Urs Raschle will als Stapi Zugs Wirtschaft stärken

«In Zug gibt es Gefahren, die man sich näher anschauen sollte»

Urs Raschle hat beschlossen, fürs Stadtpräsidium zu kandidieren. (Bild: mam)

Er ist ein Christdemokrat, der gern auch mal deutliche Worte wählt. Der Zuger Stadtrat Urs Raschle will im Herbst zum Stadtpräsidenten gewählt werden, denn er sieht den Wohlstand und die Lebensqualität in der Stadt Zug in Gefahr. «Wir sind zu passiv geworden», lautet seine Diagnose. Dagegen kennt er die passende Medizin.

zentralplus: Sie sind der Allergrösste im Zuger Stadtrat. Wie gross sind sie?

Urs Raschle: Ich bin der Längste  – mit 197 Zentimeter Körpergrösse.

zentralplus: Sie sind auch der Jüngste. Worin liegt der Vorteil der Jugend?

Raschle: Man bringt frischen Wind mit und kann Sachen hinterfragen. Die Verhältnisse änden sich innerhalb von 10 oder 15 Jahren, und auch die Bevölkerung verändert manchmal ihre Sichtweise auf Probleme. Darauf hinzuweisen ist meine Rolle. Sich der neuen Möglichkeiten bewusst zu sein, mein Vorteil. 

zentralplus: Sie wollen als amtsjüngster Stadrat auch gleich Stadtpräsident werden. Wie schätzen Sie ihre Chancen ein?

Raschle: Sie sind intakt. Es ist klar, dass ich nicht Kronfavorit für das Amt des Stadtpräsidenten bin. Aber ich habe in den letzten drei Jahren meine Aufgabe ernst genommen und neue Lösungsansätze präsentiert. Ich glaube, das wird von den Bürgern goutiert. Ausserdem bringe ich von meiner früheren Tätigkeit im Tourismus strategische Fähigkeiten mit.

zentralplus: Bei ihrer ersten Wahl haben sie es nur knapp in die Stadtregierung geschafft. Dient die Kandidatur als Stapi zur Unterstützung bei der Stadtratswahl?

Raschle: Nein, Ich liebe ich diese Stadt und möchte mich für sie einsetzen – das war auch der Grund, warum ich in die Politik gegangen bin. Es wäre mein Traum, mich als Stadtpräsident noch stärker mit strategischen Fragen auseinanderzusetzen.

«Ich hatte meine erste Stadtführung schon im Alter von drei Jahren»

zentralplus: Ihr Vater war Stadtarchivar in Zug. Hatte das einen Einfluss auf ihren beruflichen Werdegang?

Raschle: Aber sicher. Ich hatte meine erste Stadtführung schon im Alter von drei Jahren. Von meinem Vater habe ich viel historisches Wissen über Zug vermittelt bekommen und profitiere davon noch heute. Die Erfahrung aus früheren Zeiten hilft einzuschätzen, was in Zug möglich ist und was nicht. Ich bin vielleicht der jüngste Stadtrat, aber historisch bestimmt nicht der schlechtetste.

Das ist Urs Raschle

Urs Raschle (40) ist in der Stadt Zug aufgewachsen und hat Volkswirtschaft studiert. Er war Tourismusdirektor in Einsiedeln und in Zug, bevor er in die Politik wechselte. Ihm gelang es 2014, für die CVP einen Sitz in der Stadtregierung zurückzuerobern. Raschle steht dem Departement für Soziales, Umwelt und Sicherheit vor. Ausserdem sitzt er seit 2011 für die städtische CVP im Zuger Kantonsrat. Urs Raschle ist mit Sarah Raschle verheiratet und hat eine kleine Tochter (2) namens Ramona.

zentralplus: Haben sie Angst, dass Sie mit ihrer Kandidatur die Linke Vroni Straub ermöglichen und einen bürgerlichen Stapi verhindern, weil sie sich gegenseitig die Stimmen wegnehmen?

