100 Tage Zwischennutzung

Neubad lässt Kritiker verstummen

Die Zwischennutzung im alten Biregg-Hallenbad hat die gröbsten finanziellen Schwierigkeiten überstanden. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Am 1. September 2013 öffnete das Neubad seine Türen und zieht nach 100 Tagen ein erstes Fazit. Dabei ist vom ehemaligen Hallenbad an der Bireggstrasse nur Positives zu hören: Der Start der Zwischennutzung sei erfolgreich verlaufen und das Projekt habe sich im Quartier bereits bestens verankert. Damit kann das Neubad als Pionierleistung in Sachen Zwischennutzung in die Luzerner Geschichte eingehen.

Hohe Bauauflagen, hohe Betriebskosten, fehlende Finanzierung. Nachdem der Verein Neubad im Januar 2013 den Vertrag zur Zwischennutzung des «Hallenbad Biregg» unterschrieben hatte, häuften sich die Negativschlagzeilen. Allen Unkenrufen zum Trotz öffnete das Neubad vor drei Monaten seine Türen und lässt nun die Kritiker weitgehend verstummen: «Das erste Fazit ist extrem positiv,» lässt Aurel Jörg, Co-Präsident des Netzwerk Neubad wissen, «das Neubad ist gut angelaufen, das Restaurant läuft gut, und die Ateliers sind alle restlos vermietet.»

Einziger Wermutstropfen seien die Coworking-Arbeitsplätze, die nicht ausgelastet sind (siehe Box). Jörg hält fest, «dass diese Arbeitsform in Luzern noch nicht sehr bekannt und wenig verbreitet ist. Viele können dieses Modell noch nicht nachvollziehen». Dabei zeigt sich das Netzwerk Neubad auch selbstkritisch, Jörg fügt an, «dass wir die Coworking-Arbeitsplätze künftig sicher auch stärker bewerben müssen.»

Das Neubad ist im Quartier angekommen

Erfreulich ist, dass sich das Neubad auf der Grenze der Quartiere Hirschmatt-Neustadt und Obergrund bisher gut in die Nachbarschaft integrieren konnte. Mittags werden im Bistro preisgünstige Menüs serviert und abends wird das Neubad gerne dazu benutzt, ein Feierabendbier zu trinken. Dabei wird das Bistro bei weitem nicht nur von Hausnutzern besucht: «Gäste und Nutzer des Hauses sind zu unserer Freude sehr durchmischt, bereits sind darunter ein paar Stammgäste auszumachen», sagt Jörg. Nebst dem Bistro wird auch das ehemalige Schwimmbecken rege benutzt: «Betriebsjubiläen, Ausstellungen, Parteiversammlungen, Fachpodien, Hausführungen und Präsentationen – all das und mehr hat in den vergangenen Wochen bereits hier stattgefunden,» erklärt Jörg.

Was ist «Coworking»?

Der Begriff «Coworking» kommt aus dem Englischen und meint «zusammen arbeiten». Einer der Luzerner Pioniere in Sachen Coworking ist Luc Fischer, Inhaber der Webagentur «netnode» sowie Betreiber vom «Coworking-Space Neuweg». Für ihn sind zwei Bausteine bei der Begriffserklärung Coworking zentral: «Erstens handelt es sich um Arbeitsplätze in einem grossen Büro, die gemietet werden können und zweitens ist es ein Ort der Begegnung, wo sich Personen aus der Kreativwirtschaft treffen und so ihr Netzwerk erweitern können.»

Luc Fischer erklärt, dass Coworking-Plätze vier wesentliche Merkmale aufweisen: «Ein Coworking-Space hat zum einen fixe Arbeitsplätze in einem eher ruhigeren Bereich. Diese werden über einen längeren Zeitraum gemietet und bieten die Möglichkeit, seinen Computer fix zu installieren und zum Beispiel Unterlagen und Ordner zu verstauen. Ergänzt werden die fixen Arbeitsplätze durch die temporären. Sie werden tageweise vermietet und sind eigentlich jeden Abend wieder aufgeräumt, damit am nächsten Tag eine andere Person an diesem Platz arbeiten kann.»

Nebst den fixen und temporären Arbeitsplätzen, sind aber auch ein Bereich für Events und mehrere Sitzungszimmer typisch für Coworking-Büros: «Der Event-Bereich ist sehr zentral. Da können ohne zusätzlichen Aufwand wie Raummiete Veranstaltungen oder Treffen durchgeführt werden. Durch die Teilnehmer dieser Events wird dann wiederum das Netzwerk der Coworker erweitert.» Als viertes Element fügt Fischer Sitzungszimmer an, in welchem Kunden empfangen werden können oder die auch mal als ruhiger Rückzugsort dienen.

Wann in Luzern die ersten Coworking-Spaces entstanden sind, kann Fischer so nicht beantworten: «Es ist eigentlich nichts anders als eine Ateliergemeinschaft. Doch während bei dieser die Kostenteilung im Vordergrund steht, ist bei einer Coworking-Gemeinschaft das Aufbauen eines Netzwerkes das Hauptinteresse.»

