Liebe bleibt seine Droge: Bryan Ferrys Party ist noch nicht vorbei
Bryan Ferry ist Sohn eines Bergarbeiters und war Lastwagenfahrer, bis ihm als Sänger der Durchbruch gelang. Nun trat der schicke Dandy und singende Romantiker im Luzerner KKL auf. Es war grosses Kino für die Ohren. Aber trotz zittriger Stimme: Würde Ferry seine Fans auch von den Sitzen reissen?
Neun Musiker in Schwarz, ein für KKL-Verhältnisse geradezu wuchtiges Bühnenbild, ein cooler verhaltener Start. Was war da zu erwarten von Bryan Ferry, diesem singenden Dressman? Evergreen-Programm oder eher Rückblick auf seine kakaphonischen Anfänge mit den ehemaligen Art-Rockern von Roxy Music?
Der Lebemann, der traditionelle englische Schneiderware liebt, aber auch den weissen Smoking rocktauglich gemacht hat, ist charmant. Er bewegt sich elegant und hat einen untrüglichen Sinn für eingängige Melodien. Schnell wird klar, weshalb er es locker-lässig von der Bergarbeiterbude in die Salons der Upperclass brachte: Er hat scheinbar grossen Spass, seine Fans langsam auf Touren zu bringen. Bryan Ferry sagte zwar mal, dass er lieber an Kunstausstellungen geht als an Konzerte.
«Ich werde alles tun, euch anzutörnen!»
Bryan Ferry, Bühnenarbeiter
Die Konkurrenz braucht er auch gar nicht zu studieren, denn die anderen aus seiner Generation können ihm kaum mehr das Wasser reichen: Bowie und Cohen sind leider tot, Phil Collins (68) wird am Dienstag im nur halbvollen Letzigrund auftreten; kein Wunder, heisst sein Slogan «Still not dead yet» – noch lange nicht tot! Da setzt Bühnenarbeiter Ferry (74) auf weitaus besseres Marketing mit Songs wie «I will do anything to turn you on», ich werde alles tun, euch anzutörnen!
Das war sein Ansinnen, vor allem den weiblichen Teil des Publikums zu bezirzen. «Slave to Love», sein Lied auf den Liebessklaven, durfte da ja nicht fehlen. Andere Sänger versuchen das zwar auch im Kampf gegen das Altern und für weiteren Applaus: Die Stones werden gerne auch als «Strolling Bones», als wandelnde Knochen, tituliert.
Viele Untote des Rocks touren immer noch, auch in Luzern, und dort am liebsten im feudalen und teuren KKL. Unlängst war Ex-Supertramp Rodger Hodgson (69) auf der Nouvel-Bühne zu Gast, nach Ferry kommt bald Eric Burdon (78), Animals-Legende, am 24. Juni ins KKL.
Easy Listening für Anspruchsvolle
Doch Bryan Ferry, Womanizer und Stilikone in einem, macht von all den grossen Senioren die beste Falle. Der Brite war in Luzern besser drauf als auch schon in den letzten Jahren. Der Gründe sind viele: Seine stimmige Band – herausragend die junge Saxerin Jorja Chalmers und der alte Gitarrist Chris Spedding – legte ihm den souligen Teppich für seine graziösen Bewegungen, ein schummriges Licht erinnerte oft an Rotlichtbezirke und der Meister steigerte sich zusehends. Easy Listening für Anspruchsvolle.
Bald schon wurde das Konzert zum Hit-Programm, kein Wunder bei so einer Karriere mit neun Roxy-Music-Alben und 16 Soloscheiben. Mit süffisantem Lächeln kokettierte er «Now the Party is over, I’m so tired» – doch von wegen. Ferrys Party ist noch lange nicht vorbei, und müde ist er auch nicht, wie er in seinem Hit «Avalon» seufzte.
«Wer auf die Bühne geht, sollte sich Mühe geben. Es ist immer Showtime!»
Motto des britischen Sängers Ferry
Ferry geniesst es, wenn er sagt: «Wer auf die Bühne geht, sollte sich Mühe geben. Es ist immer Showtime!» Sein stilvoller Pop mit einer Prise luxuriöser Dekadenzattitüde gipfelte in einem grossen Roxy-Music-Song, «Love is the Drug». Die Band konnte alles, nebst Glam-Rock und Frühpunk auch Disco. Und auch seine jetzigen Musiker sind versiert: Bei diesem Mitsingsong hielt es niemanden mehr in den bequemen KKL-Sitzen, denn dieses Lied ist Sex pur.
Und dazu kann Ferry dann in der Landedelmann-Pose auch mal die Hüften schwingen und mächtig fetzen. Seine Songs rocken genau so, wie es Männer mögen, die stolz sind auf ihre High-End-Stereoanlagen. Und das opulente Bühnenbild explodierte dazu förmlich.
Einsamkeit ist ein stark gefüllter Raum
Zuvor hatte er «Avalon» und «More than this» gesülzt, es war ein Schwelgen im Überdruss, «More than this – there is nothing». Da wollte man den Sänger am liebsten in den Arm nehmen, der einst an der Trennung von Jerry Hall litt, die dem Egozentriker 1977 für den jungenhaften Stones-Sänger Mick Jagger den Laufpass gab. Seelenpein liess ihn so schöne Zeilen erfinden wie «loneliness is a crowded room», Einsamkeit ist ein stark gefüllter Raum.
Aber er hat viele andere Frauen geliebt und liess sich am Donnerstag im KKL von noch mehr verehren. Eine Beseelte legte gar einen Strauss zu seinen Füssen. Denn Bryan Ferry hat ein simples Rezept: «Dance away the Heartache». Den Herzschmerz wegtanzen, das ist doch mal ein cooles Motto.
Und dann gab’s zum Schluss «Let’s stick together». Ja, lasst uns zusammenbleiben. Und gemeinsam zu diesem Soundtrack alt werden. Möge Bryan Ferry noch lange immer wieder antanzen.
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