Zecken-Infektionen steigen

Vormarsch der Zecke: Hohe Dunkelziffer der FSME-Fälle

Kann je nachdem ganz schön ungesund werden für den Gestochenen: Eine Zecke auf ihrem Essen. (Bild: Fotolia)

Ein Zeckenbiss kann die Infektionskrankheit FSME übertragen. Die Auswirkungen der Krankheit können dramatisch sein. Ein Zeckenexperte sagt, welches relativ einfache Mittel gegen eine Ansteckung hilft.

Kaum Haare auf dem Körper, viel exponiertes Fleisch – und genug auf den Rippen: Der Mensch ist ein perfektes «Beutetier» für die Zecke. Waldspaziergänger, Wiesen-Picknickerinnen oder Forstangestellte sind eine Einladung für das garstige Insekt, das es liebt, sich festzubeissen. Tatsächlich nehmen sowohl die Zahl der Zeckenbisse als auch die Zahl der Krankheiten zu, die durch das gemeine Viech übertragen werden.

Bis auf Genf und Tessin gelten alle Schweizer Kantone mittlerweile als Risikogebiete für FSME. FSME, kurz für Frühsommer-Meningoenzephalitis, ist eine der primär zwei zeckenübertragenen Krankheiten, die der Bevölkerung und den Fachleuten in der Schweiz Kummer bereiten. Daneben stellt auch die durch Bakterien verursachte Krankheit Borreliose die Mediziner vor eine Herausforderung.

Zunahme von FSME

Gerade bezüglich Frühsommer-Meningoenzephalitis hat das Bundesamt für Gesundheit eigenen Angaben zufolge in den letzten fünf Jahren eine Zunahme der Fälle beobachtet. Die jährlichen Fallzahlen in der Schweiz bewegen sich zwischen 100 und 250 Fällen.

Wie sieht es in der Zentralschweiz aus? So viel vorweg: Die Zahlen der als «sicher, wahrscheinlich oder möglich» klassierten Fälle für den Kanton Zug sind so tief, dass sie kaum aufschlussreich sind. Sie schwanken seit 2016 zwischen einem und fünf Fällen (2020) pro Jahr. Eine Erhöhung der Zahlen kann in Luzern eher beobachtet werden. Doch auch hier sind sie volatil. Während 2014 und 2015 je acht FSME-Fälle bekannt wurden, waren es 2020 rekordhohe 38. Im Jahr 2022 wiederum waren es «nur» 17.

Fälle von Borreliose und weiteren zeckenübertragenen Krankheiten werden vom Bund hingegen nicht erfasst. Die Krankheit ist nicht meldepflichtig. Nur die akuten Fälle sind im System erfasst. Doch schätzt der Bund gemäss Hochrechnungen des Hausarzt-Netzwerkes Sentinella, dass sich die Zahl – mit wenigen Ausschlägen – seit 2008 auf einem ähnlichen Niveau bewegt. Die Zahl der geschätzten Fälle liegt in der Schweiz laut BAG jährlich bei rund 10'000 Fällen.

Zuger Kantonsarzt geht von bedeutender Dunkelziffer aus

Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri geht von einer bedeutenden Dunkelziffer bei den Fallzahlen aus. Er sagt auf Anfrage: «Die Zahlen des Bundes sind grundsätzlich mit Vorbehalt zu geniessen. Auch wenn man keine Symptome zeigt, kann es sein, dass man bei einem Zeckenstich mit einem Virus oder einem Bakterium infiziert wurde.» Ein milder Krankheitsverlauf oder ein gutes Immunsystem könnten jedoch verhindern, dass ein Fall in der Statistik auftritt. «Nur jene FSME-Fälle etwa, die von einem Arzt festgestellt werden, sind aufgrund der Meldepflicht in der Statistik erfasst», sagt Hauri. «Es handelt sich also eher um Minimalzahlen.»

Vor einigen Jahren galt etwa der Steinhauserwald noch als gefährlicher Hotspot für zeckenübertragene Krankheiten. Heute sei das nicht mehr so, erklärt der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri: «Die Konzentration der dortigen Fälle wurde damals über einen längeren Zeitraum kumuliert erfasst und war dadurch statistisch nicht unbedingt aussagekräftig.»

