Late-Night-Show: Wieso will SRF keine Frau?

Deville: «Ich finde es gut, dass die Frauen laut werden»

Dominic Deville steht eine Staffel vor seinem Abgang beim SRF. Seine Nachfolge tritt – das ist jetzt schon klar – ein Mann an. (Bild: Aissa Tripodi)

Dominic Devilles Late-Night-Show wird im Sommer abgesetzt. In der letzten Staffel will Deville aber nicht etwa klein beigeben, sondern nochmal richtig austeilen. Dass für seine Nachfolge nur Männer in Frage kommen, passt ihm und der Zuger Komikerin Michelle Kalt ganz und gar nicht.

Nach sieben Jahren «Deville» soll im Sommer Schluss sein mit der Late-Night-Show im SRF. Am Sonntagabend flimmert die erste Folge der letzten Staffel über die Bildschirme der Schweizer Wohnzimmer. Mitten im Vorbereitungsstress will zentralplus von Dominic Deville wissen, ob noch ein Skandal der Marke «Schmähgedicht von Böhmermann» geplant sei, oder er und sein Team eher auf einen gemütlichen Abschluss aus seien.

«Zwischen explosivem Content und lethargischem Dahinplätschern gibt es ja noch ein Zwischending», antwortet der Luzerner. «Auf Skandalöses bin ich nicht mehr aus, davon hab ich genug produziert.» Stattdessen wolle er die beliebtesten und besten Formate nochmal hervorkramen – und das Studio mitsamt des Personals verkaufen. Bis zum Ende der Staffel brauche er sein Team aber noch. Denn dieses – so wiederholt es der 48-Jährige immer wieder – sei super.

Harmonisch nach innen, provokativ nach aussen

Im Ausgang sei er nie, sagt Deville. «Das wäre viel zu gefährlich», meint er lachend. Aber mit dem Team nach der Aufzeichnung ein Bier trinken, den Abend nochmal durchbesprechen – das käme häufig vor. Er sei sehr harmoniebedürftig. Denn: «Ich brauche ein Team, das mir den Rücken freihält, um nach aussen richtig austeilen zu können.»

Dominic Deville und sein Team sind bereit für die letzte Staffel der Late-Night-Show im SRF.

Darum würden auch alle Nummern im Plenum – konkret: am Sitzungstisch – erarbeitet. Schnapsideen seien selten darunter. Weil die am nächsten Tag meist nicht mehr so gut klängen wie am Vorabend.

«Die ‹Carte blanche› im Radio 3FACH hat Spass gemacht»

Eine wiederkehrende Nummer heisst «Newsli». Kinder kommentieren die Schlagzeilen der Woche, unterlegt mit den passenden Sounds und illustriert mit bunten Fotocollagen. Deville ist gelernter Kindergärtner. «Ich kann gut mit Kindern, und sie gut mit mir», sagt er. Kindergärten seien coole Orte. Dort werde kreatives Austoben gelebt.

Kreativ austoben konnte sich Deville auch als junger Radiomoderator. «Die ‹Carte blanche› im Radio 3FACH hat Spass gemacht», erinnert sich Deville an seine Zeit beim traditionsreichen Luzerner Jugendradio. Generell sei das ein gutes Sprungbrett für viele Medienschaffende, von denen nicht wenige ihre Karrieren beim SRF fortführen. Die Luzerner Rapper LCone und Visu gehören da ebenso dazu wie die langjährige SRF-Moderatorin Anic Lautenschlager.

«Gebt diesem Deville eine Kamera und egal, was er macht, das wird reichen fürs Fernsehen.»

Dominic Deville

Freiräume sind wichtig, findet Deville. Ob im Radio, im Jugendtreff – oder in der Punkband. «Der Punk bot mir ein Gefäss für meine Ideen», sagt der ehemalige Sänger diverser Bands. Er habe sich damals der in Luzern sehr aktiven Szene angeschlossen. Und auch im Sedel die Freiheiten genossen, die sich dieses Kulturzentrum genommen hat.

«Ich wurde auf die Bühne geschubst»

Ob er denn immer schon auf die Bühne wollte? «Eigentlich nicht. Ich wurde vielmehr immer wieder auf die Bühne geschubst – wo es mir dann meist ganz gut gefallen hat», erklärt Deville. Eine Luzerner Zeitung habe mal geschrieben: «Gebt diesem Deville eine Kamera und egal, was er macht, das wird reichen fürs Fernsehen», erinnert sich Deville. «Das war lange, lange vor der Fernsehsendung ‹Deville›.»

«So was darf SRF im Jahr 2023 nicht mehr passieren»

Dominic Deville

Nicht ganz so alt wie besagter Zeitungsartikel ist die Corona-Pandemie. Sie erwischte Dominic Deville und sein Team auf dem komplett falschen Fuss. «Wir hatten einen guten Start, überflügelten alle Formate, die zur selben Zeit lanciert wurden, hatten am Sonntagabend super Quoten, mit Jan Böhmermann einen Stargast, ein neues Studio.» Dann sei Corona gekommen und habe alles sehr viel schwieriger gemacht: «Wir mussten unser Team auf fünf Personen zusammenschrumpfen und so monatelang unsere Sendungen produzieren.»

Ku-Klux-Klan, Tischbombe und die Operation Libero im Studio

Doch abgesehen davon scheint sich Deville vor allem an die guten Zeiten zu erinnern. An Abende mit Beni Turnheer, DJ Bobo oder Milo Rau, mit dem er die Amtsverteidigung Donald Trumps samt Ku-Klux-Klan-Maske und Tischbombe ad absurdum führte.

