Wer von Steuerstrategie profitiert, soll spenden

Luzerner Kulturförderung: Jetzt springen die Reichen in die Bresche

Bruno Affentranger scheiterte daran, den Luzerner Anzeiger und das dazugehörige Unternehmen zu retten.

(Bild: gwi)

Ein neuer Verein will die Ausfälle bei der kantonalen Kulturförderung kompensieren – mit dem Geld von reichen Luzernern. Die Idee: Wer von der Steuerstrategie profitiert, soll freiwillig etwas zurückgeben. Die IG Kultur ist mit im Boot – hat aber Angst, falsche Signale in Richtung Politik zu senden.

Die Empörung in der Kulturlandschaft Luzerns ist gross: Der Kanton streicht rund 40 Prozent der Fördergelder. Der freien Szene fehlen auf einen Schlag für dieses Jahr 800’000 Franken, was gewisse Kunstschaffende existenziell bedroht (zentralplus berichtete). Auch für nächstes Jahr sieht es nicht gut aus, auch da soll der gleiche Betrag gekürzt werden.

Nun kommt überraschende Unterstützung: Das Magazin «Stadtsicht» verkündet unter dem Titel «Jetzt ist genug!» die Gründung des «Vereins zur Förderung der freien Kulturszene Luzern» (FFK). Dieser startet am 1. Januar. Erklärtes Ziel: Mindestens die Hälfte der Ausfälle mit privaten Geldern aufzufangen. Treibende Kraft des Vereins ist die «Stadtsicht»-Verlegerin BA Media, hinter der die beiden Verleger Bruno Affentranger und Angel Gonzalo stehen.

Kürzungen «enorm falsch»

Den Grund für ihr Engagement fasst Affentranger so zusammen: «Der Entscheid für die Kürzungen im Kulturbereich hat bei uns grosse Empörung ausgelöst. Wir halten es für enorm falsch, in einem Bereich zu sparen, wo eine Refinanzierung kaum möglich ist.»

Kulturförderung sei existenziell für die Kunstschaffenden: «Da gibt es die freie Theaterszene, die Probleme bekommt. Aber auch andere Kunstformen kommen unter die Räder: Gewisse würden zwei Jahre mit reduzierten Subventionen schlicht nicht überstehen», so der Luzerner.

Zahlen sollen die Gutbetuchten

Affentranger ist in Luzern bestens vernetzt – in allen Gesellschaftsschichten. So wird sein Magazin «Stadtsicht» vom Wirtschaftsverband Stadt Luzern und von der Cityvereinigung Luzern – beides bürgerlich geprägte Organisationen, die grundsätzlich hinter der Steuerstrategie des Kantons stehen – unterstützt. Netzwerke also, durch die man unter anderem Wohlhabende und das Gewerbe erreichen kann.

«Spricht man gutverdienende Personen direkt an, so kommt man schneller auf grössere Beträge.»

Bruno Affentranger, Verleger «Stadtsicht»

Affentranger macht in seinem Artikel im «Stadtsicht» keinen Hehl daraus, dass er mit der Aktion reiche Luzerner oder grössere Unternehmen anspricht – im Gegenteil. Er schreibt: «Wenn [der Staat] nicht zahlen kann oder will, dann springen wir für eine gewisse Zeit ein. Wir, das sind Menschen und Firmen, die von der kantonalen Steuerstrategie profitieren.»

Bereits 110’000 Franken zugesichert

Man kann argumentieren, bei höhren Steuern wären solche Massnahmen gar nicht erst nötig. Jetzt sollen Reiche, die erst von der Steuerstrategie profitieren, wieder Geld herausrücken. Ist das nicht eine verkehrte Strategie?

Affentranger sagt, er sehe das pragmatisch: «Spricht man gutverdienende Personen direkt an, kommt man schneller auf grössere Beträge.» Und Affentrangers Taktik geht auf: Bereits wurden dem Verein 110’000 Franken zugesichert. «Dass wir mit 20 oder 30 Spendern auf so einen Betrag kommen, dafür braucht es finanzstarke Donatoren.»

«Wir wollen keine Kunst-Mäzene.»

Bruno Affentranger, Verleger «Stadtsicht»

Affentranger erinnert die Gewinner der Steuerstrategie in seinem «Stadtsicht»-Artikel auch daran, wie viel Geld sie sparen: 3’000 bis 4’000 Franken kommen auf eine 100’000-Franken-Steuerrechnung. «Dieses Rechenbeispiel ist bewusst gewählt, es soll den Einstieg für wohlhabende Leute in den Verein erleichtern», sagt er.

