Gastrolehrlinge sammeln Praxiserfahrung im Wilden Mann

Im Lernenden-Hotel in Luzern herrscht auch im Lockdown Hochbetrieb

Rund 40 angehende Berufsleute aus der Gastrobranche sammeln derzeit im Hotel Wilden Mann Praxiserfahrung. So können sie sich trotz Lockdown auf die Abschlussprüfungen im Sommer vorbereiten. Ein Augenschein vor Ort zeigt: Die Freude, dass sie wieder arbeiten können, steht den jungen Menschen ins Gesicht geschrieben.

Seit dem 18. Dezember befindet sich die Gastrobranche hierzulande im zweiten Lockdown. Ein Problem ist das insbesondere für junge Leute, die derzeit eine Ausbildung in Küche, Service oder Hotellerie absolvieren. Fünf Monate Berufspraxis und Erfahrung fehlen ihnen mittlerweile. Und bei nicht wenigen stehen im Sommer die Abschlussprüfungen an.

Deshalb können seit vergangener Woche mehrere angehende Berufsleute im Hotel Wilden Mann in der Luzerner Kleinstadt die sehnlichst erwartete Praxiserfahrung sammeln. «Eigentlich wären wir jetzt in den letzten Vorbereitungen für den Schmudo», sagt Hotelier Arno Affolter, der seinen Betrieb bis auf Weiteres für das Projekt zur Verfügung stellt. «Seit Montag läuft nun aber der zweite dreitägige Workshop für die Lernenden.» So lange der Lockdown andauert, werden diese alle zwei Wochen in den «Wilden Mann» kommen, ehe sie dann in ihre Betriebe zurückkehren.

Auch das Hotel Cascada macht mit

Organisiert wird das Projekt vom Gastroausbildungzentrum «G'Art» in Luzern. Dessen Geschäftsführer Thomas Tellenbach war sechs Jahre lang Küchenchef im «Wilden Mann», weshalb die Wahl auf diesen Betrieb fiel. «Thomas Tellenbach hat uns angefragt, weil er das Hotel und dessen Infrastruktur kennt und weiss, dass wir ein umfassendes Lehrangebot anbieten können», erzählt Affolter.

Dazu gehöre auch die Hauswirtschaft im Hotelbereich, wo neben dem Zimmerservice auch die Reinigung der Parkett-, Stein- und Teppichböden dazugehört. «Da wir im Besitz der entsprechenden Maschinen sind, können die Lernenden bei uns Erfahrung mit den Geräten sammeln.»

Und auch im Bereich Hotelkommunikation, Hotelmarketing sowie an der Rezeption können die jungen die Menschen wieder Berufsluft einatmen. Für den Bereich Lingerie und Wäscherei spannt der «Wilden Mann» mit dem Hotel Cascada am Bundesplatz zusammen, das eine entsprechende technische Einrichtung hat. Der «Wilden Mann» ist in der Region derzeit der einzige Betrieb, der als Lernenden-Hotel fungiert.

In der Küche herrscht trotz Lockdown Hochbetrieb (Video):

Nachfrage grösser als Angebot

Die Nachfrage sei grösser gewesen als das Angebot, führt Arno Affolter aus. «In der Küche können sich maximal acht Lernende und zwei Ausbildner aufhalten. Auch wegen der geltenden Abstandsregeln.» Die angehenden Gastronomen stammen aus Dutzenden Betrieben aus den Kantonen Luzern, Ob- und Nidwalden. Viele Lernende hätten vorübergehend aber auch einen Platz in einem Altersheim oder Spital gefunden, weiss Affolter, der im Stiftungsrat des «G'Art» sitzt.

Für viele der jungen Menschen sei die Ungewissheit und die fehlende Praxis kurz vor der Abschlussprüfung zu einer grossen psychischen Belastung geworden. «Es gab hie und da auch Tränen», erinnert sich Affolter. Davon war bei unserem Augenschein jedoch überhaupt nichts mehr zu spüren. Es herrschte eine positive und aufgestellte Atmosphäre.

«Die Lehrlinge sind topmotiviert. Man sieht aber auch, dass sie die Praxis brauchen.»

Pascal Gantner, Ausbildner Küche

Von 200 Lernenden habe man bis auf 15 alle unterbringen können, so Hotelier Affolter. 100'000 Franken kostet das Projekt pro Monat. Je zehn Prozent sollen der Kanton und die Gastroverbände beisteuern. Der Rest soll vom Bund kommen. Zudem gibt es ein Crowdfunding, mit dem Spendenziel von 10'000 Franken. «Davon haben wir rund 8500 Franken bereits beisammen. Viele Beiträge stammen von den Eltern der Lernenden», sagt Affolter erfreut. Für seine eigenen fünf Lernenden habe er das Projekt bereits im ersten Lockdown im kleinen Rahmen durchgeführt und bezahlt.

In vier Berufen sind derzeit rund 40 angehende Berufsleute im «Wilden Mann» aktiv. Betreut werden sie von Profis, die in dem Betrieb arbeiten. Für die angehenden Servicefachleute sind die beiden Chefs de Service Sarina Siegrist und Viktor Spath zuständig. Wie man die Löffel richtig schwingt, bringen den jungen Menschen in der Küche Küchenchef Simon Oehen und Sou-Chefin Andrea Roos bei. Die Arbeit teilen sie sich mit Pascal Gantner, seines Zeichens Sou-chef im Hotel Schweizerhof.

Haben die Lernenden unter ihrer Fittiche: Andrea Roos und Pascal Gantner. (Bild: bic)

«Die Lehrlinge sind topmotiviert. Man sieht aber auch, dass sie die Praxis brauchen», sagt Gantner nach den ersten neun Betriebstagen des Projekts. Auch ihm bereite die derzeitige Arbeit viel Spass. Er sei froh, dass er wieder in der Küche stehen kann. «Da die Lernenden aus verschiedenen Betrieben kommen, entsteht ein enorm spannender Austausch zwischen ihnen und uns Ausbildnern. Und die Lernenden können ihr teils unterschiedliches Wissen gegenseitig weitergeben.»

Noch mehr Eindrücke gibt's in der Bildergalerie:

Das Gekochte wird serviert und gemeinsam gegessen

Das Kochen und den Service müssen die angehenden Berufsleute grundsätzlich komplett selber organisieren, sagt Gantner. «Wir bieten einfach den Rahmen und greifen nur ein, wenn etwas komplett schiefläuft. So wird sowohl das Team in der Küche wie auch das Serviceteam mit den Abläufen vertraut.» Auf diese Weise schaffe man bei den jungen Menschen Sicherheit und stärke insbesondere das Selbstwertgefühl.

Die kredenzten Gerichte werden am Mittag jeweils gemeinsam gegessen. Wenn das Küchenteam fertig ist, wird ihm vom Serviceteam das eigene Menü serviert. Davor gibt es, je nach Wunsch, einen Aperitif. Als Ersatz für die alkoholischen Getränke dient gefärbtes Wasser. Das junge Serviceteam muss den speziellen Gästen aber auch wichtige Fragen zu Allergenen beantworten oder Alternativen für Vegetarierinnen anbieten. Ein bisschen Normalität in dieser schwierigen Zeit.

Wer eine gute Kellnerin werden will, muss sich auch mit Alkohol auskennen.
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