Grüne orten «unhaltbare Zustände»

Medienförderung: Waadt prescht vor, Luzern schaut zu

Luzern will – im Unterschied zu anderen Kantonen – vorerst keine kantonale Medienförderung aufgleisen. (Symbolbild: jal)

Die Journalismusbranche ist am Kämpfen. Der Kanton Waadt geht deshalb neue Wege. In Luzern will die Regierung hingegen abwarten. Doch der Wind könnte auch hier drehen.

Die Geschichte über den Zustand der Medienbranche ist schnell erzählt: Immer weniger zahlende Leserinnen und Leser, immer mehr gratis verfügbare Informationen im Internet, immer weniger Inserate und immer mehr Werbegelder, die zu ausländischen Techgiganten fliessen. Die Folge: Es werden Stellen eingespart, Redaktionen zusammengelegt, Titel fusioniert oder beerdigt.

Dass dieses Mediensterben aus demokratiepolitischer Sicht bedenklich ist, darüber sind sich die meisten Akteure einig. Für eine gut informierte Bevölkerung braucht es in einem Land wie der Schweiz unabhängige und kritische Medien.

Das findet auch die Luzerner Kantonsrätin Rahel Estermann (Grüne). Die Digitalisierungsforscherin fordert den Regierungsrat in zwei Motionen auf, sich für die Medienförderung starkzumachen.

Virtueller Kiosk im Kanton Waadt

Wie das aussehen könnte, zeigt ein Blick über den Röstigraben. Der Medienwandel macht auch vor der Romandie nicht Halt. In den letzten Jahren mussten mehrere Titel aufgeben, unter anderem «L’Hebdo» oder «Le Matin».

Das hat die Behörden auf den Plan gerufen. Der Waadtländer Staatsrat hat kürzlich bekanntgegeben, dass er in den nächsten fünf Jahren 6 Millionen Franken investieren will. Konkret plant er, mehr Inserate zu schalten, in die Ausbildung junger Journalisten zu investieren oder eine Stelle im regionalen Büro der Nachrichtenagentur Keystone SDA zu finanzieren.

Der Kanton Waadt hat darüber hinaus insbesondere die junge Leserschaft im Visier – und präsentiert einen interessanten Ansatz. Er plant einen virtuellen Kiosk mit allen kostenpflichtigen Waadtländer Medienprodukten, zu dem die 18-Jährigen ein Jahr lang vergünstigten Zugang haben. Das soll den Medien helfen, die jährlich rund 8’000 bis 9’000 jungen Erwachsenen an sich zu binden und für den Wert ihres Produkts zu sensibilisieren.

Der Vorschlag erinnert an die Idee eines «Spotify für den Journalismus» oder «GA für News», also eine Plattform mit Angeboten unterschiedlicher Medien, die in der Branche schon lange umhergeistert, sich aber in der Schweiz noch nicht festsetzen konnte.

Kantonale Medienförderung im Aufwind

Der Waadtländer Staatsrat betont, dass das Grundprinzip der redaktionellen Unabhängigkeit respektiert werden müsse. Die Vorschläge müssen zudem noch im Parlament gutgeheissen werden.

«Kantonale politische Themen werden nur noch ausnahmsweise kompetent eingeordnet.»

Luzerner Regierungsrat

Gleichwohl ist bereits klar: Der Kanton Waadt nimmt eine Pionierrolle ein. Doch auch anderswo ist die Medienförderung zum Thema geworden. Der Kanton Bern seinerseits prüft nach einem Entscheid des Kantonsparlaments unter anderem eine Unterstützung der Agentur Keystone SDA. Auch die St. Galler Regierung hat die lokale Medienbranche unter die Lupe genommen und prüft nun den Aufbau eines unabhängigen Media-Labs, das innovative Entwicklungen stärken soll.

Regierung sieht keine Gefährdung der Vielfalt

Anders der Kanton Luzern. Der Regierungsrat sieht zum aktuellen Zeitpunkt weder die Notwendigkeit für einen Planungsbericht noch für ein Fördermodell für Onlinemedien. Er empfiehlt zwei Vorstösse der grünen Kantonsrätin Rahel Estermann, welche diese Woche im Kantonsrat behandelt werden, zur Ablehnung.

Die Luzerner Regierung anerkennt zwar den Medienwandel als Teil einer weltweiten Kommunikationsrevolution. Eine «Gefährdung der Medienvielfalt» im Kanton Luzern sei aktuell aber nicht gegeben. «Insgesamt ist im Kanton Luzern die Informationsvielfalt auf einem hohen Niveau gewährleistet», schreibt er in seiner Stellungnahme. Bereits in der Vergangenheit – etwa im Zusammenhang mit der Integration der «Luzerner Zeitung» unter das Dach von CH Media – kam es zu politischen Vorstössen, bereits damals agierte die Regierung wie ein zahnloser Tiger (zentralplus berichtete).

