Erste nationale Studie im Auftrag des Bundes

Hochschule Luzern will wissen, wie es um die Gesundheit der Regenbogen-Community steht

Girls who kiss girls: Die Forschung konzentriert sich bisweilen, sofern sie sich mit LGBT-Themen auseinandersetzt, eher auf Männer, die Sex mit Männern haben. (Bild: Mahrael Boutros/Unsplash)

Es wird die erste nationale Studie zur Gesundheit der LGBT-Community in der Schweiz: Die Hochschule Luzern führt diese im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit durch. HSLU-Professor Andreas Pfister sagt, warum diese wichtig ist.

Wie steht es um die Gesundheit lesbischer, schwuler, bisexueller und Transmenschen in der Schweiz? Wirklich wissen können wir das nicht – denn in der Schweiz fehlen aussagekräftige Daten dazu.

Fragen zur sexuellen Orientierung sind erst seit Kurzem Bestandteil der alle fünf Jahre stattfindenden Schweizerischen Gesundheitsbefragung. Fragen zur Geschlechtsidentität wurden bisher nicht gestellt. Und das, obwohl die Befragung ja eigentlich die gesamte Schweizer Bevölkerung abdecken will.

Aus internationalen Studien weiss man aber: Homosexuelle Jugendliche unternehmen bis zu fünf Mal mehr Suizidversuche. Lesbische, schwule, bisexuelle oder Transmenschen sind laut einer deutschen Studie drei Mal häufiger von Depressionen und Burnout betroffen. Auch zeigen internationale Studien, dass LGBT-Menschen auf Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung treffen. Zum Beispiel, weil sie Angst haben, bei medizinischen Behandlungen nicht ernst genommen oder diskriminiert zu werden, was ein Hemmfaktor sein kann, einen Arzt aufzusuchen.

Bundesparlament verlangt Antworten

SP-Nationalrätin Samira Marti wollte das ändern und die Situation in der Schweiz genauer erforschen lassen. Mit einem angenommenen Postulat verlangte sie, dass der Bundesrat einen vergleichenden Bericht über die Gesundheit von LGBT-Personen in der Schweiz erstellt. Die Hochschule Luzern führt nun im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) diese erste nationale Erhebung durch, die Teil der Beantwortung des Postulats Marti sein wird.

«Es ist sicherlich Zeit, die Gesundheit von LGBT-Menschen in der Schweiz zu erfassen.»

Andreas Pfister, Hochschule Luzern

Mit der nationalen LGBT-Gesundheitsbefragung will man herausfinden, wie es bei der Schweizer LGBT-Community um den Zugang zur Gesundheitsversorgung, um die Selbsteinschätzung der Gesundheit, der sexuellen Gesundheit, um Substanzkonsum und die psychische Gesundheit steht.

Ungleiche Gesundheitschancen sollen identifiziert werden

«Es ist sicherlich Zeit, die Gesundheit von LGBT-Menschen in der Schweiz zu erfassen», sagt Andreas Pfister auf Anfrage. Pfister ist Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern. Letztes Jahr hat er ein methodisches Verfahren entwickelt, mit dem untersucht werden kann, weshalb es bei 14- bis 25-jährigen LGBT-Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Suizidversuchen kommt (zentralplus berichtete).

Ziel ist es, bestehende Datensätze der Schweizerischen Gesundheitsbefragung von 2007, 2012 und 2017 hinzuzuziehen – um die Angaben der LGBT-Community mit denjenigen Aussagen zu vergleichen, die auch Heterosexuelle und oder Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, gemacht haben. So will das Forschungsteam Bereiche identifizieren, in denen LGBT-Menschen im Vergleich zur übrigen Schweizer Bevölkerung ungleiche Gesundheitschancen haben.

Andreas Pfister ist Professor für Soziale Arbeit an der Hochschule Luzern. (Bild: ida)

Fragen zur Gesundheit und zum Substanzkonsum

An der Befragung kann teilnehmen, wer sich als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans, queer oder nonbinär identifiziert, in der Schweiz wohnt und mindestens 15 Jahre alt ist (hier kannst du anonym online teilnehmen). Es werden unter anderem Fragen gestellt, mit wem man über seine sexuelle Orientierung gesprochen hat – beispielsweise auch ärztliches Fachpersonal – und wie man seine Gesundheit selber einschätzt. Weiter, mit wie vielen Personen man in den letzten zwölf Monaten Sex hatte, ob und wie man dabei Schutzmittel wie Kondome verwendet hat und Fragen zum Alkohol- und Drogenkonsum.

