Die freie Luzerner Theatergruppe «Zellstoff» brachte am Donnerstagabend die Premiere von «Die Einsamkeit des Kranführers» auf die Südpolbühne. 65 Minuten Theater, in welchen vor allem Patric Gehrig überzeugt.
Es hat einige Momente, die berühren bei der «Einsamkeit des Kranführers» im Südpol – solche im Text von Dominik Busch, doch mehr in den stillen Momenten von Patric Gehrig, in welchen das Beobachten viel Spass macht.
Die Leistung von Patric Gehrig in den 65 Minuten Solo-Performance, inszeniert von Damian Dlaboha, beeindruckt. Die Dramaturgie des Stücks aber entstammt doch etwas sehr dem Lehrbuch. Im Text finden sich schöne Einfälle – aber viel ist typisches «Bauarbeiter-Gemotze». Denn Markus ist genau so, wie man sich einen Kranführer vorstellt – etwas oft gleitet er deshalb sehr nahe am Klischee vorbei.
Ein «Kack-Tag» des Kranführers
Wir erleben einen Tag mit dem Kranführer Markus. Nicht sein bester Tag. Obwohl er Geburtstag hat und der Bauführer Rolf ihm einen Whiskey schenkt.
Denn Markus wird 50, seine Mutter liegt im Sterben, wer tatsächlich sein Vater ist, kann er sie nicht mehr fragen und auf der Baustelle passiert ein schwerer Unfall. Ist es seine Schuld?
Vorschlaghammer und Aromat
Zu Beginn ist nur die Stimme zu hören. Etwas zu lange dauert der Text, bei welchem man jedoch Zeit hat, den Kran zu inspizieren. Ein grosses Kompliment an dieser Stelle geht an Saskya Germann für Bühne und Kostüm.
Der Jazz-Tubist auf der Bühne ist diesmal nicht für die Musik zuständig: Das Gepruste, Geblase und Gehorne von Marc Unternährer erinnert an einen Vorschlaghammer, an Hupen, Sirenen, an stressige, anstrengende Baustellengeräusche. Manchmal im Hintergrund, kaum noch wahrzunehmen, manchmal laut und fast nicht auszuhalten. Die einzige Musik ist der Mädchen-Pop-Song «I Love You Always Forever» von Donna Lewis aus dem Radio, zu welchem Markus Pause macht.
Immer wieder unterbrechen aber auch Momente der Stille den einstündigen Monolog. Wenn sich Markus in seiner Kabine einrichtet oder zu Mittag isst: Ein dickes Ei mit Aromat, eine Essiggurke, ein Sandwich, einen Apfel, etwas Tee aus der Thermoskanne. Ganz in Ruhe.
Abwechslungsreicher Monolog
Markus beobachtet die Welt, die Menschen und ihre Interaktionen von oben. Teil davon ist er scheinbar nicht. So, wie er nicht wirklich mit seinen Geschwistern und seiner Mutter interagiert, tut er es auch kaum mit seinen Mitarbeitern. Und wenn, dann nur verhindert – über die Distanz und das oft wertlose Funkgerät.
Der Text – ein einziger Monolog – bietet in seiner Form viel Verschiedenes an. Gehrig spricht nicht nur als Markus: Er ist auch die Stimme des Bauführers und des Erzählers, der Markus von aussen betrachtet. Im Text selbst fehlt die Abwechslung dafür oft, auch wenn die Gedankensprünge gegen Ende schön gesetzt sind.
«Heim#2 – Die Einsamkeit des Kranführers» wird noch am Freitag- und Samstagabend um 20 Uhr im Luzerner Südpol aufgeführt.
Der Eintritt kostet 15 Schweizer Franken.
Spricht Markus, ist er ganz unnahbarer und unzufriedener Bauarbeiter: Er ärgert sich, kritisiert, beobachtet seine Mitarbeiter, weiss natürlich immer alles besser. Und sowieso weiss er es immer besser als Rolf und Angelo. Angelo, der sowieso nicht gut arbeitet, unklare Handzeichen gibt und ohne das Funkgerät weiterzugeben ständig minutenlang kacken geht. Angelo, der an diesem Tag noch einen Unfall haben wird – verursacht von Markus, der danach nicht mehr vom Kran herunterkommt.
Im Sturm gipfelt der Tag
Beim Zusammenbruch, in welchem der Tag endet und in welchem das Stück vorhersehbar gipfelt, schüttet Gehrig sich erstmal eine Flasche Wasser über den Kopf. Ein Sturm scheint zu wüten, rund um den Kran herum und in Markus. Er säuft seinen Geburtstags-Whiskey aus und raucht, obwohl er aufgehört hat. Alles kommt zusammen: der Tod seiner Mutter, das ewige Unwissen über seinen Vater, die SMS im Familienchat, Angelo im Krankenhaus – «Wie schön das hier alles wäre, wenn allgemein weniger gestorben würde.»
Dann «kann» Markus nach Tagen endlich und kackt über die Kranbrüstung in den Sturm. Sein blanker Hintern schaut dem Publikum entgegen. Nass, atemlos und vielleicht auch etwas heiser beendet er mit einer in den Wind geschrienen Entschuldigung das Stück.
Als es dunkel wird, braucht das Publikum einen Moment. Dann beginnt der Applaus, laut und heftig. Gehrig und Unternährer werden würdig verdankt. Der Applaus ist wohl vor allem ihr Verdienst.