Raschle: Es ist nicht die Schuld der CVP, dass sich die bürgerlichen Parteien im Vorfeld nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. Es wäre gewiss angezeigt, sich vor einem zweiten Wahlgang nochmals zusammenzusetzen, denn Vroni Straub hat gute Chancen. Vorher wird sich im ersten Wahlgang weisen, wer in der Wählergunst gut abschneidet.

zentralplus: A propos CVP. Was bedeutet für sie das C im Parteinamen?

Raschle: Christlich. Auch wenn ich manchmal mit der Institution der katholischen Kirche nicht vollständig glücklich bin und auch nicht jeden Sonntag zu Kirche gehe, so bin ich doch tief gläubig. Ich habe früher als Tourismus-Direktor von Einsiedeln gesehen, welche Kraft der Glaube entfalten kann. Ich bin unbedingt der Meinung, dass wir christliche Werte wieder höher halten sollten. Darin bin ich mit unserm Parteipräsidenten Gerhard Pfister völlig einig.

zentralplus: Die CVP war früher in der Stadt Zug die traditionellen Gegenspielerin des Freisinns, hat aber in den letzten Jahrzehnten an Einfluss eingebüsst. Wie sehen Sie den Zustand der Partei?

Raschle: Im Kanton Zug sind wir nach wie vor die stärkste Kraft. Aber natürlich sind wir von der städtischen CVP immer auf mehrere Partner angewiesen, weil in der Stadt Zug eher die FDP dominiert und auch die SVP ziemlich stark ist. Doch das ist nicht nur schlecht – es zwingt uns, dynamisch zu bleiben. Wir wollen die Kräfteverhältnisse mit guter Politik und guten Leuten ausgleichen. Als Vertreter der Stadt im Kantonsrat muss ich manchmal bei der kantonalen CVP Überzeugungsarbeit leisten. Denn diese ist ländlicher geprägt, während wir in der Stadt gesellschaftliche Veränderungen immer früher spüren.

zentralplus: Würden Sie ihr Amt als Kantonsrat niederlegen, wenn Sie zum Stadtpräsidenten gewählt würden?

Raschle: Das müsste ich mir überlegen. Ich habe gemerkt, dass es schon nicht mehr das Gleiche ist, wenn man als Stadtrat im Kantonsrat sitzt und sich sowohl für die Anliegen der eigenen Partei wie auch für die Stadt Zug einsetzt. Man wird anders wahrgenommen. Jedes Wort wird auf die Goldwaage gelegt.

«Es fehlt in Zug an gegenseitigem Verständnis füreinander.»

zentralplus: Was würden Sie als Stapi anders machen als Dolfi Müller?

Raschle: Dolfi Müller ist ein guter Stadtpräsident. Aber dennoch würde ich gegen innen stärker führen – und gegen aussen die Interessen des Wirtschaftsstandorts energischer vertreten. Hier sind wir zu passiv geworden. Zentral für einen Stadtpräsidenten ist es, die Lebensqualität in Zug zu sichern, den Wohlstand, das Wachstum – aber auch gesellschaftliche Entwicklungen im Blick zu behalten. Da gibt es Gefahren, die man sich näher anschauen sollte.

zentralplus: Welche meinen Sie?

Raschle: Es fehlt an gegenseitigem Verständnis von verschiedenen Gruppen füreinander. Zum einen zwischen den Expats und den Alteingesessenen. Aber auch die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Ein Beispiel dafür, dass die Leute weniger tolerant miteinander umgehen, sind die zunehmenden Einsprachen gegen Baugesuche.

zentralplus: Der Sommer bricht bald an. Wann können wir in einer saisonalen Bar, einer Buvette, am Seeufer etwas trinken gehen?

Raschle: Leider erst 2019. Gern hätte ich die Neuerung diesen Sommer schon eingeführt, aber die Mühlen der Verwaltung und der Politik mahlen halt nicht so schnell. Ausserdem wird an dem Standort, der uns am geeignetesten scheint, momentan fürs Wärmetauschprojekt Circulago gebohrt.

