Der Luzerner Knatsch um den Landschaftsschutz
Am 10. Februar stimmt die Schweiz über die Zersiedelungsinitiative ab. Das Anliegen ist nicht nur beim Gewerbe unbeliebt, es stösst auch bei Luzerner Landschaftsschützern auf Skepsis.
Die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen mag zwar eine nationale Vorlage sein, doch die Auswirkungen einer Annahme wären in den einzelnen Kantonen aufgrund der verschiedenen geografischen, ökonomischen und strukturellen Gegebenheiten unterschiedlich spürbar.
So wäre der sich aktuell ökonomisch und demografisch stark entwickelnde Kanton Luzern wohl besonders betroffen. Denn die sogenannte Zersiedelungsinitiative verlangt, dass in der ganzen Schweiz nur noch neue Bauzonen geschaffen werden dürfen, wenn an anderer Stelle die gleiche Fläche zurückgezont wird.
Breiter Widerstand
Entsprechend gross ist der Widerstand gegen das Volksbegehren. Dies zeigte sich am Dienstagmorgen in Luzern, als Vertreter der Wirtschaft und der Bauern gemeinsam gegen die Vorlage vor die Medien traten.
«Luzern war vor dreissig Jahren noch ein Agrarkanton. In der Zwischenzeit hat er sich zu einem erfolgreichen KMU-Kanton entwickelt», sagte Gaudenz Zemp, Präsident des Luzerner Gewerbeverbandes. Dies sei mit einem unterschiedlichen Bedarf bezüglich der Nutzung des Bodens einhergegangen. Gerade die wirtschaftliche Entwicklung benötige also genügend Bodenressourcen, so Zemp.
«Haben das Wachstum im Griff»
Dass die Reserven an Boden und Kulturland begrenzt und somit ein rares Gut sind, ist man sich im Grundsatz von links bis rechts einig. Folglich soll die wirtschaftliche Entwicklung gezielt auf einzelne Regionen ausgerichtet werden. Das kantonale Raumplanungsgesetz wurde entsprechend verabschiedet und befindet sich in der Umsetzungsphase. Bis 2023 muss der Prozess abgeschlossen sein.
«Der kantonale Richtplan sieht das wirtschaftliche Wachstum zu drei Vierteln entlang der sogenannten Y-Achse und dort vor allem in der Stadt vor», sagte Zemp. Die Y-Achse meint das Gebiet der Stadt Luzern und entlang der Autobahnen nach Zug und Sursee.
«Die Umsetzung des Gesetzes ist seit fünf Jahren voll auf Kurs.»
Gaudenz Zemp, Präsident Luzerner Gewerbeverband
«Die Umsetzung des Gesetzes ist seit fünf Jahren voll auf Kurs», zeigt sich der FDP-Kantonsrat zufrieden. Damit stellt er sich hinter den Regierungsrat, der die Siedlungsentwicklung nach innen und den Kulturlandschutz als «Kernelemente» der kantonalen Strategie bezeichnet.
Wie die Regierung ortet deshalb auch Zemp keinerlei Handlungsbedarf. Dies zeigten auch die Zahlen des Kantons. «Von 2012 bis 2017 hat die Bevölkerungszahl konstant zugenommen, die Baufläche ist aber in etwa gleich gross geblieben», führte Zemp aus.
Völlig gegen die regionale Entwicklung
Die Initiative komme nun von der Bundesebene her deshalb völlig quer in die kantonale Entwicklung, moniert Zemp. «Die für den ehemaligen Agrarkanton Luzern nötige Urbanisierung und Industrialisierung würde ungebremst abgewürgt», so die Kritik.
Er stelle zwar unweigerlich fest, dass in der Öffentlichkeit eine gewisse Angst herrsche, dass der Urbanisierung und Zersiedelung keine Grenzen gesetzt seien, so Zemp. «Dies wird aber nicht immer so weitergehen», bekräftigte der Gewerbler. Die entsprechende Gesetzeslage würde dem uneingeschränkten Wachstum einen Riegel schieben.
