Luzerner Politiker veröffentlicht Buch

Daniel Piazza: «Die Parteien sind arme Schlucker»

Der Mitte-Kantonsrat Daniel Piazza hat die Politikfinanzierung unter die Lupe genommen. (Bild: Conrad von Schubert)

Wer finanziert die Schweizer Politik? Dieser Frage ist der Luzerner Mitte-Kantonsrat Daniel Piazza nachgegangen. Entstanden ist ein umfangreiches Buch über Politikfinanzierung, das den linken Forderungen nach mehr Transparenz ein bürgerliches Konzept entgegenstellt.

Wie kommt eine Partei zu Geld? Wie ist diese politische Kandidatur oder jene Kampagne finanziert? Das bleibt für die Wähler oft ein gutgehütetes Geheimnis. Von Milizpolitikerinnen und Aktivisten erfordert das Fundraising hingegen grosses Engagement. Von dieser Seite her kennt auch Daniel Piazza das Thema. Der Mitte-Kantonsrat und Kommunikationsberater ist mit der Politikfinanzierung aus der Praxis vertraut.

Gleich ein 280 Seiten starkes Buch darüber zu schreiben, war ursprünglich nicht sein Plan. Doch als er sich mit Co-Autor Peter Buomberger näher mit dem Thema zu beschäftigen begann, tauchten die beiden immer stärker in die Materie ein. Herausgekommen ist eine umfassende Studie zur Politikfinanzierung in der Schweiz.

Das diesen Montag veröffentlichte Buch schafft eine Übersicht über die politischen Geldströme, liefert konkrete Vorschläge zur Verbesserung des heutigen Systems und bietet praktische Fundraising-Tipps. Im Gespräch erzählt der Luzerner Daniel Piazza, was ihn bei der Arbeit überrascht hat wieso Transparenz nicht alles ist.

zentralplus: Herr Piazza, wer finanziert die Schweizer Politik?

Daniel Piazza: 9 von 10 Franken, die an Politakteure oder Kampagnen gespendet werden, stammen von Privatpersonen oder Unternehmen. Nur gerade acht Prozent stammen vom Staat, in Form von Fraktionsbeiträgen.

zentralplus: Von wie viel Geld reden wir?

Piazza: Im Wahljahr 2019 flossen auf nationaler Ebene zwischen 98 und 101 Millionen Franken an Politakteure und Kampagnen. 2020, wo keine nationalen Wahlen stattfanden, waren es 60 bis 63 Millionen Franken. Überrascht hat uns, wie gross der Anteil von Privatpersonen ist, es sind fast 70 Prozent.

zentralplus: Es ist also ein Mythos, dass die Wirtschaft in der Schweizer Politik die Fäden?

Piazza: Ja, das zeigt sich sowohl im Wahljahr 2019 als auch 2020. Nicht die Unternehmen, sondern die Bürgerinnen und Bürger bilden das eigentliche Rückgrat der Schweizer Politikfinanzierung. Die Unternehmen finanzieren «nur» rund einen Fünftel der Budgets aller Politakteure.

«Die Parteien von links bis rechts sind die armen Schlucker im Umzug.»

zentralplus: Die Politikfinanzierung gilt als Blackbox. Wie sind Sie an die Zahlen herangekommen?

Piazza: Das ist so, über Geld zu reden hat in der Schweiz keine Tradition, die Privatsphäre hat eine hohe Bedeutung. Unsere Arbeit war wie ein grosses Puzzle und der Weg zum Big Picture lang. Wir haben alle verfügbaren Quellen – etwa Medienberichte, Studien, Befragungen und die Budgets jener Politakteure, welche ihre Zahlen teilweise oder ganz offenlegen – zusammengetragen und ausgewertet. Diese Zahlen haben wir mit Insidern verschiedener Politakteure plausibilisiert und verfiziert. So haben wir versucht, uns den Werten anzunähern.

zentralplus: Welche Partei ist denn am reichsten?

Piazza: Interessant ist, dass die Budgets der Bundesratsparteien gar nicht so weit auseinanderliegen, wie manche vielleicht annehmen. Die Bundesratsparteien hatten im Wahljahr 2019 Budgets in der Grössenordnung zwischen 1,5 und 3,5 Millionen Franken. Überrascht hat uns vielmehr, dass die NGOs – und dazu zählen wir auch die Wirtschaftsverbände – deutlich mehr Finanzkraft besitzen.

zentralplus: Wie zum Beispiel die Gewerkschaft Unia, die über 800 Millionen Franken Vermögen aufweist, wie kürzlich bekannt wurde.

Piazza: Das ist in dieser Dimension sicher eine Ausnahmeerscheinung. Aber grundsätzlich lässt sich schon sagen: Die Parteien sind, von links bis rechts, die armen Schlucker im Umzug. Und das wird nicht besser.

zentralplus: Inwiefern?

