geld dafür aufgewendet wird, beschliesst der Kanton die nächste Steuersenkung. Zudem wurde bei den Themen Klimaschutz, Gleichstellung, Kulturförderung und Verkehrspolitik zu wenig gemacht.

Stehlin: Die Steuersenkungen werden dann auch noch als Erfolgsgeschichte verkauft, obwohl wir dadurch beim nationalen Finanzausgleich in den letzten Jahren gleichzeitig so viel Geld verloren haben. Dann hätten wir das Geld lieber in die eigene Bevölkerung investiert.

Kaufmann: Ich glaube schon, dass man zum Wirtschaftsstandort Luzern Sorge tragen muss. Aus meiner Sicht braucht es eine liberale Wirtschaft. Aber es ist natürlich so: Jetzt hat die Bevölkerung wieder die Chance, die Regierung neu zu wählen. Es wird sich am 2. April zeigen, für wen sie sich entscheidet. Ich habe jedoch das Gefühl, dass mit der neuen Regierung auch die junge Bevölkerung gut vertreten sein wird.

Die drei Kandidatinnen kurz vorgestellt

Andrea Kaufmann (Junge Mitte)

Die 23-jährige Andrea Kaufmann ist in Neudorf in einer KMU-Familie aufgewachsen. Derzeit arbeitet die gelernte Kauffrau als Sachbearbeiterin Liegenschaft und Bau in der Gemeinde Neuenkirch. Politisch engagiert sie sich im Vorstand der kantonalen Jungpartei, bei der Mitte Beromünster und Sursee sowie als Finanzchefin der Mitte Wahlkreispartei Sursee.

Zoé Stehlin (Juso)

Die 26-jährige Krienserin Zoé Stehlin arbeitet am Luzerner Kantonsspital und am Unispital Zürich. Gleichzeitig studiert sie an der Universität Zürich Humanmedizin. Sie ist seit 2014 in der Juso Luzern politisch aktiv. Von 2017 bis 2020 ist sie im Vorstand der Juso Stadt Luzern für Mitgliederbetreuung und Finanzen verantwortlich gewesen. Seit 2020 amtet sie als Co-Präsidentin der JUSO Luzern.

Chiara Peyer (Junge Grüne)

Die 22-jährige Chiara Peyer ist in der Stadt Luzern aufgewachsen. Die gelernte Kauffrau hat auch beruflich viel mit der Politik zu tun: So arbeitet sie als politische Sekretärin für die kantonale Jung- und Mutterpartei der Grünen. Ende 2022 hat sie als Nachfolgerin von Julian Gerber das Co-Präsidium der Jungen Grünen Kanton Luzern übernommen.

Verwendete Quellen
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