   

Nur einmal gab es bisher, während der Eröffnungswoche, wegen einer Veranstaltung und dem entstandenen Lärm eine Reklamation. Im Zwischennutzungsvertrag ist festgehalten, dass das ehemalige Hallenbad nicht für laute, musikalische Veranstaltungen genutzt werden darf. «Ein Lokal für Parties war nie unser Ziel», erklärt Jörg, «klar möchten wir künftig noch mehr Veranstaltungen durchführen.» Bei der Lärmklage war dann auch nicht laute Musik ausschlaggebend: «Die Scheiben halten überraschenderweise dicht. Das Problem sind die Personen, die sich draussen aufhalten oder nach Hause gehen», fügt Jörg an.

Markus Schulthess, Co-Präsident des Quartiervereins Hirschmatt-Neustadt, sagt, dass es bisher zu keinen Problemem gekommen sei: «Uns war es von Anfang an wichtig, dass es kein Konzertlokal gibt. So viel ich weiss, wurde das bis jetzt eingehalten.»

Auf Nachfrage von zentral+ scheint sich das Neubad bei allen umliegenden Quartiervereinen gut integriert zu haben. Alle angefragten Quartiervereine (Sternmatt, Tribschen-Langensand, Obergrund und Hirschmatt-Neustadt) haben nichts Negatives zu berichten. Im Gegenteil: Bernhard Müller, Präsident des Quartiervereins Obergrund stellt den Betreibern ein gutes Zeugnis aus: «Zum Teil informiert das Neubad sogar besser als die Stadt. Die Stadt informiert regelmässig, oft erfahren wir Quartiervereine aber Neuigkeiten erst durch die Presse. Das hat in der Vergangenheit zu Unstimmigkeiten geführt. Da liegt sicher noch Verbesserungspotential drin. Das Neubad geht dabei sehr sensibel vor und ist sich sehr wahrscheinlich bewusst, dass es sich keine Reklamationen erlauben darf.» Auch beim direkt betroffenen Quartierverein Hirschmatt-Neustadt erhält das Projekt gute Rückmeldungen, wie Markus Schulthess ausführt: «Wir finden das Neubad grundsätzlich eine gute Idee und unterstützen das Projekt. Wir hoffen, sie schaffen es, das Projekt und auch die schwierige Finanzierung zu stemmen.»

Drittmittel fehlen noch immer

Die Benutzer betonen, dass sich der bisherige Geschäftsgang sowie der im Sommer durchgeführte Umbau wie erwartet im Budgetrahmen halten. Die Zwischennutzung sei aber kein Selbstläufer, da noch nicht alle Bauarbeiten abgeschlossen seien. Ab 2014 ist das Projekt zudem auf Drittmittel angewiesen: «Wir arbeiten seit Monaten intensiv daran, die fehlenden Mittel einzutreiben», erklärt Jörg: «Ein Betrag von rund 80’000 Franken ist nötig, um beispielsweise die Verdunklungsvorrichtungen für die Halle zu bezahlen und unser Angebot weiterhin so kostengünstig anzubieten. Ziel ist es, diesen Betrag mit Stiftungen, Unternehmen und privaten Sponsoren bereitzustellen.»

Klar ist, dass sich die öffentliche Hand nicht am Neubad beteiligen wird und die Betreiber versuchen gar nicht erst, diesen Entscheid umzustossen: «Das Netzwerk Neubad hat akzeptiert, dass diesbezüglich die Würfel gefallen sind, wir kein Geld bekommen. Wir hoffen auf die lange Sicht, dass wir durch unsere Arbeit und die Ausstrahlung unseres Hauses gewisse Leute umstimmen können.»

Vielleicht hilft nun auch, dass das Neubad eröffnet ist und sich vom lesbaren Konzept zum erlebbaren Haus gewandelt hat. Dies dürfte die angestrebte Zusammenarbeit mit Stiftungen, Unternehmen und privaten Sponsoren erheblich erleichtern.

«Wir wollen noch öffentlicher werden»

Nach 100 Tagen sind laut Aurel Jörg bereits erste Kinderkrankheiten entdeckt und angegangen worden: «Wir haben während dem Betrieb gemerkt, wo wir noch Verbesserungen anbringen und Schwerpunkte setzen können.» So wolle man im Cateringbereich die Stellenprozente weiter ausbauen, da eine grosse Nachfrage bestehe. Dabei scheut sich der Vorstand vom Netzwerk Neubad auch nicht vor weiteren Veränderungen: «Unsere Vision ist fliessend, sie ist nicht in Stein gemeisselt. Aber wir machen plus-minus so weiter, wie wir begonnen haben», führt Jörg aus.

Nebst der Bereitstellung der notwendigen Drittmittel sieht Jörg in Zukunft vor allem zwei Ziele als zentral: «Das Neubad will noch öffentlicher werden und seine Veranstaltungen in den Köpfen der Menschen verankern.» Zudem strebt der Verein eine grössere Breitenwirkung an: «Damit man uns aus der Kultur und Kreativwirtschaft nicht mehr wegdenken kann.» Ein nicht angestrebtes aber für zukünftige Zwischennutzungen übergeordnetes Ziel scheint das Neubad bereits erreicht zu haben, betont Jörg: «Das Projekt hat sicherlich dazu beigetragen, dass sich die Wahrnehmung von kulturellen Zwischennutzungen zum Positiven verändert hat.»

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