Trotzdem ist nicht alles gut
Dennoch scheint betreffend Zersiedelung und Landschaftsschutz in Luzern nicht alles in Butter zu sein. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man einen Blick auf die aktuelle politische Diskussion wirft. Das Komitee «Initiativen Luzerner Kulturlandschaft» hat im vergangenen Mai zwei kantonale Initiativen eingereicht, welche den momentanen Bauboom bremsen sollen (zentralplus berichtete).
«Wir fordern, dass Luzern endlich gesetzliche Grundlagen erhält, die Kulturlandschaft zu erhalten und nachhaltig zu schützen», sagt Andreas Meier vom Komitee. Denn aktuell würde jede Gemeinde die eigene Auslegung praktizieren.
«Es herrscht im Kanton Luzern ein Vollzugsmissstand.»
Andreas Meier, Komitee «Initiativen Luzerner Kulturlandschaft»
«Die Vorlagen verlangen nicht mehr als das, was schon in den raumplanerischen Bestimmungen enthalten ist. Sie wollen aber einen verbesserten Vollzug auch im ländlichen Raum sowie mehr Qualität in der Raumplanung», so das Argument.
Denn die zum Teil an sich guten Bundesgesetze würden vom Kanton Luzern nicht umgesetzt und an die Gemeinden delegiert. Diese seien mit dem Vollzug indes überfordert, schildert Meier das Problem. «Es herrscht im Kanton Luzern ein Vollzugsmissstand», so Meier. Will heissen: Die Instrumente für den Landschaftsschutz sind in Luzern vorhanden, müssen aber richtig eingesetzt werden.
Wird der Föderalismus ausgehebelt?
Dem nationalen Volksbegehren können die Luzerner Landschaftsschützer aber nur bedingt etwas abgewinnen. «Die eidgenössische Initiative stellt kompromisslose Forderungen und ist allein auf die Zersiedelung ausgerichtet», sagt Meier. Die Luzerner Volksbegehren basierten hingegen auf klaren, realistischen Appellen an den Kanton.
«Bezüglich Zersiedelung geht die eidgenössische Initiative weiter, als wir das fordern. Besteht öffentliches Interesse, sind bei unseren Initiativen Flächenausdehnungen immer noch möglich», so die Kritik. Oder anders gesagt: Die regionalen und lokalen Bedürfnisse können je nach Situation nach wie vor berücksichtigt werden.
Dass durch die eidgenössische Initiative die föderale Organisation infrage gestellt würde, kritisiert auch Gaudenz Zemp scharf. «Die Vorlage ist ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber autonomen Gemeinden und dem schweizerischen Föderalismus. Man erachtet es als erwiesen, dass dieser nicht funktioniert, und will ihn aushebeln.»
Auch die Pro-Seite hadert mit Gesetzgebung
Wenig Verständnis hat man für solche Argumentationen beim Luzerner Komitee «Luzern sagt Ja», welches für die Zersiedelungsinitiative weibelt. «Der Luzerner Richtplan schützt unsere Landschaft nicht genug. Er sorgt für noch mehr Siedlungswachstum und fördert damit die Zersiedelung», sagt Co-Präsident Samuel Zbinden.
Mit seinem Vorgehen und der Ablehnung der Initiative würden der Regierungsrat und die Politik unverantwortlich handeln. Die Zersiedelung könne durch den Richtplan nicht gestoppt werden, wie suggeriert werde, so Zbinden. Deshalb brauche es unbedingt die Initiative.
So könnten im Kanton Luzern jährlich weiterhin 35 Hektaren Land eingezont werden. Bis 2035 könnte die Fläche der Stadt Sursee neu zubetoniert werden. «Mit dieser laschen Raumplanungspolitik verbauen wir uns die Zukunft», kritisiert Zbinden.