657 Schmittli-Petitionäre unterschrieben vergebens

Markus Hürlimann setzt zur Filibuster-Rede an

Markus Hürlimann (hinten stehend) bei seiner Filibusterrede.

(Bild: mam)

Mit preussischer Disziplin boxte der Zuger Kantonsratspräsident Daniel Thomas Burch (FDP) am Donnerstag den Kredit für die Sanierung der Kantonsstrasse zwischen Nidfuren und Schmittli durch. Der Baarer CVP-Kantonsrat Pirmin Andermatt hatte beantragt, einen Kreisel beim Schmittli zu bauen. Die SVP tat alles dafür, dass der Objektkredit nicht bewilligt werden konnte.

Das ist ein politisches Statement: 657 Petitionäre hatten vor ungefähr einer Woche die Zuger Regierung gebeten, einen Kreisel statt einer normalen Kreuzung beim Schmittli zu realisieren (zentralplus berichtete). Doch weder der Kantonsrat noch Baudirektor Urs Hürlimann (FDP) hatten Gehör für die Allenwindner und Unterägerer Bürger.

Doch erzählen wir die Geschichte von vorne: Schon zu Beginn der Kantonsratssitzung am Donnerstagmorgen preschte CVP-Kantonsrat Kurt Balmer ans Rednerpult und appellierte an seine Ratskollegen, sich wegen dieser Petition nicht die Verfahrenshoheit aus den Händen reissen zu lassen. Dies würde ein gefährliches Präjudiz schaffen. Die Petition käme zur Unzeit.

Hingegen regte er eine zweite, «freiwillige» Lesung zur Strassensanierung Schmittli-Nidfuren an, um die politische Meinungsäusserung der Bürger zu ehren und auf die Anliegen der Petition einzugehen. Nach einigen ähnlichen Statements einigte man sich darauf, den Baukredit nicht abzutraktandieren, sondern über das Vorhaben zu sprechen.

Der Baudirektor will Fakten

Die Sitzung neigte sich schon langsam dem Ende zu, als wiederum die Sanierung der Verbindungsstrasse Zug/Baar–Ägerital auf dem Abschnitt Nidfuren–Schmittli aufs Tapet kam. Baudirektor Urs Hürlimann machte den Kantonsräten deutlich, dass er mit einem Entscheid über die Vorlage am selben Tag rechnete. Sie sei fundiert geplant, man habe sechs verschiedene Projekte tagelang evaluiert. Auf all die Bedenken der Petitionäre habe er eine stichhaltige und überzeugende Antwort, und er sei bereit, «heute und hier darauf einzugehen». Er sprach, als ob die Kreisel-Petitionäre im Saal anwesend wären, was aber nicht der Fall war.

Die Abstimmungsanlage des Zuger Kantonsrats streikte bei ihrem zweiten Einsatz nur einmal.

Die Abstimmungsanlage des Zuger Kantonsrats streikte bei ihrem zweiten Einsatz nur einmal.

(Bild: mam)

Dann folgte die Reihe der Fraktionserklärungen von politisch links nach rechts. Alle waren für das Projekt, niemand warf sich für den Kreisel in die Bresche – auch der Baarer Gemeinderat Pirmin Andermatt nicht, der für die CVP-Fraktion ans Mikrofon trat. 

Schliesslich war die Reihe an der SVP. Für sie stieg Kantonsrat Markus Hürlimann aufs Podium und hob zu einer Rede an, in der er gegen die sehr teuren Luxusstrassen wetterte, die der Kanton Zug baute, wie kürzlich auf dem Abschnitt Sihlbrugg–Neuheim. Er stellte namens der SVP-Fraktion den Antrag, die beiden Velostreifen aus dem Projekt zu streichen, und fand diverse weitere Sparmöglichkeiten, bis er die Kosten um 18,7 Prozent reduziert hatte, wie er vorrechnete. All die Streichungsvorschläge waren wohl begründet und die Idee, auf die projektierten Velowege zu verzichten, leitete er ebenfalls wortreich her, nahm dabei gleich noch eine informelle Zweirad-Verkehrsschätzung vor und hatte die Anzahl der passierenden ZVB-Busse gezählt.

Markus Hürlimann erzählt über seine Kindheit

Derweil war der Uhrzeiger über die zwölf geschlichen, und die Mägen der Kantonsräte begannen schon fast hörbar zu knurren.

Hürlimann referierte unbeirrt weiter. Erzählte über seine Kindheit in Allenwinden. Wie es war, als wegen dem Bau der Lorzentobelbrücke der ganze Verkehr über sein Dorf umgeleitet wurde. Dann orientierte er den Rat über aktuelle Bauvorhaben an der Allenwindner Dorfstrasse und berichtete, wie viele Autos er am Morgen am Moosrank zwischen Allenwinden und dem Talacher hatte abwarten müssen. Er redete und redete, sagte, als Allenwindner sei er einst auch für einen Kreisel gewesen, aber mittlerweile habe er verstanden, dass dies falsch sei und erläuterte die Gründe dafür.