Hier findest du Hilfe

Wähle die Nummer 143 der «Dargebotenen Hand», wenn es dir schlecht geht. Kostenlos rund um die Uhr wird dir auch über die Nummer 147 (Pro Juventute) geholfen.

Zu homo- und bisexuellen Frauen wurde bis anhin wenig geforscht

«Eine streng repräsentative Stichprobe zu ziehen, ist aber gar nicht möglich», sagt Pfister. «Schliesslich haben wir ja kein Register, in dem Menschen gemäss ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität aufgeführt werden.»

Auch in den internationalen Studien – selbst in guten – fehlen laut Pfister oftmals verlässliche Zahlen, die nicht nur einen Zusammenhang, sondern auch eine Kausalität über Jahrzehnte hinweg, zum Beispiel in Längsschnittstudien, aufzeigen würden. «Zudem wird die Gesundheit von sogenannten MSM – also Männern, die Sex mit Männern haben – häufiger erforscht als diejenige von lesbischen und bisexuellen Frauen.»

«Nun ist es an der Zeit, die weibliche Sexualität mehr ins Zentrum zu rücken und mehr über Trans- und nonbinäre Menschen in der Schweiz zu erfahren.»

Andreas Pfister

Laut Pfister liegt das vermutlich daran, dass MSM durch die Aidskrise der 80er-Jahre mehr in den Fokus der Forschung gerückt sind. Auch heute weisen homosexuelle Männer eine höhere Vulnerabilität im Vergleich zur Gesamtbevölkerung auf, wenn es um sexuell übertragbare Krankheiten geht. «Der Fokus ist berechtigt, nun ist es aber auch an der Zeit, die weibliche Sexualität mehr ins Zentrum zu rücken und mehr über Trans- und nonbinäre Menschen in der Schweiz zu erfahren», sagt Pfister.

Mit der Befragung will man etwas zur Gesundheit der LGBT-Community in der Schweiz beitragen. Kennt man die Daten, könnten in einem weiteren Schritt auch allfällige Massnahmen in der Schweizer Gesundheitsversorgung und der Politik ergriffen werden. «Nur weil beispielsweise homosexuelle Jugendliche und Transpersonen eine höhere Suizidversuchsrate aufweisen, heisst es nicht, dass alle LGBT-Menschen dies erfahren müssen. Statistische Zusammenhänge zeigen aber auf, dass eine höhere Vulnerabilität besteht», sagt Pfister.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 17.05.2021, 21:57 Uhr

    Ist das ein Witz?

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 17.05.2021, 23:33 Uhr

      Aufgrund der Fragestellung bei der Umfrage könnte man/Frau/es leicht zu dieser Schlussfolgerung kommen.

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    • Profilfoto von Cyrill Studer Korevaar
      Cyrill Studer Korevaar, 18.05.2021, 07:17 Uhr

      Warten Sie doch zuerst die Resultate ab und urteilen danach.

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 18.05.2021, 07:38 Uhr

      Anhand des Fragenkatalogs könnte man davon ausgehen dass das so ist Herr Bitterli.

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 18.05.2021, 07:51 Uhr

      Deswegen, Korevaar, wurde ja auch eine Frage gestellt und nicht geurteilt.
      Allerdings könnte ich Ihnen bereits jetzt eine Vielzahl von Gründen nennen, warum hier – wie so oft in interessegeleiteter Fachhochschulforschung – gar keine wissenschaftlichen Resultate erwartet werden können: Die zu erforschende „community“ nennt sich mal LGBT, mal LGBTXYZ+ oder nochmal anders. Sie ist nicht zu definieren. Ausserdem liegt es im Auge des Subjektes und des aktuellen Fühlens, ob jemand dazugehört oder nicht. Ich werde also teilnehmen, weil ich heute gerade mal im falschen Körper erwacht bin. Das ist völlig legitim. Es gibt also gar kein Objekt der Forschung. Was für „Resultate“ sollen denn da schon zu erwarten sein?

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