Clean Up Day Zug, Jugendliche sammeln in der ganzen Stadt Litteringabfaelle. Urs Raschle hilft ihnen dabei beim Fundbuero fuer gefundenen Abfall. Hier ein Team beim Sammeln am See

Clean Up Day in Zug. Die Littering-Problematik am Seeufer ist seit Jahren ein brennendes Thema in Zug.

(Bild: Christian Herbert Hildebrand, fo)

zentralplus: Fühlen Sie sich sicher, wenn sie am Seeufer spazieren?

Raschle: Es kommt drauf an, um welche Zeit. Tagsüber ja. Ich bin aber auch spätabends unterwegs gewesen – allein und mit Polizeipatrouillen – und habe bedenkliche Zustände angetroffen. Dabei ist mir klar geworden, dass man die Situation am Quai nicht nur als Littering-Problem begreifen darf. Das Seeufer gehört Jugendlichen, die es als rechtsreien Raum betrachten. Das darf jedoch nicht so bleiben. Es braucht neben Prävention auch Repression – und Verständigung. Patrouillen allein können nicht viel ausrichten. Deshalb möchten wir ja eine bessere altersmässige Durchmischung erreichen, indem wir neue Einkehrmöglichkeiten in Form von Buvetten schaffen.

zentralplus: Fühlen Sie sich zwischen Bahnhof und Eisstadion sicher, vor und nach einem Spiel des EV Zug?

Raschle: Ich bin dann meistens im Stadion und nicht auf der Strasse, hätte aber keine Sicherheitsbedenken.

zentralplus: Jahrelang war der Müll auf der Rössliwiese ein Hauptthema der Zuger Politik. Ist dieses Problem nun beseitigt?

Raschle: Es ist viel besser geworden. Dafür haben wir nun das Littering im Westen der Stadt.

«Es muss in unserer Gesellschaft Raum für das traditionelle Familienmodell geben.»

zentralplus: Sie sind Vater. Was braucht es, damit die Stadt Zug noch familienfreundlicher wird?

Raschle: Wir sind in der Stadt Zug ziemlich gut unterwegs. Wichtig ist, dass Mütter und Väter arbeiten gehen können, wenn sie das möchten. Dafür haben wir die familienergänzende Kinderbetreuung. Ausserdem wollen wir das Angebot weiter verbessern, wie etwa die Diskussion um die Betreuungsgutscheine zeigt. Sorgen macht mir etwas anderes, denn ich bin für die Bewilligung von neuen Kindertagesstätten verantwortlich. Seit etwa drei Jahren sehen wir, wie die Kinderbetreuung zum reinen Business wird. Es geht immer stärker um Abgeltung und Managementfragen und immer weniger um die Kinder. Das gibt mir zu denken.

Die Kitas in Zug bekommen heute Geld von der Stadt. Mit dem Systemwechsel geht das Geld per Betreuungsgutscheine an die Eltern.

Ausserfamiliäre Kinderbeitreuung in Zug: Mit Betreuungsgutscheinen soll das Angebot verbessert und die Warteschlangen für die Kita-Plätze verkleinert werden.

(Bild: zentralplus)

zentralplus: Der Zuger Regierungsrat will in seinem nächsten Sparpaket «Finanzen 2019» die Familienzulagen für Nichterwerbstätige senken. Ihre Meinung?

Raschle: Das geht nicht. Als Mitglied einer Familien-Partei bin ich strikt gegen diese Idee. Dies würde falsche Anreize schaffen. Wer arbeiten und seine Kinder in der Kita unterbringen will, soll das gerne tun. Aber jene zu benachteiligen, die ihre Kinder selber betreuen, finde ich falsch. Es muss in unserer Gesellschaft auch Raum für das traditionelle Familienmodell geben. 

zentralplus: Welche Eigenschaften haben Sie aus ihrer früheren Tätigkeit als Tourismusdirektor in Ihr Amt mitgenommen?

