Ärztehäuser und Notfallzentrum schaffen Abhilfe

Hausärztemangel in Zug: Ärzte und Patienten gehen neue Wege

Dieser Patient ist zufrieden: Er hat eine Arztpraxis gefunden, die ihn aufgenommen hat.

(Bild: flickr.com)

Der Pfarrer. Der Lehrer. Der Doktor. So sieht das personelle Grundinventar in einem Dorf aus. In Menzingen ist die medizinische Grundversorgung gerade erst wieder einigermassen hergestellt. Die Hausarztsituation im Kanton Zug bleibt dennoch angespannt. Andererseits zeichnen sich neue Trends in der Ärztelandschaft sowie im Verhalten der Patienten ab.

Frank Klein heisst der neue Hausarzt, der seit Anfang des Jahres, die Praxis von Renate Grossmann in Menzingen übernommen hat. Diese hat aus persönlichen Gründen Ende letzten Jahres aufgehört, als Ärztin zu praktizieren: Nachdem sie zuvor, seit letzten Sommer, die Patienten von Peter Beck übernommen hatte – dem langjährigen und eingesessenen Menzinger Hausarzt. Dieser hörte aus gesundheitlichen Gründen auf.

Beruf des Landarzts ist nicht mehr so akttraktiv

Wenn man diese Zeilen liest, erkennt man, dass es offensichtlich nicht leicht ist, heutzutage einen Hausarzt nach Menzingen zu lotsen. Oder anderswo in eine dörfliche Gemeinde.

«Viele Ärzte tendieren heute eher dazu, lieber in einer Gruppenpraxis oder in einem grossen Praxisbetrieb zu arbeiten.»

Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt

Kein Wunder. Denn der Beruf des Landarztes ist heutzutage nicht mehr unbedingt die attraktivste Form des Medizinerdaseins. Andererseits ändert sich offenbar auch das ärztliche Berufsbild. Waren früher ärztliche Einzelpraxen die Regel, so werden diese immer seltener.

Gesunde Landschaft, wenig Ärzte: Menzingen und Finstersee.

Gesunde Landschaft, wenig Ärzte: Menzingen und Finstersee.

(Bild: zvg)

«Viele Ärzte tendieren heute eher dazu, lieber in einer Gruppenpraxis oder in einem grossen Praxisbetrieb zu arbeiten», erklärt Rudolf Hauri, Kantonsarzt in Zug.

Ein Grund unter vielen anderen: Dadurch lassen sich leichter Arbeits- und Ferienzeiten einteilen, weil immer für eine Vertretung gesorgt ist. Zudem könne man auf diese Weise die Grundlasten einer Praxis teilen. Hauri: «Schliesslich spielt auch der fachliche Austausch eine Rolle. Bei schwierigen Fragestellungen und Entscheidungen lässt sich schnell eine Zweitmeinung einholen.»

Es gibt auch ein Ärztehaus in Menzingen

Ob mit der neu eröffneten Menzinger Hausarztpraxis neben dem Ärztehaus in Menzingen, in dem zwei Ärzte praktizieren, die medizinische Versorgung der 4500 Menzinger grundsätzlich gewährleistet ist, darf in Frage gestellt werden. Zumindest entfällt für die Menzinger Ärzte künftig die Betreuung der Flüchtlinge im Bundeszentrum auf dem Gubel. Dieses wird ja bekanntlich Mitte des Jahres aufgelöst.

«Der Kanton Zug ist im schweizerischen Schnitt gut mit Hausarztpraxen und zum Teil weit überdurchschnittlich mit anderen Arztpraxen abgedeckt.»

Rudolf Hauri

Doch Kantonsarzt Rudolf Hauri gibt sich optimistisch. Die neue Hausarztpraxis in Menzingen stelle zusammen mit dem dortigen Ärztehaus, in dem zwei Ärzte praktizieren, die medizinische Versorgung direkt an Ort und Stelle sicher. «Somit haben jene Menzinger, die aufgrund der Wahlfreiheit nicht sowieso zu einem Hausarzt in einer anderen Gemeinde gehen, die Möglichkeit, in Wohnortnähe eine Praxis zu finden.»

Und wie sieht die Hausarztsituation im Kanton Zug aus?

Gleichwohl stellt sich die Frage, wie es um die Hausarztversorgung im Kanton Zug bestellt ist. Denn laut Zahlen der Zuger Regierung gab es im Kanton Zug 2012 noch 83 sogenannte Grundversorgungspraxen, im Jahr danach noch 79 und von 2014 bis 2016 noch je 78 Praxen. Im Augenblick sind es 73. Zudem zitiert die Regierung eine Studie, die zeigt, dass in den nächsten fünf Jahren 17 Hausärzte im Kanton Zug das Rentenalter erreichen werden. Das sind wirklich nicht die besten Aussichten.

«Der Kanton Zug ist im schweizerischen Schnitt gut mit Hausarztpraxen und zum Teil weit überdurchschnittlich mit anderen Arztpraxen abgedeckt», meint indes der Zuger Kantonsarzt trotzdem gegenüber zentralplus. 

