Dem Wirtenchor fehlt der Nachwuchs

Die singenden Wirte in Zug sind vom Aussterben bedroht

Alexander Brun (hinterste Reihe, Mitte) und die restlichen Mitglieder des Zuger Wirtechors. (Bild: Wirtechor Zug)

Es ist eine relativ junge Tradition – und hat trotzdem bereits ein Problem: die Wirtechöre. Den singenden Wirten fehlt der Nachwuchs. Zug geht aktiv auf Mitgliedersuche, doch die Prognose bleibt düster.

Wirte amten bekanntlich in Restaurants. Wie sich zeigt, teilen sich einige von ihnen noch eine andere Leidenschaft: Gesang. Als Wirtechöre treffen sich Gastronomen zum Austausch und zum Singen. Mal in Restaurants, mal im Säli, mal bei einem öffentlichen Auftritt. Jüngst haben sich die nationalen Wirtechöre in der St.-Oswalds-Kirche in Zug zum 28. Schweizerischen Wirtechor-Treffen versammelt und ein öffentliches Konzert gegeben.

Um die Tradition der Wirtechöre steht es jedoch nicht gut. «Wir sind eine aussterbende Spezies», sagt Alexander Brun, Obmann des Wirtechors Zug, gegenüber zentralplus. Die Zahl der Chöre ist stark geschrumpft. Vor zehn Jahren gab es in der Schweiz noch zehn Chöre. Heute sind es noch vier. Nebst Zug sind das Luzern, Basel und Bremgarten. Der jüngste Verlust: der Wirtechor Einsiedeln. Jener hat sich nach dem letzten Treffen in Zug aufgelöst.

Stammtischtreffs entwickeln sich zu Gesangsrunden

«Früher kamen beim Wirtechortreffen an die 350 Sänger zusammen. Der Anlass dauerte zwei Tage.» Heute beschränke sich das Treffen gemäss Brun auf etwa 100 Leute und dauere noch einen Tag. Zwar entspringt die Tradition nicht einem historischen Kontext, trotzdem hat der Wirtechor Zug beispielsweise seit 1967 Bestand. Der älteste noch bestehende Chor ist jener der beiden Basel. Ihn gibt es seit 1901.

«Die Tradition entstammt einer Zeit, in der sich die Wirte am Stammtisch getroffen haben», erzählt Alexander Brun. Man habe die Zusammentreffen genutzt, um Freundschaften aufzubauen und sich über Geschehnisse und Probleme in der Branche auszutauschen. «Das ist auch heute noch so», sagt Brun. Irgendwann sei dann die Idee aufgekommen, dass man gemeinsam singen könnte.

Wirtechöre leiden an Überalterung

Bis in die 90er-Jahre habe sich der Brauch relativ gut halten können. Seither schrumpfen die Chöre zusammen. In Zug sind es derzeit 28 Mitglieder. Eines davon, Toni Müller (88), der einst auf dem Gottschalkenberg in Alosen gewirtet hat, ist seit der Gründung 1967 dabei. Das Durchschnittsalter der bestehenden Sänger ist relativ hoch: in Zug siebzig und achtzig Jahre, wie Alexander Brun schätzt. Er selbst zählt mit seinen 62 Jahren zu den jüngeren Mitgliedern.

Dass sich jüngere Leute nicht mehr für die Sache begeistern, kann mehrere Gründe haben. Beispielsweise terminliche Verpflichtungen – der Zuger Chor trifft sich jeden Donnerstagnachmittag für eine rund zweistündige Probe und zu einem anschliessenden Essen. Ein solches Engagement ist heute nicht mehr selbstverständlich.

«Wir nehmen auch Bäcker, Metzger, Köche oder Lieferanten auf.»

Alexander Brun, Obmann Wirtechor Zug

Brun erklärt, dass das Nachwuchsproblem auch ein Kulturproblem sei. Die heutigen Wirte seien viel internationaler. Eine Identifikation mit traditionellem deutschschweizerischem Liedgut – Wirtechöre aus der Westschweiz oder dem Tessin hat es nie gegeben – sei deshalb schwierig. Dementsprechend gering falle das Interesse aus.

«Men only»: Zug bleibt seiner Tradition treu

Waren die Chöre früher ausschliesslich Wirten vorbehalten, haben sich die Clubs seither geöffnet. «Wir nehmen auch Bäcker, Metzger, Köche oder Lieferanten auf», erklärt Brun, der selbst zwölf Jahre lang gewirtet hat und aktuell für einen Getränkedienst arbeitet.

Eine Regel ist hingegen für die Zuger unumstösslich: Ihr Wirtechor bleibt ein Männerchor. «Es wäre ein Riesenaufwand, alle Lieder umzuschreiben, damit auch Alt- und Sopranstimmen Platz fänden», erklärt Brun. Und offiziell seien Wirtechöre immer Männerchöre gewesen. Das sei ein ungeschriebenes Gesetz.

Im Wirtechor Luzern singen auch drei Frauen mit.
Im Wirtechor Luzern singen auch drei Frauen mit. (Bild: Wirtechor Luzern)

In anderen Kantonen sind mittlerweile Frauen vertreten. Der Chor in Bremgarten hat beispielsweise eine Dirigentin. Und weil sich der Luzerner Chor aufs Jodeln spezialisiert hat, sind hier drei Damen mit entsprechendem Jodeltalent vertreten.

Düstere Prognosen für die Wirtechöre

Ob mit Frauen oder ohne: Die Tage der Wirtechöre scheinen gezählt. Alexander Brun will die Tradition aber aufrechterhalten. So lange es geht. «Es ist nämlich etwas Schönes.» Darum bemüht er sich aktiv, Nachwuchs zu finden. «Zwei neue Mitglieder konnte ich aktivieren. Jüngere Leute mit eigenen Betrieben», sagt Brun.

Für die Zukunft der Wirtechöre sieht er trotzdem schwarz. «In 15 Jahren wird es uns wohl nicht mehr geben.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Alexander Brun, Obmann Wirtechor Zug
  • Webseite des Wirtechor Zug
  • Artikel im «Gastro Journal»

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