Spannend sei es auch gewesen, Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero, ausserhalb ihrer Rolle als Politikerin kennenzulernen. Schwer beeindruckt habe ihn zudem die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhardt – auf und neben der Bühne.

Hitzige Sexismusdebatte um Nachfolge

Während sich Dominic Deville auf die Gäste der letzten Staffel freute, ärgerten sich die beiden Komikerinnen Patti Basler und Lara Stoll in einer Medienmitteilung über Devilles Arbeitgeber. Weil für die Nachfolge Devilles keine einzige Frau und stattdessen drei Männer vorgeschlagen wurden. Das SRF kämpft seither mit Sexismusvorwürfen.

Den Ärger kann Deville nachvollziehen: «Drei Männer und keine Frau – so was darf SRF im Jahr 2023 nicht mehr passieren. Ich finde das höchst bedenklich.» Dass Patti Basler und Lara Stoll die Debatte in die Öffentlichkeit getragen haben, begrüsst Deville: «Ich finde es gut, dass die Frauen laut werden und sich so klar und deutlich äussern.» Denn nur wer offensiv und laut ist, kann etwas bewegen, findet er.

«Es ist unschön, dass frau für selbstverständliche Dinge wie die Chancengleichheit so auf den Putz hauen muss.»

Michelle Kalt

Das Problem sei strukturell und nicht nur im Fernsehen zu beobachten. «Wenn eine Frau öffentlich auftritt, wird sie sofort viel kritischer bewertet als ein Mann.»

Michelle Kalt ist Patti Basler und Lara Stoll dankbar

Die Zugerin Michelle Kalt begleitet Dominic Deville bei seinen letzten Sendungen im Schweizer Fernsehen. Sie hat sich im Rahmen der Late-Night-Show einen Namen als TV-Anwältin gemacht und setzt auf teils zynische, teils makabere Bewertungen aller möglichen Sachverhalte auf Basis juristischer Normen.

Kalt teilt Devilles Meinung in Bezug auf das Erfordernis offensiver Öffentlichkeit zur Veränderung der Gesellschaft. «Es ist aber unschön, dass frau für selbstverständliche Dinge wie die Chancengleichheit so auf den Putz hauen muss», sagt die Zuger Anwältin. Ausserdem bringe es der Gang an die Öffentlichkeit immer auch mit sich, «dass dir jede Person mit einem Internetanschluss die eigene, meist unqualifizierte, manchmal strafrechtlich relevante Meinung vor die Füsse rotzen kann.»

Deshalb sei sie Patti Basler und Lara Stoll «extrem dankbar, dass sie das Thema stellvertretend für sehr viele Frauen in der Comedy-Branche an die Öffentlichkeit getragen haben und dabei auch mit ihrem Namen hingestanden sind».

Das vom SRF angeführte Argument, das Fernsehpublikum wolle gemäss Umfragen bereits bekannte Männer sehen, findet Michelle Kalt «ziemlich schwach». Und erklärt mithilfe eines Beispiels: «Ich wusste 2002 auch noch nicht, dass ich ein Handy mit Internet brauche. Damals fand ich das Nokia 3330 ‹the shit›. Wer das 2023 immer noch gern mag: Super. Aber ich lebe lieber in der Gegenwart – und Nokia hat hier den Anschluss etwas verloren.»

Eigenes Soloprogramm in Planung

Michelle Kalt plant bald den nächsten, grossen Karriereschritt: Ein eigenes Soloprogramm sei in Planung. Aus den drei Jahren bei «Deville» nehme sie viel Erfahrung mit. «Ich hatte kaum Vorstellungen davon, wie eine Late-Night-Show produziert wird, wie man die Themen auswählt, im allerletzten Moment noch auf ‹Breaking News› reagiert», sagt Kalt. Sie habe viel über Politsatire gelernt und sei durch das viele Nummernschreiben sicher auch zu einer besseren Comedy-Autorin geworden.

Am besten gefallen habe ihr aber das Team: «Da ist ein Haufen sehr talentierter Menschen am Werk – die grosse Mehrheit davon hinter den Kulissen – und arbeitet Woche für Woche auf ein gemeinsames Ziel hin», sagt Kalt. Gleichzeitig würden die Inputs aller gleichermassen ernst genommen und Fehler schnell verziehen. Es scheint, als seien Devilles Liebesbekundungen ans Team keine blossen Lippenbekenntnisse.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Dominic Deville
  • Schriftlicher Austausch mit Michelle Kalt
  • Stellungnahme von SRF

 

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 12.03.2023, 09:01 Uhr

    Ich würde es begrüssen wenn das jemand lustiges machen könnte, egal ob Frau, Mann, Trans, Cis, Fis, Moll…

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  • Profilfoto von Hazel Nuss
    Hazel Nuss, 12.03.2023, 01:18 Uhr

    Ich glaube die, die aktuell am lautesten nach aufmerksamkeit schreien, sind die, die es zum glück nie ins schweizer fernsehen schaffen, da sie einfach schlecht sind. Doof, dass es jetzt einfach zwei Frauen trifft. Meine Meinung!

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  • Profilfoto von Annika Felder
    Annika Felder, 11.03.2023, 21:09 Uhr

    Mal ehrlich: Patti Baslers Bundeshaus-Umfragen waren einfach immer äusserst unlustig – ebenso die Beiträge von Michelle Kalt. Damit haben sich die beiden nun wirklich nicht für eine mögliche Nachfolge empfohlen…

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 11.03.2023, 19:45 Uhr

    Der? Der findet gar nichts. Weder gut noch schlecht. Der sagt das, was man halt so zu sagen hat. Leutschenbach pur.

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