Zeckenfrei sind nur Orte oberhalb von 2000 Metern

Felix Ineichen, Arbeitsarzt bei der Suva und Spezialist für Zeckenstiche, erklärt: «Man kann schon feststellen, dass sich Zecken potenziell an immer mehr Orten in der Schweiz wohlfühlen. Früher galten Orte über 1500 Metern als zeckenfrei, heute muss man sich bereits auf Gegenden über 2000 Meter bewegen, um Ruhe zu haben.»

Es ist also Vorsicht geboten, egal wo. Bei einem Zeckenbiss in Panik zu verfallen, helfe jedoch nicht. Felix Ineichen sagt dazu: «5 bis 30, stellenweise bis 50 Prozent der hiesigen Zecken können Borrelien übertragen. Dennoch ist es nicht ratsam, bei einem Zeckenstich Antibiotika zu nehmen, allein aufgrund der Möglichkeit einer Infektion und ohne klaren Verdacht auf eine Borreliose.»

Denn: «Antibiotika sollte man grundsätzlich nicht zu häufig einnehmen, da sonst die Wirksamkeit auf Dauer nachlässt. Ausserdem gibt es eine sehr gute Möglichkeit, Borreliose mit einer anderen Methode zu verhindern.»

Die da wäre? «Indem man seinen Körper abends gut nach Zecken absucht. Bis Borrelien nach einem Stich von der Zecke bis in unseren Körper gelangen, braucht es mindestens 12 Stunden. Das Risiko einer Infektion steigt, je länger eine Zecke am Körper ist.»

Wenige Zecken übertragen FSME, dafür ist die Krankheit gefährlich

Anders sei dies beim FSME-Virus. «Dort geht die Übertragung schnell. Es reicht diesbezüglich also nicht, wenn man die Zecke am Abend erst entfernt. Zwar tragen nur rund 0,5 Prozent der Zecken das Virus in sich, dennoch ist damit nicht zu spassen.» Eine Infektion mit Meningoenzephalitis ist alles andere als ein Klacks. «Das Virus führt im schlimmsten Fall zu einer Hirnhautentzündung, diese wiederum kann zum Tod führen. Gegen die Krankheit gibt es kein Heilmittel, sondern nur Möglichkeiten der Symptombekämpfung.»

Aber, so beschwichtigt Ineichen: «Dennoch gibt es auch hier eine Möglichkeit zum Schutz. Nämlich die FSME-Impfung, die sehr wirksam und ausserdem praktisch nebenwirkungsfrei ist.»

Neue Krankheiten auf dem Radar der Forscherinnen

Als wenn Borreliose und FSME nicht genug lästig wären: Es gibt auch weitere Krankheiten, welche die Biester in der Schweiz übertragen können. So etwa Tularämie oder auch das Alongshan-Virus, wie kürzlich bekannt wurde. «Bei Letzterem nimmt man an, dass dieses ähnliche Symptome verursachen kann wie das FSME-Virus. Es stammt auch aus der gleichen Familie der Viren.» Ineichen gibt zu bedenken: «Heute kann man noch nicht sagen, welche Bedeutung das Alongshan-Virus bei uns haben wird. Derzeit arbeiten Expertinnen an einer Möglichkeit, um das Virus einfach und schnell im Blut nachweisen zu können.»

Apropos: Seit einigen Jahren versuchen Forscher, einen Impfstoff gegen Borreliose auf den Markt zu bringen. «Ein Impfstoff, der bereits auf dem Markt war, wurde aufgrund von ungenügender Nachfrage und Nebenwirkungen wieder zurückgezogen. Es wird sicherlich noch ein paar Jahre dauern, bis ein neuer Impfstoff auf den Markt kommt.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Felix Ineichen
  • Telefonat mit Rudolf Hauri
  • Bericht der Universität Zürich
  • Zahlen des BAG zur FSME-Übertragung in Zug und Luzern
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 14.07.2023, 11:26 Uhr

    Man müsste halt einen lockdown für Wälder verhängen. Bei solchen Dunkelziffern!

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