Natürlich könne es sein, dass man keinen Termin mehr erhalte, wenn man als neuer Patient zu einem ganz bestimmten Hausarzt gehen wolle, weil diese Praxis beispielsweise sehr beliebt sei. «Das hat aber nichts mit einem grundsätzlichen Hausärztemangel zu tun, denn es gibt genug andere Praxen», so Hauri.

Zentrale Lage beim Bahnhof: Das neue Arzthaus ist in der ehemaligen Post im Erdgeschoss dieses Gebäudes eröffnet worden.

Zentrale Lage beim Bahnhof: Das neue Arzthaus ist in der ehemaligen Post im Erdgeschoss dieses Gebäudes eröffnet worden.

(Bild: mbe.)

Fakt ist in Zug, dass gerade ein neues Ärtzehaus eröffnet hat, das 365 Tage rund um die Uhr seine Dienste am Bahnhof anbietet (zentralplus berichtete). Sprich: Für die Laufkundschaft unter den Patienten. Oder solche, die tagsüber keine Zeit haben zum Arzt zu gehen. Und auch in Cham wird in diesem Jahr noch ein neues Ärztehaus seine Pforten aufmachen – direkt an der Bärenbrücke im Zentrum.

Klickt man sich auf der Homepage der Zuger Gesellschaft für Hausarztmedizin durch, bestätigt sich zum einen der Trend, dass es immer mehr solcher Gemeinschaftsärztepraxen gibt. Zum anderen bieten gerade solche Praxen die meisten freien Termine für Patienten an, die neu einen Hausarzt suchen.

Rot, gelb, grün: Ampeln signalisieren zusätzliche Kapazitäten bei Zuger Ärzten

Ob ein Arzt im Kanton Zug nämlich noch Kapazitäten für neue Patienten hat, wird durch ein Ampelsystem signalisiert. Steht die Ampel auf Rot, ist die Praxis voll. Steht sie auf Gelb, «nimmt sie unter bestimmten Umständen Patienten auf, anrufen lohnt sich!», wie es auf der Homepage heisst. Steht die Ampel auf Grün, sind die Chancen nicht schlecht, gar als neuer Patient aufgenommen zu werden.

Wobei die Ampeln zu den aufgeführten 73 Hausarztpraxen überwiegend auf Gelb stehen (32). 24 sind grün und 17 rot. Und es fällt wie gesagt auf, dass es grüne Ampeln vor allem in sogenannten Arztzentren gibt: Im Xundheitszentrum Ägerisee AG in Oberägeri etwa, im Ärztehaus Steinhausen, im Arzthaus Zug oder in der Hausarztpraxis Kutz in Rotkreuz. Alteingessene Ärzte und beliebte Ärzte sind dagegen schon seit Ewigkeiten ausgebucht.

Die grundsätzliche Frage bleibt allerdings, ob durch solche Ärztehausmodelle beziehungsweise Gemeinschaftspraxen wirklich ein dauerhaftes Beziehungs- und Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient entstehen kann.

Wenn Patienten den Weg des geringsten Widerstands wählen: Das Zuger Notfallzentrum

Fakt ist aber auch, dass Zuger Patienten im Zweifelsfall den Weg des geringsten Widerstands wählen.

Die hohe Patientenfrequenz im Zuger Notfallzentrum am Baarer Kantonsspital ist nämlich auch ein Indikator dafür ist, dass die 73 Hausärzte, die auf der Homepage der Zuger Gesellschaft für Hausarztmedizin aufgeführt werden, nicht ausreichen, um die medizinische Versorgung der mittlerweile rund 125’000 Zuger abzudecken. Denn ins Notfallzentrum gehen auch viele Patienten mit Bagatelldelikten, wie Insider berichten. Und solche, die erst gar keinen Hausarzt in Zug haben.

«Sie haben bisher einfach gar keinen Hausarzt gesucht.»

Rudolf Hauri

Der Zuger Kantonsarzt bestreitet dies. «Einerseits entspricht die Anzahl Praxen nicht der Anzahl tätiger Ärzte, denn in einer einzelnen Praxis können mehrere Ärzte tätig sein», so Hauri. Zudem übernehme die Notfallpraxis nicht die Funktion einer Hausarztpraxis. Sie stelle eine organisatorische Form des ärztlichen Notfalldienstes dar.

«Und die Notfallpraxis deckt den Notfalldienst sehr gut ab», sagt der Zuger Kantonsarzt. «Dass nicht alle der Personen, die die Notfallpraxis aufsuchen, einen Hausarzt haben, ist nicht darauf zurückzuführen, dass sie keinen finden. Sie haben bisher einfach gar keinen gesucht.»

Dabei entscheidet eben heutzutage nicht immer der Arzt, was ein Notfall ist – sondern der Patient.

Wenn ein Patient nämlich sofort untersucht und am Notfalltelefon nicht abgewimmelt werden will, taucht er einfach mal im Baarer Notfallzentrum auf. Wen beispielsweise eine Rippenprellung oder eine Blasenentzündung plagt, oder wenn die Tochter einen Zeckenbiss nach dem Waldspaziergang hat, werde von den freundlichen Ärzten im Baarer Notfallzentrum nicht abgewiesen – wie Patienten gegenüber zentralplus berichten.  Es könne eben nur sein, dass man unter Umständen einige Zeit warten müsse.

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