Keine Kunst-Mäzene erwünscht

Der Verein arbeitet mit der Kantonalen Kulturförderung und der IG Kultur zusammen. «Durch die Anknüpfung an bestehende Institutionen können wir sicherstellen, dass kein Franken der Spenden für unnötigen Verwaltungsaufwand verwendet wird.» Es soll kein Parallel-Gefäss entstehen – das gespendete Geld geht an die gleichen Stellen, an welche die Kantonsbeiträge geflossen wären.

Für Affentranger ist aber klar: Der Kanton muss sehr bald die Aufgabe der Kulturförderung wieder selber übernehmen – ein privater Ersatz sei auf Dauer keine Lösung. «Es gibt ein Kulturförderungsgesetz, dem der Kanton unserer Meinung nach momentan nicht nachkommt», sagt der Verleger. Dieses Gesetz sei wichtig und müsse bestehen bleiben. «Wir wollen keine Kunst-Mäzene, das wäre ja furchtbar.» 

Durch die Abgabe der Gelder an die bestehenden Institutionen werde dies verhindert: Die Spender haben keinen Einfluss auf die Inhalte von Kunst.

Verein ist zeitlich limitiert

Nur: Da Regierungsrat Reto Wyss ankündigte, dass die Beiträge für mindestens zwei Jahre auf tiefem Niveau verbleiben, müsse eine Übergangslösung geschaffen werden. «Die Kürzungen richten irreparablen Schaden an – das gilt es unbedingt zu verhindern», so Affentranger.

«Es könnte das Gefühl aufkommen, dass die öffentliche Hand sich gänzlich von der Kulturförderung verabschieden kann.»

Urs Bugmann, Präsident IG Kultur

Der Verein ist zeitlich auf fünf Jahre limitiert. «Ich hoffe aber, dass es uns nur für die nächsten zwei Jahre braucht», wirft Affentranger ein und betont: «Wir wollen keine Privatisierung der Kulturförderung.» Eine solche Forderung sei politisch konnotiert und gehe in die falsche Richtung.

IG Kultur: «Angst vor falschen Signalen»

Im Verein vertreten wird auch die IG Kultur, der Dachverband der Kultur-Organisationen, sein. Urs Bugmann, Präsident IG Kultur, sagt: «Grundsätzlich ist es positiv, wenn Kultur gefördert und unterstützt wird.» Es sei begrüssenswert, wenn die Aufgabe und Wichtigkeit der Kultur anerkannt und dafür Geld aufgewendet würde. Dass dabei die bestehenden Strukturen genutzt werden, sei eine gute Grundvoraussetzung, da dies Unabhängigkeit für die Kunstschaffenden möglich mache.

Urs Bugmann, Präsident IG Kultur, spricht an der Kundgebung gegen die Sparmassnahmen (Bild: pze).

Urs Bugmann, Präsident IG Kultur, spricht an der Kundgebung gegen die Sparmassnahmen.

(Bild: pze)

 

Aber Bugmann betont: «Es ist problematisch, wenn Private für eine staatliche Aufgabe in die Bresche springen müssen.» Es sei wichtig, dass der Verein zeitlich begrenzt und damit klar als Übergangslösung deklariert sei. «Wir haben Angst vor falschen Signalen an die Politik. Es könnte das Gefühl aufkommen, dass die öffentliche Hand sich gänzlich von der Kulturförderung verabschieden kann.» Der Kanton habe aber einen gesetzlichen Auftrag, den es zu erfüllen gelte.

Um den Kanton an seine Aufgabe zu erinnern, haben die Kulturschaffenden öffentlichkeitswirksame Proteste und eine Demonstration in Form einer Landsgemeinde organisiert (zentralplus berichtete). Die Aktionen werden nicht die letzten gewesen sein, verspricht Bugmann: «Wir werden weiter auf uns aufmerksam machen.»

Verein plant Crowdfunding

Die Demonstrationen der Kulturschaffenden unterstützt Affentranger. «Der Verein ist in keiner Weise ein Gegenstück zu den Kundgebungen. Die Sichtbarmachungen sind richtig und wichtig.» Die Kombination aus Demonstration und Überbrückungsfinanzierung finde er sinnvoll: «Es geht nur miteinander.» Deshalb habe neben der IG Kultur auch die kantonale Kulturförderung Einsitze im Vorstand des Vereins, sagt er.

Aktionstag und Landsgemeinde der Luzerner Kulturschaffenden am 08. September 2017

Aktionstag und Landsgemeinde der Luzerner Kulturschaffenden am 08. September 2017.

(Bild: Silvio Zeder)

Affentranger plant mit dem Verein FFK weiter und möchte breite Bevölkerungsschichten ansprechen: «Wir bereiten ein Crowdfunding vor, das ebenfalls Geld für die Kultur generieren soll.» Der Verein soll für Personen aller Einkommensschichten offenstehen: «Kunst ist niemandem vorbehalten und soll jedem offenstehen.»

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