Nach geschätzten 25 Minuten und gefühlten 2 Stunden kam er zu einem Ende. Worauf FDP-Kollege Peter Letter zum Mikrofon eilte und sagte: «In den USA nennt man das einen Filibuster.»

Der Präsident will verschieben

Als Filibuster (von französisch Flibustier für Freibeuter) wird in den Vereinigten Staaten eine politische Taktik bezeichnet. Eine Minderheit versucht durch Dauerreden eine Beschlussfassung durch die Mehrheit zu verhindern oder zu verzögern.

Tatsächlich wankte zu diesem Zeitpunkt auch Kantonsratspräsident Burch (FDP) und sprach davon, die Verhandlung der Sache bald abzubrechen. Doch das Spektakel ging weiter. Denn nun trat Pirmin Andermatt aus Baar auf die Bühne, der nun nicht mehr für die CVP-Fraktion sprach und den Bau eines Kreisels beim Schmittli beantragte. Er hatte sichtlich die Nase voll von den ganzen Sparvorschlägen, sprach von einem Affront für die Bevölkerung und den Gemeinderat von Baar und davon, dass hier an der Sicherheit gespart werde. Vermutlich wollte er noch erklären, dass dies nicht hinnehmbar sei, doch da die SVP-Abgeordneten sein Votum mit lautstarkem Schwatzen störten, brüllte er: «Kann ich endlich Ruhe haben? Ich höre euch ja auch zu.»

Den Braten gerochen

Nun löste sich Mariann Hess (ALG) aus den Reihen der Linken, die sonst alle dem Treiben nur erstaunt zusahen. Hess beantragte den Bau einer Wildwarnanlage auf dem Streckenabschnitt, wies darauf hin, dass die Kollision mit einem Hirsch für einen Menschen lebensgefährlich sein könne und es immer mehr Hirsche gebe. Manuel Brandenberg (SVP) stellte einen Eventualantrag zum Hauptantrag der SVP sowie einen Eventualantrag zu einem Eventualantrag.

Irgendwann hatte wohl auch Daniel Thomas Burch Lunte gerochen. Vielleicht hatte er sich auch mit dem schräg vor ihm sitzenden Parteifreund, Baudirektor Urs Hürlimann, verständigt – wir wissen es nicht. Jedenfalls entschied er, über all die Anträge abstimmen zu lassen und die Vorlage durchzupeitschen. Das trug ihm lautstarkes Murren aus der rechten Ratshälfte ein.

Kreisel hat keine Chance

In den Abstimmungen hatten dann weder die Sparvorschläge der SVP eine Chance noch der von Andermatt eingebrachte Kreisel am Schmittli. Die Kantonsstrasse kann auf dem Abschnitt Nidfurren–Schmittli für 55 Millionen Franken nach den Plänen von Baudirektor Urs Hürlimann saniert werden. Also mit zwei Velostreifen, aber ohne Kreisel, damit der Hauptdurchgangsverkehr von Zug nach Ägeri nicht abgebremst werde. Während der Bauzeit wird übrigens der gesamte Streckenabschnitt gesperrt. Der Bergverkehr fliesst dann über Allenwinden, der Talverkehr von Unterägeri nach Zug/Baar über Edlibach.

Urs Hürlimann liess es sich nicht nehmen, im Kantonsratssaal noch einmal für seine Lösung zu werben. Sie nehme die Sicherheitsbedenken der Petitionäre ja auf, die Kreuzung werde begradigt, es gebe Fussgängerstreifen und einen variablen Mittelstreifen für Einbieger.

Der Epilog

Alles klar? Nein, Kantonsrat Oliver Wandfluh (SVP) begab sich nach den Abstimmungen und Ansprachen des Baudirektors zum Rednerpult und beantragte offiziell eine zweite Lesung des Geschäfts. «Mich stört der Gedanke, eine Petition von 700 Personen zu ignorieren.»

Also wurde nochmal abgestimmt. Resultat: 36:31. Eine knappe Mehrheit wollte keine 2. Lesung, um die Petition zu besprechen.

Abstimmung über 2. Lesung, Blau Ja, Rot Nein. Das politisch rechte Lager ist auf der Tafel links zu sehen, das linke Lager rechts.

Abstimmung über 2. Lesung, Blau Ja, Rot Nein. Das politisch rechte Lager ist auf der Tafel links zu sehen, das linke Lager rechts.

(Bild: mam)

 

 

 

 

 

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