Nach Nein zu beiden Umfahrungstunneln

Fehlende Solidarität? Zuger FDP rüffelt Stimmvolk

Der Zuger Stadttunnel ist einmal mehr Geschichte. Im Bild: Luzian Franzini (ALG) und Cédric Schmid (FDP). (Bild: zvg)

Die FDP des Kantons Zug ist unglücklich über den Ausgang der Tunnel-Abstimmungen. Sie sieht das Problem im mangelnden Zusammenhalt des Kantons. Die ALG indes verortet bei den Freisinnigen fehlende Selbstkritik.

Zwei Strassentunnelprojekte waren im Kanton Zug geplant, zwei Strassentunnelprojekte erlitten am Sonntag an der Urne Schiffbruch. Und zwar gewaltig. Während der Rahmenkredit für die Umfahrung Unterägeri mit rund 53 Prozent Neinstimmen scheiterte, versenkte eine Mehrheit von fast 57 Prozent das Stadtzuger Projekt (zentralplus berichtete).

Die FDP Kanton Zug äusserte sich gleichentags noch mit einer Medienmitteilung. Darin sprechen die Freisinnigen von mangelndem Zusammenhalt im Kanton sowie überwiegenden Partikularinteressen statt Solidarität und «Verantwortung für die nächsten Generationen».

Insbesondere das Nein zur Umfahrung Unterägeri habe die FDP negativ überrascht. Insbesondere, da die dortige Bevölkerung der Umfahrung klar mit 59,1 Prozent zugestimmt habe. Dies im Gegensatz zu den meisten anderen Gemeinden. Nur gerade Neuheim und Walchwil stimmten dem geplanten Umfahrungstunnel in der Berggemeinde zu.

Nur gerade drei Gemeinden, darunter die betroffene, sprachen sich für die Umfahrung Unterägeri aus:

Menzingen sagte deutlich Nein zum Ägeri-Tunnel

Auffällig: Die Gemeinde Menzingen, welche kaum von der Umfahrung betroffen gewesen wäre, sagte mit 56 Prozent sehr deutlich Nein zum Ägeri-Tunnel. Aus Mangel an Solidarität? Dazu sagt der Zuger FDP-Präsident Cédric Schmid gegenüber zentralplus: «Das ist eine gute Frage. Warum sollte man als Menzinger für einen Tunnel sein, von dem man nichts hat? Doch gehe ich davon aus, dass es sich bei den Stimmberechtigten, die nicht über die Gemeindegrenzen hinausdenken, um Einzelfälle handelt. Immerhin ist Menzingen ein ZFA (Zuger Finanzausgleich)-Nehmerkanton und erhält demnach Ausgleichszahlungen anderer Zuger Gemeinden.»

«Dies mit fehlender Solidarität abzutun, ist etwas zu einfach.»

Andreas Etter, Gemeindepräsident Menzingen

Auf die Frage, was in seiner Gemeinde zu einem solch klaren Nein zum Ägerer Tunnel geführt haben könnte, antwortet der Menzinger Gemeindepräsident Andreas Etter Folgendes: «Ich denke nicht, dass das eine Frage der fehlenden Solidarität war. Der Kanton Zug ist sehr wohl solidarisch. Vielmehr scheint es mir, dass bei der Wählerschaft die fehlenden Vorzüge oder aber die Nachteile eines Tunnels zu einem Nein geführt haben.» Und weiter: «Dies mit fehlender Solidarität abzutun, ist etwas zu einfach.» Verunsicherung in der Bevölkerung habe Etter etwa während der Informationsveranstaltung in Unterägeri, insbesondere bezüglich dem Fehlen konkreter flankierender Massnahmen, gespürt. 

Gärtli-Denken in der Stadt Zug?

Die FDP findet auch klare Worte zum Resultat der Zuger Stadttunnel-Abstimmung: «Auch bei dieser Vorlage sind die Gegner nur als Bedenkenträger aufgetreten, haben Verunsicherung geschürt und absolut keine mehrheitsfähigen Alternativen aufgezeigt.» Die Nein-Kampagne sei geprägt gewesen von übermässigen Partikularinteressen, «nicht vor meiner Haustür» und in seiner Steigerungsform «nicht einmal in der Nähe meiner Haustür!» sei der Tenor gewesen.

Vergleichen lassen sich die beiden Resultate der zwei Tunnel-Abstimmungen jedoch nur bedingt. Denn anders als in Unterägeri sagten beeindruckende 63,2 Prozent der Stadtzugerinnen Nein zum Tunnelprojekt. Dabei wäre es die Stadt Zug, welche neben Walchwil am meisten hätte profitieren sollen vom Tunnel. Der Vorwurf, dass es der Stimmbevölkerung an Solidarität mangeln würde, greift in diesem Fall nicht.

58 Prozent der Wahlberechtigten im Kanton Zug sagten Nein zur Zuger Umfahrung:

FDP verteidigt die Arbeit der Regierung

Cédric Schmid, Präsident der FDP Kanton Zug, gesteht ein: «Das stimmt, die Wortwahl ist in diesem Fall nicht optimal gewählt.» Und weiter: «Noch ist es schwierig, genau zu eruieren, was zu den beiden ‹Nein› geführt hat. Wir dachten, wir hätten aus der Abstimmung vor acht Jahren gelernt. Man hat das damals gross dimensionierte Projekt vereinfacht und bewusst offengelassen, wie die Innenstadt dereinst aussehen soll.» Diese Punkte seien damals nämlich kritisiert worden.

