150'000 Gäste werden im nächsten Juni erwartet

Das Eidgenössische Jodlerfest in Zug, ein ESAF 2.0? Jein

Ein Jodler am Zentralschweizer Jodlerfest in Andermatt. (Bild: zvg)

Im kommenden Juni pilgern rund 150'000 Menschen fürs Eidgenössische Jodlerfest in die Stadt Zug. Was erwartet die Zugerinnen? Was wird geboten? Und wo liegen die Fettnäpfchen für Jodel-Laien?

Den Begriff Folklore mag Regierungsrat Stephan Schleiss nicht sonderlich. Viel besser gefällt ihm das Wort Brauchtum. Und er freut sich, dass dieses im kommenden Jahr in Zug im grossen Stil gefeiert wird (zentralplus berichtete).

Rund 150'000 Sänger und Gäste werden im Juni 2023 zum Eidgenössischen Jodlerfest (EJF) erwartet. Schleiss wurde vom Trägerverein des Riesenanlasses zum OK-Präsidenten gewählt.

Ein (SVP-)Regierungsrat als OK-Präsi einer grossen Folklore-, pardon, Brauchtumsveranstaltung? Das kennen wir bereits vom Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF), durch welches Finanzdirektor Heinz Tännler die 420'000 Besucherinnen erfolgreich durchlotste.

«Heinz Tännler hat die Messlatte schon schampar hoch gelegt.»

Stephan Schleiss, OK-Präsident Jodlerfest Zug

Das sei sowohl ein Vor- als auch ein Nachteil, sagt Schleiss. «Heinz Tännler konnte mir sehr wohl helfen. So konnten wir fürs EJF einiges, zum Beispiel die Organisationsstruktur des ESAF, übernehmen. Auch hoffen wir, dass viele der damaligen Helfer auch im kommenden Jahr dabei sind.»

Aber: «Dass das ESAF so reibungslos und perfekt lief, steigert die Erwartungshaltung. Heinz Tännler hat die Messlatte schon schampar hoch gelegt. Davor habe ich Respekt.»

13 Jodellokale für die Wettbewerbe

Doch werden die Zuger tatsächlich ein ESAF 2.0 erleben beim Jodlerfest, einfach ohne Schwingen? «Es wird ein deutlich kleinerer Anlass und in dem Sinne diskreter, sodass man nicht das ganze Ausmass der Infrastruktur braucht, die das ESAF benötigte.» Konkret: Es bedarf keiner kolossalen Arena.

«Alle drei Disziplinen, Alphornblasen, Jodeln und Fahnenschwingen, sind gleich wichtig und darum auch im Logo vertreten.»

Stephan Schleiss, OK-Präsident Jodlerfest Zug

Die Jodelwettbewerbe werden dezentral in 13 verschiedenen Räumlichkeiten wie etwa Aulen oder Kirchen stattfinden. Zu jedem Vortragslokal brauche es zudem ein Einschwing-, Einblas- und Einsing-Lokal. Schleiss dezidiert: «Alle drei Disziplinen sind gleich wichtig und darum auch im Logo vertreten.»

Kleine Festzelte sind Trumpf

Dennoch werde der Anlass voraussichtlich viel kostengünstiger als das «Eidgenössische» 2019. «Bezüglich Budget wird der Anlass um Faktor 3 kleiner als das ESAF», sagt der OK-Präsident.

«Doch auch hier wird es eine Festmeile geben, dies entlang des Seeufers. Auch Orte wie den Freiruum und die Bossard Arena haben wir akquiriert. Dort werden Anlässe stattfinden.»

Schleiss ergänzt: «Bewusst haben wir uns entschieden, in der Festmeile nur kleine Zelte aufzustellen. Musik aus der Konserve gibt es nicht. Vielmehr ist es sehr typisch, dass die Jodlerformationen spontan zu singen beginnen und dann gleich mehrere Klubs einsetzen.»

In Zug gibt es zu wenige Hotels

Schleiss geht davon aus, dass die Mehrheit der Gäste mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen wird und dass demnach kein Verkehrschaos entstehen wird in der Stadt Zug. Insbesondere, da Zug so gut erschlossen sei.

«Das Finden der Unterkünfte ist eher eine Herausforderung. Die wenigen Hotels im Kanton sind bereits voll», sagt Schleiss. Entsprechend habe man den Perimeter der ÖV-Tickets ausgeweitet bis nach Luzern und Zürich, damit die Gäste einigermassen in der Nähe übernachten können. Weiter will man Massenunterkünfte, etwa in Turnhallen, organisieren, wie das bereits beim ESAF der Fall war.