Raschle: Zum einen das kreative Denken. Wenn man nicht unbegrenzt Mittel zur Verfügung hat, muss man nach anderen Lösungsansätzen suchen. Dann sehe ich Opportunitäten: Ich versuche Möglichkeiten, die sich bieten, um Zug gegen aussen zu vertreten, auch wirklich zu ergreifen – Stichwort Crypto Valley Zug. Und ich bin immer noch ein entschiedener Verkäufer meiner Anliegen.

zentralplus: Der Hotelpromotor Bruno H. Schöpfer aus Unterägeri findet, Zug brauche dringend ein Fünf-Sterne-Hotel. Was meinen Sie?

Raschle: Ich glaube nicht, dass wir in Zug derzeit genügend Anlässe und Kongresse haben, um ein ganzes Fünfsternhotel zu füllen. Aber ein weiteres gutes Viersternhotel am Platz wäre eine gute Sache.

«Was sollen wir dereinst unsern Kindern sagen, wenn sich Blockchain durchsetzt und wir nichts unternommen haben?»

zentralplus: Besitzen Sie Bitcoin?

Raschle: Nein, nur eine digitale Identität der Stadt Zug.

zentralplus: Seit dem Kurssturz des Bitcoin wird wieder mehr Kritik daran laut, dass Zug die Cryptowährung als Zahlungsmittel zugelassen hat.

Raschle: Das war ein Signal und richtig, wie ich glaube. Der Blockchain-Technologie gehört die Zukunft. Sie zu fördern ist eine «low hanging fruit», also eine Sache, die ohne viel zu kosten einen grossen Nutzen bringt. Schauen Sie, wir profitieren heute im Kanton Zug von den Entscheidungen unserer Vorfahren in der Steuerpolitik. Was sollen wir dereinst unsern Kindern sagen, wenn sich Blockchain durchsetzt und wir nichts unternommen haben? Das frage ich unsere Kritiker.

zentralplus: Kritik haben Sie auch geerntet, als sie für höhere Parkgebühren eintraten.

Raschle: Das war der Beitrag, den mein Departement im Rahmen unseres Entlastungsprogramms «Sparen und Verzichten» leisten konnte. Das Parlament hat darauf keinen  direkten Einfluss, deswegen auch der grosse Aufschrei im Grossen Gemeinderat. Nun kommt es zu einer Volksabstimmung. Das begrüsse ich. So weiss man, was die Leute wirklich wollen.

zentralplus: Ist es nicht erstaunlich, dass die offizielle Zuger Verkehrspolitik einen Stadtkern ohne oberirdische Parkplätze anstrebt, aber eine massvoller Gebührenaufschlag auf so viel Widerstand stösst? In Luzern und Zürich ist parkieren nach wie vor teurer. Viele Zuger in den Aussenquartieren haben offenbar immer noch den Anspruch, mit dem Auto zum Bundesplatz oder Postplatz zu fahren und in der Nähe einen günstigen Parkplatz zu finden.

Raschle: Das alles ist Ausdruck des Wandels, den Zug durchmacht. Die Politik hat die Aufgabe, Herausforderungen der Zukunft und aktuellen Entwicklungen voraus zu sein. Aber wenn die Bevölkerung nicht mitkommt, muss man eventuell langsamer vorgehen.

Stadtrat Urs Raschle mit Gattin Sarah.

Stadtrat Urs Raschle mit Gattin Sarah.

(Bild: mbe.)

zentralplus: Was ist denn ihre Vision für Zug, die sie als Stadtpräsident verwirklichen wollen?

Raschle: Ich finde nicht, dass ein Stadtpräsident Visionen verwirklichen sollte. Ich möchte die nötigen Massnahmen einleiten, um unsere Lebensqualität in Zug sichern – damit ich weiter mit Bekannten den Sonnenuntergang in einer lebenswerten Stadt Zug geniessen kann.

zentralplus: Welches ist ihr bevorzugtes Plätzchen, wenn die Sonne hinter dem Lindenberg versinkt?

Raschle: Ich sitze ab und zu auf dem Landsgemeindeplatz und bin mit meiner Familie öfter im Standbad. Aber besonders gern sehe ich den Sonnenuntergang vom Zugerberg aus.

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