Frühe Förderung hat einen Haken

Talentscouts an Luzerner Schulen sorgen für Kritik

Ziel des neuen Campus ist es, mehr Jugendliche für sogenannte MINT-Fächer zu begeistern. (Bild: Philipp Schmidli)

In einem neuen Campus in Luzern werden junge Talente im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gefördert. Was den Fachkräftemangel beheben soll, bringt auch Probleme mit sich.

In immer mehr Klassenzimmern suchen schulexterne Scouts Schülerinnen mit einem Händchen für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) (zentralplus berichtete). Die Mädchenförderung kommt nicht von ungefähr. Der Branchenverband ICT-Berufsbildung Schweiz prognostiziert in diesem Bereich bis ins Jahr 2028 einen Mangel an 35’800 Fachkräften. Die mit der Corona-Pandemie verbundene Digitalisierung verschärft das Problem zusätzlich.

Die Branche hat ihre eigenen Ideen, um den Fachkräftemangel zu beheben. Sie schicken Talentscouts an Luzerner Schulen. Fachleute veranstalten auf Einladung in Schulklassen Programmier-Workshops. Dabei entdecken sie Siebtklässlerinnen und -klässler, die analytisch denken und handeln können und das auch gerne tun. Diese werden dann an einen sogenannten ICT Campus eingeladen, wo sie samstags gratis unter fachkundiger Anleitung gefördert werden. Gegen Ende ihrer obligatorischen Schulzeit lernen sie Firmen kennen, in denen sie eine Lehre machen könnten.

Wirtschaftsinteresse drängen ins Bildungssystem

Was auf den ersten Blick gut klingt, hält Isabelle Zuppiger, ehemalige Leiterin der Berufs-, Studien und Laufbahnberatung Luzern, für problematisch. Gemäss der Fachzeitschrift «Bildung Schweiz» stört sich daran, dass Jugendliche gleich zu Beginn in ihrer Berufsorientierung beeinflusst werden.

Sie wehrt sich gemäss dem Bericht aus grundsätzlichen Überlegungen gegen die Vereinnahmung der Schule und insbesondere Talentscouts an Luzerner Schulen. Diese müsse in erster Linie Kindern und Jugendlichen den Schulstoff vermitteln und sie dabei unterstützen, ihre Persönlichkeit zu entfalten. «Der Lehrstellenmarkt ist ökonomisch getrieben.»

Für Zuppiger ist es deshalb wichtig, dass der Berufswahlprozess nicht zu früh durch die Interessen der Wirtschaft dominiert wird. «Würden weitere notleidende Branchen ein ähnliches Talent-Scouting aufziehen, käme die Schule schnell an ihre Grenzen», mahnt sie.

Das private Projekt «ICT Scouts/Campus» gibt es in zwölf Kantonen, der neuste wurde im Mai 2021 im Kanton Luzern eröffnet. Gemäss dem Fachmagazin beurteilen die Bildungsdirektionen das Projekt durchwegs positiv.

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