Piazza: Ob Kompass Europa oder Operation Libero: Es wetteifern immer mehr Bewegungen um Aufmerksamkeit und Geld. Der Fundraising-Markt im Politumfeld wird umkämpfter und kompetitiver. Deshalb ist es aus unserer Sicht wichtig, dass NGOs denselben Transparenzregeln unterstehen wie die klassischen Parteien. Ansonsten schaffen wir ungleich lange Spiesse – Verlierer sind die Parteien.

zentralplus: Sie sprechen die Transparenz in der Politikfinanzierung an. Ihr Buch zeigt, dass diese Debatte in der Schweiz in den letzten rund 20 Jahren stark von links-grünen Politakteuren geprägt wurde. Bürgerliche wie Sie haben sich bisher kaum so ausführlich dazu geäussert.

Piazza: Das ist so, vor allem die SP hat die Debatte in den letzten Jahren vorangetrieben. Grundsätzlich ist gegen Transparenz sicher nichts einzuwenden.

zentralplus: Trotzdem sind Sie nicht glücklich mit den neuen Transparenzregeln, die ab 2023 eingeführt werden sollen. Wieso nicht?

Piazza: Ich mache ein Beispiel: Nicht jeder Luzerner Unternehmer will, dass die Öffentlichkeit weiss, welche Partei er unterstützt. Unsere Befürchtung ist, genährt von Erzählungen und Erlebnissen, dass die neuen Regeln manch grosszügige Spender abschrecken werden. Verlierer der neuen Transparenzregeln sind jene, die auf einmalige oder mehrmalige hohe Spenden angewiesen sind, das sind gemäss unseren Recherchen deutlich häufiger bürgerliche Politakteure.

«Wenn wir riskieren, dass Spenden zurückgehen, ohne dass die Bevölkerung einen Nutzen davon hat, wäre das nicht gut.»

zentralplus: Aber wer nichts zu verstecken hat, hat doch nichts zu befürchten.

Piazza: Das hört man oft. Doch wen Sie wählen oder ob Sie bei einer Abstimmung Ja stimmen, müssen Sie nicht offenlegen. Bis zu einem gewissen Grad gibt es auch für Spender ein Recht auf Privatsphäre, die für unsere Demokratie wichtig ist. Transparenz ist gut, aber sie muss Mehrwert schaffen. Wenn wir riskieren, dass Spenden zurückgehen, ohne dass die Bevölkerung einen Nutzen davon hat, wäre das nicht gut. Letztlich ist das ein politisches Abwägen, eine Gratwanderung, die aber wohlüberlegt auszugestalten ist.

Daniel Piazza Kantonsrat Mitte Luzern
Zu viele Informationen können vom Relevanten ablenken, sagt Daniel Piazza. (Bild: Conrad von Schubert) (Bild: Conrad von Schubert)

zentralplus: Spricht da der Parteipolitiker aus Ihnen, der selber davon betroffen wäre.

Piazza: (zögert) Natürlich kann ich nicht strikt zwischen mir als Privatperson und mir als Politiker trennen. Aber das ist nicht mein Beweggrund. Peter Buomberger und ich sind überzeugt von der privaten Politikfinanzierung und wollen dieses Modell so weiterentwickeln, dass es auch in Zukunft weiterbestehen kann. Nebst den gleichen Spiessen bei den Transparenzregeln braucht es auch eine Gleichbehandlung aller Politakteure bei den steuerlichen Abzugsmöglichkeiten. Und drittens müssen wir in Zukunft wegkommen von reinen und fixen Franken-Grenzen.

zentralplus: Sie nennen das «funktionale Transparenz». Können Sie ein Beispiel dafür machen?

Piazza: Ab 2023 gilt: Spenden von über 15'000 Franken müssen offengelegt werden – egal, welche Rolle dieser Beitrag im Gesamten spielt. Aber ein Akteur mit einem Budget von 5 Millionen Franken wird von dieser Spende kaum beeinflusst. Bei einem Budget von 50'000 Franken sind die 15'000 Franken hingegen sehr relevant. Wir schlagen darum vor: Spenden sollen ab einem gewissen Prozentsatz des Budgets transparent gemacht werden. Eine solche Offenlegung ist für mich als Bürger interessant. Ich sehe, welche finanziellen Abhängigkeiten bestehen, das ist relevant.

zentralplus: Das würde aber heissen, dass zum Beispiel ein SVP-Kandidat gewisse Spenden nicht offenlegen müsste, die ein Kandidat der Jungen Grünen ausweisen müsste?

Piazza: Ja, das wäre die Konsequenz. Aber zu Recht. Denn ich muss als Wähler doch nur wissen, was relevant ist, nämlich: Ist dieser Politiker abhängig von einem Spender? Wer finanziert ihn hauptsächlich? Versucht jemand über finanzielle Mittel versteckt Einfluss zu nehmen? Woher jeder einzelne Franken stammt, ist für den Wähler nicht relevant. Zuviel Informationen können vom Relevanten ablenken, das muss auch bedacht werden.

