Defizit und Steuererhöhung statt frischer Wind

Krienser Finanzchef Roger Erni: «Es ist ernüchternd»

Der Krienser Finanzvorsteher Roger Erni (FDP) muss erneut ein Defizit präsentieren. (Bild: zvg)

Die Stadt Kriens ist knapp bei Kasse – und das bleibt 2022 so. Finanzchef Roger Erni sagt, wieso es dem Stadtrat nicht gelungen ist, ein ausgeglichenes Budget zu erarbeiten. Und weshalb er als Liberaler höhere Steuern für unumgänglich hält.

Defizit, Defizit, Defizit: Die Finanzlage in der Stadt Kriens ist seit Jahren desolat. 4'500 Franken Schulden pro Einwohner verzeichnete die drittgrösste Gemeinde des Kantons im letzten Jahr – nur in Wolhusen und Emmen ist es noch mehr.

Als der frisch gewählte Stadtrat letztes Jahr kein ausgeglichenes Budget präsentierte, war die Enttäuschung gross. Die Quittung kam prompt: Die Stimmbevölkerung lehnte die geplante Steuererhöhung an der Urne ab. Auch der zweite Vorschlag scheiterte im Einwohnerrat – und der Regierungsrat musste das Budget 2021 festsetzen.

Jetzt sieht die Situation nicht besser aus. Zwar verzichtet der Stadtrat für 2022 noch auf eine Steuererhöhung und will diese erst ein Jahr später anpacken, dafür nimmt er ein Minus von 3,2 Millionen Franken in Kauf (zentralplus berichtete). zentralplus hat beim FDP-Stadtrat und Finanzvorsteher Roger Erni nachgefragt.

zentralplus: Roger Erni, wie geht es Ihnen?

Roger Erni: (zögert) Es geht.

zentralplus: Ich frage, weil Sie heute erneut ein Defizit präsentieren mussten – obwohl der Stadtrat ein ausgeglichenes Budget zum Ziel hatte.

Erni: Uns ist bewusst, dass die Parteien bis weit in die Mitte nicht glücklich sein werden damit. Auch der Stadtrat ist nicht erfreut darüber. Aber wir haben schnell gemerkt: Eine schwarze Null ist unter den aktuellen Umständen nicht möglich.

zentralplus: Wieso nicht?

Erni: Wir haben deutlich mehr Ausgaben als Einnahmen. Für mich findet sich die «brutalste» Zahl im Budget bei der Bildung: Der Personalaufwand an den Schulen klettert von einem Jahr aufs nächste um 2,5 Millionen Franken. Dies weil die Schülerzahlen steigen, der Kanton eine generelle Lohnerhöhung gewährte und wir die Horte ausbauen. Auch in der Sozialhilfe haben wir aufgrund der Coronakrise höhere Ausgaben. Das ist ernüchternd, aber wir können diese Entwicklungen nicht beziehungsweise nur wenig beeinflussen.

«Auch mein liberales Herz krampft sich beim Gedanken an eine Steuererhöhung zusammen.»

zentralplus: Wenn die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen auseinanderklafft, werden in der Regel die Steuern erhöht. Kriens verzichtet 2022 darauf.

Erni: Die Bevölkerung hat eine Steuererhöhung fürs Budget 2021 abgelehnt – und zwar nicht hauchdünn, sondern mit 65 Prozent Nein-Stimmen. Der Regierungsrat hat uns später die vorgeschlagene Steuererhöhung nicht in vollem Umfang zugestanden. Dadurch fehlen uns zwei Millionen Franken im Budget.

zentralplus: Macht es sich der Stadtrat nicht zu einfach, wenn er dem Kanton die Schuld in die Schuhe schiebt? Er könnte mehr sparen.

Erni: Wir haben letztes Jahr ein Budget vorgelegt mit zahlreichen Sparmassnahmen und sind im Einwohnerrat dafür abgestraft worden. Müssen wir sparen, kämen wieder dieselben Bereiche aufs Tapet – Betreuungsgutscheine, Spitex, Personal und so weiter. Sprich: Der Stadtrat findet keine weiteren grösseren Sparmassnahmen, die mehrheitsfähig sind. Denn weitere Sparrunden schaden Kriens enorm. Nehmen wir die Verwaltung: Wir haben 2020 und 2021 die Lohnerhöhung von einem Prozent gestrichen. Jetzt müssen wir ein Zeichen setzen, damit uns die guten Leute nicht davonlaufen.

zentralplus: Sie schlagen für 2023 eine Steuererhöhung auf 2.05 Einheiten vor. Das ist noch mehr, als der Stadtrat letztes Jahr wollte. Will er mit dem Kopf durch die Wand?

Erni: Auch mein liberales Herz krampft sich bei diesem Gedanken zusammen. Aber wir brauchen diese Erhöhung, sonst erreichen wir 2023 keine schwarzen Zahlen. Es wird unbestrittenermassen schwierig, im Parlament und in der Bevölkerung dafür eine Mehrheit zu finden. Aber es ist unser Weg. Immerhin senkt der Kanton bekanntlich seine Steuern – für die Bürger von Kriens bleibt die Steuerrechnung fast gleich hoch.

zentralplus: Auch die Stadt Luzern budgetierte ein Minus – doch die Rechnung schliesst 2021 voraussichtlich doch positiv ab (zentralplus berichtete). Kann auch Kriens auf eine solche Wende hoffen?

Erni: Schön wäre es. Aber unsere neuste Hochrechnung zeigt, dass die Steuereinnahmen bei den natürlichen Personen zwei Millionen Franken unter dem Budget liegen, das wir – wohlgemerkt – schon deutlich nach unten korrigiert haben. In Luzern hat ein einzelner Erbschaftsfall so eingeschenkt. Das zeigt mir: Es ist gut und wird von der Finanzstrategie «Stadtfinanzen im Gleichgewicht» gestützt, dass der Stadtrat auch in Kriens die Nachkommenserbschaftssteuer wieder einführen will.

«Wir möchten den frischen Wind nicht mehr bemühen.»

zentralplus: Der neue Stadtrat hat frischen Wind versprochen. Danach sieht es aktuell nicht gerade aus.

Erni: Wenn Sie uns fünf beim Start am 1. September 2020 gefragt hätten, wie die Finanzen in Zukunft aussehen, hätte sicher niemand ein Defizit von 3,2 Millionen vorhergesagt. Wir möchten den frischen Wind nicht mehr bemühen. Wir tun unser Bestes, um die schwierige Situation zu meistern – und zwar als funktionierendes Team: Das Budget 2022 ist das Resultat der Konkordanz im Stadtrat.

zentralplus: In einem Monat, am 4. November 2021, kommt das Budget in den Einwohnerrat. Wie wollen Sie erreichen, dass das Parlament diese Kröte schluckt?

Erni: Alle Fraktionen müssen einen Schritt aufeinander zugehen. Ansonsten steht Kriens erneut ohne gültiges Budget da.

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