Die Pandemie macht Schleiss keinen Kummer

«Zelten werden die Jodlerklubs hingegen wohl weniger», gibt Schleiss zu bedenken. «Die Trachten, die traditionellerweise getragen werden, sind oft viel wert. Da riskiert man lieber nicht, dass sie zerknittert werden.»

Wie sieht es mit Corona aus? Macht dem OK-Präsidenten die Möglichkeit einer x-ten Welle nächsten Sommer Kummer? «Nein. Ich glaube nicht, dass es so weit kommt, dass Grossveranstaltungen wieder verboten werden. Und wenn man in den Zuschauerrängen eine Maske tragen muss, ist das halt so», erklärt Stephan Schleiss.

Die Dos und Don'ts in der Jodelszene

Einer, der sich beim Jodeln auskennt wie kaum ein anderer in Zug, ist Josef Schatt, der beim Grossanlass als OK-Vize-Präsident amtet.

Gegenüber zentralplus verrät der Vollblut-Jodler und Verwalter des Jodellieder-Verlags, was die Dos und Don'ts für's EJF sind: «Was mir gleich als Erstes einfällt und ich zudem für das Wichtigste halte, ist das Verhalten während der Wettbewerbe», sagt Schatt.

«So dürfen die Zuhörer während eines Stücks keinen Zwischenapplaus geben, auch Zwischenrufe sind verpönt. Selbst wenn 800 Menschen ein Vortragslokal füllen, ist es jeweils mucksmäuschenstill.»

Das Dirndl bleibt im Schrank (bitte!)

Wie sieht es denn mit der Kleidung aus? Soll man das Dirndl vom letzten Oktoberfest aus den Untiefen des Schranks holen, um optisch ins Setting zu passen? «Nein. Das gehört nicht in unsere Kultur. Bei jenen, die aus der Szene kommen, ist das sehr verpönt. Das gilt natürlich nicht für jene geladenen Chöre, die aus Bayern anreisen.»

«Es wird erwartet, dass die Jodler entweder eine Tracht oder sonst etwas Schönes tragen.»

Josef «Sebi» Schatt, Vize-OK-Präsident

Wie sieht es mit dem Sennen- und Schwingerhemd aus, das beim ESAF überall zu sehen war? «Ein solches zu tragen, ist völlig ok. Überhaupt gibt es keinen Kleiderzwang bei den Gästen. Wenn jemand kurze Hosen trägt in den Zuschauerrängen, ist das ebenfalls in Ordnung.»

Anders sieht es bei den Formationen auf: «Es wird erwartet, dass die Jodler entweder eine Tracht oder sonst etwas Schönes tragen.»

Als «Don't» empfindet Schatt die Anreise mit dem eigenen Auto. «Denn meistens wird in den Festzelten ordentlich getrunken. Da empfiehlt es sich, mit den ÖV anzureisen.»

Mitsingen, erlaubt oder verpönt?

Apropos Zelte. Es ist Tradition beim Jodlerfest, dass an den Tischen spontan gejodelt wird. Darf man da als Otto Normalverbraucher ebenfalls stimmlich mit einsteigen oder ist das ein absolutes No-Go für Laien?

Schatt betont: «Doch, doch, man ist sogar herzlich dazu eingeladen. Letzthin, am Jodlerfest in Appenzell, hat auf der Strasse eine Dreierformation angestimmt. Sofort haben die Leute rundum mitgemacht.» Dass es dann ab und zu krumm klingt, sei in Ordnung.

«Das ist das Höchste an unserem Brauchtum. Es ist nicht wichtig, wie du heisst, auch nicht, wer du bist. Es zählt nur, ob du dabei bist oder nicht», beteuert Schatt.

Frauen sind mit dabei, aber nicht tonangebend

Beim aktiven Schwingen gehören Frauen bis heute eher zum Beigemüse. Wie sieht das beim Jodeln aus? «Es ist wahr, dass das Jodeln bis 1975 eine reine Männerdomäne war. Mittlerweile jedoch gibt es äusserst viele Frauen in Chören, auch wenn sie stimmlich nicht die Oberhand haben.»

Es gebe zwar auch reine Frauenchöre, diese benötigten jedoch, rein von ihrer Tonlage her, andere Kompositionen als die Männerchöre.

Last but not least äussert sich Schatt noch zu einem weiteren wichtigen Punkt bezüglich der Jodlerszene: «Hier sind alle per Du.» Auch das sei Teil der Ungezwungenheit.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Stephan Schleiss
  • Telefongespräch mit Josef Schatt
  • Website des Jodlerfests 2023
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