«Ohne Geld geht es in der Politik nicht. Aber es ist nicht das einzige Kriterium.»

zentralplus: Für mehr Transparenz sorgen könnte eine stärkere staatliche Finanzierung der Parteien. Das zeigen andere Länder.

Piazza: Es stimmt, dass die Transparenz in Ländern mit vorwiegend staatlicher Parteienfinanzierung ausgeprägter ist als bei Ländern mit vorwiegend privater Finanzierung wie der Schweiz. Doch Untersuchungen zeigen, dass die staatliche Finanzierung die Demokratiekosten stark ansteigen lässt und mit bürokratischem Aufwand verbunden ist. Wenn es nicht mehr überwiegend Private sind, die mit ihren Spenden die Kräfteverhältnisse der Politakteure in der Hand haben, sondern staatliche Verteilschlüssel, dann ist das für eine bürgernahe Politik kaum förderlich. Wir möchten deshalb eine Lanze brechen für unser bisheriges bewährtes Schweizer Modell der privaten Politikfinanzierung. So kann jeder Bürger selber entscheiden, ob und wo er sein Geld investiert. Das ist – nebst abstimmen und wählen – ein wichtiges Instrument, um die Kräfte zu stärken, welche die eigenen Werte in der Politik vertreten.

zentralplus: Abschliessend: Entscheidet Geld die Politik in der Schweiz?

Piazza: (überlegt) Bei der Ersatzwahl für den Ständerat im Kanton Freiburg wurden 2021 die Budgets offengelegt: Sie betrugen bei der einen Kandidatin 135'000 Franken, beim anderen Kandidaten 148'500 Franken. Gewählt wurde die Person mit dem tieferen Budget. Das Beispiel veranschaulicht gut: Ohne Geld geht es in der Politik nicht, und es ist wichtig, dass die Politakteure ihr Engagement finanzieren können. Aber es ist nicht das einzige Kriterium. Käufliche Politik ist meines Erachtens ein Mythos.

Das Buch zur Politikfinanzierung

«Wer finanziert die Schweizer Politik? – Auf dem Weg zu mehr Transparenz und Demokratie»: So lautet der Titel des neuen Buches von Peter Buomberger und Daniel Piazza. Das 280-seitige Werk ist im NZZ Libro Verlag erschienen und im Handel für 34 Franken erhältlich.

Daniel Piazza (*1978) hat in St. Gallen Banking and Finance studiert und im Bereich Public Management promoviert. Er ist Partner bei Dynamics Group und Berater für politische Kommunikation und Fundraising. Er war Geschäftsführer und Finanzchef der CVP Schweiz (heute: Die Mitte) sowie Head Corporate Communications & Public Affairs bei CKW. Seit 2015 ist er Mitglied des Luzerner Kantonsrats und Vizefraktionspräsident der Mitte.

Peter Buomberger (*1950) hat Wirtschaftswissenschaften studiert und war in leitenden Stellungen als Ökonom und Public-Affairs-Verantwortlicher im Finanzsektor tätig. Der frühere Chefökonom der UBS war unter anderem für den liberalen Thinktank Avenir Suisse tätig und arbeitet heute als frei schaffender Wirtschafts- und Finanzberater.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Buchautor Daniel Piazza
  • Buch «Wer finanziert die Schweizer Politik»
  • Frühere Medienberichte
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3 Kommentare
  • Profilfoto von markovian
    markovian, 21.02.2022, 16:09 Uhr

    Schon süss, wie «bürgerliche» Parteien die Privatssphäre der Bevölkerung an amerikanische Werbeagenturen verhökern und die eigene Bevölkerung mit Vorratsdatenspeicherung gängeln. Wenn es aber um sie selber geht, ist diese «Privatsphäre» sofort heilig.

    Dabei sollte es so sein: Nur Privatpersonen haben eine Privatssphäre, alle anderen (Staaten, NGOs, Parteien, Unternehmen, …) haben KEINE Privatsphäre.

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    • Profilfoto von Sandra Klein
      Sandra Klein, 21.02.2022, 17:07 Uhr

      Wenig durchdacht Ihre Forderung. Warum soll ein Familienunternehmen oder eine Einzelfirma keine Privatsphäre haben? Wenn schon dann börsenkotierte Unternehmen.

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  • Profilfoto von Wilhälm Täll
    Wilhälm Täll, 21.02.2022, 07:34 Uhr

    Ein typischer Politiker, wie er im Buche steht! Transparenz fordern, bis es ihn selber betrifft, dann vielleicht doch lieber etwas weniger davon. Fakt ist, Parteipolitik ist der grösste Unsinn der Neuzeit.

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