400 Mitteilungen sollen politischen Journalismus unterstützen

Zwar hält der Regierungsrat nun fest, dass «kantonale politische Themen nur noch ausnahmsweise kompetent eingeordnet und mit der nötigen Sorgfalt und Tiefe auch kontrovers behandelt und kommentiert werden können». Darin sieht er einen Qualitätsverlust, der «durchaus demokratiepolitisch relevant ist».

«Ein umfassendes Medienportal nützt unserer Demokratie nichts, wenn die Journalisten fehlen, um die Inhalte einzuordnen.»

Rahel Estermann, Kantonsrätin (Grüne)

Die «gezielten Massnahmen», mit denen er reagiert habe, reichen allerdings deutlich weniger weit als in den genannten Kantonen. Erwähnt wird zum Beispiel die Unterstützung des Medienausbildungszentrums (MAZ) in Luzern oder die aktive Verbreitung kantonaler Informationen via eigene Kanäle und Plattform. Man erleichtere «zur Unterstützung des politischen Journalismus» die Bearbeitung politischer Inhalte, unter anderem mit Medienanlaufstellen in der Verwaltung sowie der aktiven Publikation von jährlich gegen 400 Mitteilungen.

Dass Letzteres jedoch auch dem Eigeninteresse dient und das wachsende Ungleichgewicht zwischen den Ressourcen der Medien und jenen der Kommunikationsstellen der Verwaltung die gewünschte kritische Auseinandersetzung erschweren, verschweigt er allerdings.

Neuer Vorstoss geplant

«Ein umfassendes Medienportal nützt unserer Demokratie nichts, wenn die Journalisten fehlen, um die Inhalte einzuordnen», sagt auch Rahel Estermann. Dass dies gemäss Regierung nur noch «ausnahmsweise» der Fall sei, bezeichnet die grüne Kantonsrätin als unhaltbaren Zustand.

Und mit dieser Einschätzung sei sie nicht alleine. «Viele politische Geschäfte bleiben unter dem Radar der Öffentlichkeit, wie sich im Austausch mit der Bevölkerung zeigt – das spüren auch bürgerliche Politikerinnen und Politiker.»

Die 32-Jährige wird ihre Forderung nach einem Planungsbericht in dieser Session allerdings zurückziehen – aus taktischen Gründen. Denn die Motion dürfte im Rat einen schweren Stand haben. Seitens SP und CVP gebe es jedoch Signale für eine Offenheit gegenüber einer indirekten Medienförderung. Estermann will deshalb die Möglichkeiten ausloten und einen neuen Vorstoss planen. Dieser soll bereits konkrete Ideen beinhalten – womöglich zum Beispiel einen virtuellen Medienkiosk wie im Waadtland, mit einem durch den Kanton verbilligten Abo für Jugendliche.

Absage an den Alleingang

Die Kantone beschäftigen sich also mehr und mehr mit einem Thema, das derzeit insbesondere auf nationaler Ebene zu reden gibt. Nachdem das geplante neue nationale Mediengesetz zerpflückt wurde, liess der Bundesrat dieses letzten Sommer fallen und kündigte ein rasch umsetzbares Paket an Massnahmen zur Medienförderung an.

Neu sollen zum Beispiel auch kostenpflichtige Online-Medien finanziell unterstützt werden, sofern sie die nötige Qualität aufweisen. Zudem wird die Postzustellung von Zeitungen ausgebaut und in die Ausbildung investiert. Medienministerin Simonetta Sommaruga will die Vorlage bis im Sommer 2020 ins Parlament bringen.

Für die grüne Kantonsrätin Rahel Estermann ist Medienförderung auch Sache des Kantons. (Bild: zvg)

Geht es nach dem Luzerner Regierungsrat sind Massnahmen zugunsten der Medien ohnehin bundesweit zu koordinieren. «Es gilt zu verhindern, dass mit kantonalen Massnahmen ein Medienangebot gestützt wird, das der Markt nicht nachfragt und womöglich schweizweit 26 unterschiedliche Ansätze zur Medienförderung verfolgt werden», schreibt er. Im Klartext: Luzern spielt den Ball nach Bundesbern.

Für Kantonsrätin Rahel Estermann ist hingegen klar: «Auch wenn die Medienförderung Sache des Bundes ist, werden am Ende nur ein paar Tropfen auf den Medienplatz Luzern fallen. Deshalb ist es wichtig, dass die Kantone aktiv werden.»

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