Zur Entlastung der «Profis»

Stadt Luzern sucht freiwillige Helfer als Beistand

Regina Wildi ist die Leiterin der Fachstelle «private Beistandspersonen». Sie suchen Menschen, welche sich gerne für die Region einsetzen. (Bild: PLU)

Kommst du aus Luzern und möchtest etwas Gutes für die Menschen in deiner Region tun? Die Stadt sucht unter anderem Leute, die als privater Beistand helfen möchten. Allerdings ist das ein ziemlich anspruchsvoller Job für Freiwillige.

In der Freizeit nur vor der Glotze hocken und Chips mampfen? Das kann es irgendwie auch nicht sein. Diese Zeit kann auch durchaus für etwas Sinnvolles genutzt werden. Die Stadt Luzern hat da vor kurzem einen Vorschlag gemacht. Warum sich nicht in der Freizeit für Menschen aus unserer Region einsetzen? Während der Pandemie hat es mit der Freiwilligenarbeit ja nicht so schlecht funktioniert (zentralplus berichtete).

Die Stadt Luzern sucht unter anderem Menschen, die sich als privater Beistand für andere Personen einsetzen. Aber auch Personen, welche Menschen beim Lesen, Schreiben oder der Wohnungssuche helfen wollen. An einem Dienstagabend hat dazu die Stadt Interessierte ins Stadthaus eingeladen und über die nicht alltägliche Freiwilligenarbeit informiert.

Acht Personen haben sich angemeldet, am Ende tauchen sieben im Sitzungszimmer Gütsch auf. Verköstigt mit Mineralwasser und Schöggeli, lauschen die Anwesenden den Referentinnen zu, einige machen sich fleissig Notizen.

Privater Beistand – kein Schoggi-Job

Auch wenn es Schoggi auf den Tischen hatte, ein Schoggi-Job ist es sicherlich nicht, privater Beistand zu sein. Diese freiwillige Arbeit ist spannend und herausfordernd, sagt Regina Wildi, Leiterin der Fachstelle private Beistandspersonen: «Sie haben eine wichtige Aufgabe. Typischerweise geht es darum, die Einkommens- und Vermögensverwaltung der zugeteilten Personen zu machen.»

Einen Beistand bekommen Menschen, welche aufgrund einer Behinderung, Erkrankung, Unerfahrenheit oder altershalber in ihrem Alltag nicht selbstständig zurechtkommen. Wenn diese in ihrem privaten Umfeld keine Unterstützung bekommen, kann die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eine Beistandschaft einsetzen.

«Ich habe damals keine guten Erfahrungen als Beistand gemacht.»

Peter Gaus, ehemaliger Beistand

Es gibt berufliche Beistände, welche von den Behörden gestellt werden können. Die Privatpersonen leisten eine wichtige Ergänzung. «Sie müssen sich vorstellen, dass ein Beistand vielleicht 80 Mandate betreut. Die Freiwilligen können sich da viel mehr Zeit nehmen, das ist sehr wertvoll», erklärt Wildi am Infoabend.

Keine Arbeit für jeden

Ein privater Beistand braucht ein breites Wissen. «Das geht von Finanz- und Buchhaltungswissen bis zum Umgang mit Behörden», sagt Wildi. Genau diese Aufgabenbreite hat allerdings auch seinen Reiz. «Es ist definitiv eine spannende Aufgabe. Die privaten Beistände können auch viel lernen.» Obendrauf gibt es einen kleinen Zustupf für die geleistete Arbeit. Die Liste der Voraussetzungen ist allerdings nicht gerade kurz.

  • Sozial- und Selbstkompetenz, Lebenserfahrung
  • Gute Allgemeinbildung, positive Lebenseinstellung
  • Einfühlungsvermögen und Toleranz gegenüber anderen Werthaltungen
  • Verschwiegenheit
  • Administrative und organisatorische Fähigkeiten sowie Kenntnisse in Einkommens- und Vermögensverwaltung, Buchhaltung, Steuern und Versicherungen
  • Gute Kommunikationsfähigkeiten sowie gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
  • Internetanschluss, PC-Anwendungskenntnisse
  • Erfahrung im Umgang mit Ämtern und Behörden
  • Zeitliche Verfügbarkeit und Bereitschaft, sich mehrere Jahre zu engagieren (mind. 4 Jahre)
  • Einwandfreier Leumund (Strafregister- und Betreibungsregisterauszug)

Als Beistand an die Grenzen gekommen

Einer, der sich an dem Abend informieren liess, ist Peter Gaus. Er wollte sich hauptsächlich über die Möglichkeit informierten, wie er als freiwilliger Helfer Menschen beim Lesen und Schreiben helfen kann. Auch dies ist in der Stadt Luzern möglich. Neben der Beistandstätigkeit wurde an dem Abend auch über solche Freiwilligenarbeit informiert. Als Beistand wollte er sich nicht (nochmals) melden. Er habe schon vor längerer Zeit als Beistand gearbeitet. «Ich habe damals keine guten Erfahrungen als Beistand gemacht.»

«Das war für mich enttäuschend. Ich habe auch keine guten Erinnerungen.»

Peter Gaus, freiwilliger Helfer

Nach seinen Aussagen war er nicht genügend auf die Aufgabe vorbereitet. «Ich wurde Beistand bei einer Familie mit islamischem Glauben. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass die Umgangsformen komplett anders sind», sagt uns Peter Gaus.

Ungefähr vier Monate war er Beistand in dieser Familie, danach musste er abbrechen. «Das war für mich enttäuschend. Ich habe auch keine guten Erinnerungen.» Unterdessen werden die Beistände anders geschult und ausgewählt.

Schreibhilfe oder Wohnungssuche

Neben der Freiwilligenarbeit als Beistand sucht die Stadt Luzern auch Menschen, welche zusammen mit bedürftigen Personen auf Wohnungssuche gehen. Ein Wohncoach sucht beispielsweise nach Lösungen, wenn eine fünfköpfige Familie in einer Zweizimmerwohnung leben muss. «Da lohnt es sich, wenn der Coach selber auch interessiert am Wohnungsmarkt ist. Also beispielsweise gerne nach Inseraten stöbert», sagt Brigitte Vonwil, Koordinatorin «Wohncoaching».

Der Schreibdienst hilft den Menschen, Texte zu verstehen und zu verfassen. «Das kann zum Beispiel eine Mieterinformation sein, die jemand nicht versteht», sagt Brigitte Vonwil. Aber auch spezielle Wünsche erreichen den Schreibdienst. «Ich erinnere mich, dass wir auch schon für jemanden einen Leserbrief für die Zeitung schreiben mussten», sagt Vonwil.

Was treibt Menschen an, sich freiwillig zu engagieren? Wir haben am Infoabend nachgefragt.

Verwendete Quellen
  • Homepage Sozialzentrum REX
  • Besuch des Informationsabends am 29. März 2022 im Stadthaus
  • Gespräche mit Teilnehmenden

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