Bedrohte Biodiversität wegen zu laschen Regeln?

Heimatschützer wollen Luzerner Bauboom bremsen

Das Komitee der Kulturlandschaftsinitiative übergibt Kathrin Graber, Leiterin der Abteilung Gemeinden, die Unterschriften.

(Bild: giw)

Sie fordern einen konsequenten Schutz von Kulturland und Ortsbildern im Kanton Luzern: Die Initianten der beiden Vorlagen zur Luzerner Kulturlandschaft haben für ihr Anliegen mehr als 11’000 Unterschriften gesammelt. Sie warnen vor den laschen Regeln im Kanton und sehen die Biodiversität bedroht.

Am Dienstagvormittag hat ein breit abgestütztes Komitee eine Verfassungs- und eine Gesetzesinitiative zum Schutz der Luzerner Kulturlandschaft eingereicht (siehe Box). Die Initianten haben dabei erfolgreich Unterschriften gesammelt und die Mindestanforderungen für ein Zustandekommen klar übertroffen. Die Verfassungsinitiative haben 6’500 Bürger unterschrieben, notwendig wären 5’000. Unter die Gesetzesinitiative haben 5’800 Luzerner ihre Unterschriften gesetzt, 1’800 mehr als notwendig.

«Es gibt keinen zweiten Kanton Luzern», betonte Marcel Sonderegger, Präsident des Komitees und alt CVP-Kantonsrat aus Oberkirch, in seinem Votum vor dem Regierungsgebäude. Er und seine Mitstreiter haben bei der Übergabe gar ein Stück Naturrasen mitgebracht – er steht für die Fläche an Kulturland, die laut den Initianten jede Viertelstunde verbaut wird im Kanton Luzern. Das mache in 20 Jahren 1’500 Fussballfelder, die überbaut würden, rechnen die Initianten vor.

Das Komitee

Die Initiativen für den Schutz der Luzerner Kulturlandschaft erhalten breite Unterstützung. Dazu gehören die Parteien SP, EVP, GLP, Grüne und die Junge CVP. Ausserdem ist eine breite Palette an Umweltschutzverbänden mit von der Partie. Unter anderem Pro Natura Luzern, der VCS, Bio Luzern oder Bird Life Luzern.

«Reizvolle und wohnliche Siedlungsentwicklung»

Während die eine Vorlage die Absichten des Komitees in der Verfassung festhält, definiert die andere Vorlage die exakte Umsetzung im Kantonsgesetz. Damit wäre der Kanton bei der Annahme durch das Volk gezwungen, bereits ein klar ausformuliertes Gesetz umzusetzen.

Die beiden Vorlagen fordern einen konsequenten Schutz des Kulturlandes und insbesondere der Fruchtfolgeflächen. Ausserdem soll eine Vielfalt von naturnahen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere erhalten und gefördert werden. Doch auch die Ortsbilder spielen eine wichtige Rolle. So soll in Zukunft eine Heimatschutzkommission dafür sorgen, dass eine reizvolle und wohnliche Siedlungsentwicklung gewahrt bleibt, die sich in das Landschaftsbild einordnet.

Luzerner Gemeinden «überfordert»

Die Initianten erachten die bestehenden Bestimmungen aus dem im Jahr 2013 angenommenen eidgenössischen Raumplanungsgesetz als völlig unzureichend. «Die Luzerner Gemeinden sind oft überfordert mit der Umsetzung und die Spielregeln sind viel zu lasch», betont Sonderegger. Es brauche deshalb griffige Bestimmungen und eine überkommunale Instanz, die über die Umsetzung wacht. Nicht nur im Kanton Luzern, auch auf nationaler Ebene würde es zu viele Ausnahmen geben.

Und die Situation verschärfe sich noch: «Der Bund möchte den Heimat- und Kulturlandschaftschutz mit weiteren Lockerungen weiter verwässern.» Hierzu läuft gerade eine Vernehmlassung: «Als wir den Vorschlag aus dem Departement von Leuthard hörten, waren wir bestürzt», sagt Sonderegger (zentralplus berichtete).

Marcel Sonderegger, Präsident des Initiativkomitees.

Marcel Sonderegger, Präsident des Initiativkomitees.

(Bild: giw)

Betreiben Initianten Folklore?

Doch wie können schwammige Begriffe wie reizvoll und wohnlich überhaupt bei Bauvorhaben beurteilt werden? «Tatsächlich ist das schwierig», pflichtet der Biologe Andreas Meier aus Nottwil bei. Er erinnert aber daran, dass gerade deshalb eine unabhängige Kommission dies beurteilt. Das ist keine neue Institution, sie war bereits vorhanden, wurde vom Kanton jedoch zwischenzeitig abgeschafft. «Ortsbilder und Landschaften zu bewahren ist wichtig, weil sie Identität stiften», sagt Meier, der als Geschäftsführer des Komitees fungiert.

Wird die Bevölkerung nicht mit Folklore geködert? «Überhaupt nicht», betont Meier. Im Gegenteil, der Erhalt der Böden sei entscheidend. Insbesondere wertvolle Fruchtflächen verschwänden zusehends – das schade der Biodiversität. Zu stark würden in diesem Bereich die «wirtschaftsgläubigen Parteien» die übrig gebliebenen Flächen für kurzfristiges wirtschaftliches Wachstum opfern.

Diese Fläche wird im Kanton pro Viertelstunde überbaut.

Diese Fläche wird im Kanton pro Viertelstunde überbaut.

(Bild: giw)

Die Initianten sind zuversichtlich, dass ihr Vorhaben auf Zustimmung stösst in der Bevölkerung. In anderen Kantonen wie Bern oder Thurgau seien entsprechende Vorlagen vom Volk jüngst angenommen worden. Während der Sammelphase hätten drei Viertel aller Angesprochenen unterschrieben, sagt Initiant und Agronom Franz-Xaver Kaufmann. Nun liegt der Ball bei der Politik: Kantons- und Regierungsrat müssen sich mit den beiden Vorlagen auseinandersetzen. 

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