«Es ist darum für uns schwierig nachzuvollziehen, warum es auch mit der Neuauflage des Projekts nicht geklappt hat», sagt Cédric Schmid. In der Medienmitteilung heisst es: «Die Leistung der Regierung und des Kantonsrats kann bei beiden Vorlagen nicht kritisiert werden. Beide haben machbare Projekte ausgearbeitet und der Stimmbevölkerung zur Abstimmung vorgelegt.»

Dass die FDP die Arbeit der Regierung nicht kritisiert, ist kaum verwunderlich. Sowohl die städtische Bauchefin Eliane Birchmeier als auch der Baudirektor Florian Weber gehören der FDP an. Auf Nachfrage von zentralplus verteidigt Schmid die Arbeit von Regierung und Kantonsrat.

Abstimmung zeigt: Bürgerliche sind nicht gleich Bürgerliche

Dennoch gibt der FDP-Präsident zu bedenken: «Innerhalb des bürgerlichen Lagers gab es eine grosse Nein-Komponente. Das Projekt konnte längst nicht alle überzeugen. Aus einer persönlichen Warte gehe ich davon aus, dass das Gros der Liberalen für, die Konservativen jedoch eher Nein gestimmt haben.» Es handle sich dabei um Strömungen, die nicht unbedingt mit der Parteizugehörigkeit gleichgesetzt werden könnten.

Die Uneinigkeit innerhalb des bürgerlichen Lagers war am vergangenen Abstimmungssonntag gut sichtbar. Hatte es die FDP als treibende liberale Kraft verpasst, stärker für das Projekt zu weibeln? «Tatsächlich waren wir davon ausgegangen, dass zumindest der Tunnel in Ägeri klar angenommen würde. Doch gilt es zu bedenken, dass Politiker alle freiwillig arbeiten, dies neben Beruf und Familie.» Klar könne man sagen, «man hätte sich stärker einsetzen müssen». Doch fragt er sich, woher sie die Ressourcen dafür hätten nehmen sollen. «Wir haben getan, was wir konnten.»

Ein Nein aus Solidarität?

Den Vorwurf des mangelnden Zusammenhalts im Kanton Zug und der fehlenden Solidarität lässt Luzian Franzini, Co-Präsident der ALG und dezidierter Tunnel-Opponent, keineswegs gelten: «Diesen Vorwurf empfinde ich als ziemlich deplatziert. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass selbst die Stadtzuger Bevölkerung nach 2015 erneut klar Nein gesagt hat zum Projekt.» Und weiter: «Da ist es doch eher solidarisch, wenn auch die anderen Gemeinden die Vorlage ebenfalls ablehnen.»

«Es ärgert mich, dass die FDP keinerlei Selbstkritik zulässt.»

Luzian Franzini, ALG-Co-Präsident

Franzini moniert seinerseits: «Es ärgert mich, dass die FDP keinerlei Selbstkritik zulässt.» Sie betone vielmehr, dass sowohl Regierungsrat als auch Kantonsrat alles richtig gemacht hätten. «Und dies bei so einer Schlappe! Von der GLP bis hin zur SVP waren alle Parteien für den Tunnel, und dennoch sagte die Bevölkerung deutlich Nein. Diese scheint erkannt zu haben, dass solche Tunnels nicht Teil der Lösung, sondern des Problems sind.»

Die Lösung sieht Franzini vielmehr in verkehrsberuhigenden Massnahmen. Er spricht das Projekt Promenade Zug an, welches der VCS 2016 ausgearbeitet hatte. «Dieses würde die untere Altstadt komplett vom Verkehr befreien. Es gab direkte Kontakte zwischen VCS und Baudirektion, doch verweigerte sich letztere dem Projekt völlig.» Ausserdem muss es gemäss ALG-Präsident gelingen, eine deutlich grössere Zahl der Verkehrsteilnehmerinnen auf den ÖV umzupolen. «Dies etwa, indem man den ÖV deutlich günstiger macht und die Linien massiv ausbaut.»

FDP ist nach wie vor von Umfahrung überzeugt

Trotz happiger Niederlage der Tunnel-Freunde: Resignieren scheint für die FDP keine Option zu sein. Dazu Schmid: «Wir müssen die Verkehrssituation lösen. Alle wollen in der Stadt Zug wohnen. Das heisst, wir müssen unbedingt mehr Wohnungen bauen. Dies auch in die Höhe. Damit einhergehen eine entsprechende Infrastruktur und neue Freiräume. Es braucht eine Umfahrung.» Der FDP-Präsident dezidiert: «Es kann doch nicht sein, dass wir das nicht hinbekommen.»

Dazu, was die FDP aus der vergangenen Abstimmung mitnehme, sagt Schmid: «Wir müssen uns offenbar noch stärker in die Denkweise des Wählers hineinfühlen.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Cédric Schmid
  • Telefongespräch mit Luzian Franzini
  • Telefongespräch mit Andreas Etter, Gemeindepräsident Menzingen
  • VCS-Projekt Promenade Zug
  • Resultate der vergangenen Zuger Abstimmungen
  • Medienmitteilung FDP Kanton Zug
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