Mit dem Rauchen aufhören: Wie’s durch eine «Horror-Hypnose» klappt
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«Hypnose läuft über positive Suggestionen», sagt Hypnotiseurin Barbara Müller-Kütt.
(Bild: ida)Ein Kettenraucher will von seinem Laster loskommen, doch zahlreiche Versuche scheiterten. Im zweiten Teil unserer Reportage versucht er sein Glück bei einer Luzerner Hypnotiseurin. Bei schweren Krankheiten kommt sogar eine «Horror-Hypnose» zum Einsatz.
«Irgendwann gehen meine Worte in den Hintergrund und werden zu einer Art Melodie.» Barbara Müller-Kütt sitzt in ihrer Praxis an der Töpferstrasse in Luzern. Vor ihr liegt David, seine Augen hält er geschlossen. Mit einer speziellen Stimmlage versucht die Hypnotiseurin, den 23-Jährigen in Trance zu versetzen.
Denn David hat genug vom Rauchen. Nikotinkaugummis, -pflaster, ein Besuch bei einem Heiltherapeuten – nichts funktionierte. Seit neun Jahren, in denen David bisher raucht, kam er nur drei Tage lang von seinem Laster weg (zentralplus berichtete). Nun versucht er per Hypnose, dem Rauchen ein Ende zu bereiten.
«Ich werde nun langsam von zehn bis eins runterzählen», erklingt wieder die Stimme Müller-Kütts. «Und mit jeder Zahl lässt du dich tiefer und tiefer gleiten.»
Neue rauchfreie Tagesstruktur
«Es ist jetzt genau die richtige Zeit. Die richtige Zeit, mit dem Rauchen aufzuhören. Es ist genau der richtige Zeitpunkt, das Rauchen für immer sein zu lassen», so Müller-Kütt während der Hypnosesitzung. Wie sie danach erklärt, sei es wichtig, zuvor die genauen Motivationsgründe zu klären.
«Hypnose wirkt nur dann, wenn der Klient etwas ändern will. Ansonsten wirft man nur Geld aus dem Fenster.»
Barbara Müller-Kütt, Luzerner Hypnotiseurin
Müller-Kütt therapiere nur Menschen, die auch einen Willen haben. Hypnose allein sei kein Zaubermittel: «Es wirkt nur dann, wenn der Klient etwas ändern will. Ansonsten wirft man nur Geld aus dem Fenster», stellt Müller-Kütt klar. «Wenn jemand kommt, weil der Partner zu Hause ständig wegen dem Rauchen herumnörgelt, funktioniert es in der Regel nicht.»
Auch den neuen Tagesablauf müsse man regeln. Gerade in den «toten Zeiten» herrsche die Gefahr, wieder zur Zigarette zu greifen. «Man muss jederzeit wissen, was man tut», so Müller-Kütt.
Positive Suggestionen im Kopf verankern
Während der Hypnosesitzung sagt Müller-Kütt immer wieder Sätze wie «Rauchen ist völlig unwichtig, uninteressant, egal und gleichgültig.» Oder: «Die letzte Zigarette ist ausgelöscht. Du gehst deinen Weg weiter und weiter. Deinen rauchfreien Weg.»
Die Raucherentwöhnung in der «Hypnowell»-Praxis von Barbara Müller-Kütt kostet 442 Franken. Nach einem Monat werde nachgefragt, ob der Klient noch rauchfrei sei. 75 Prozent aller Klienten sollen auch noch einen Monat nach der Hypnose rauchfrei geblieben sein.
Dem Klienten werden dabei persönliche und positiv formulierte Aussagen wie «Ich will wieder ohne Probleme Treppen steigen» oder «Ich will mehr Geld für mein Auto haben» ins Bewusstsein geredet. «Hypnose lauft über positive Suggestionen», so Müller-Kütt. Die persönlichen Sätze würden sich dadurch in den Hirnzellen verfestigen, bis den Worten und Gedanken auch Taten folgen.
Also ist Hypnotisieren nicht viel mehr als gutes Zureden? «Hypnotisieren ist gute Kommunikation», sagt auch Müller-Kütt. «Dennoch kann nicht jeder einen anderen Menschen in Trance versetzen.» Von Hypnosetherapeuten, die in einer Woche ihre Ausbildung erlangt haben, hält sie nichts.
Bei Hardcore-Rauchern, die nach der ersten Hypnose nicht mit Rauchen aufhören, setzt Müller-Kütt übrigens auf zwei weitere Methoden. In einer ersten wird die erste Zigarette aufgelöst. Der Raucher versetzt sich in die damalige Situation, in der er zum ersten Mal rauchte – und soll sich nun bewusst dagegen entscheiden.
Funktioniert auch dies nicht, kommt die nach Müller-Kütt benannte «Horror-Hypnose» zum Einsatz. In dieser wird dem Klienten suggeriert, dass in ihm ein Tausendfüssler lebe, den er – sobald er Nikotin inhaliere – zum Leben erwecke. «Auf diese Methode greife ich aber nur zurück, wenn der Klient von einer schwerwiegenden Krankheit betroffen ist», so Müller-Kütt. Denn auch ihr mache diese Sitzung keinen Spass.
Klient konnte sich nicht mehr bewegen
Hypnotisieren habe nichts mit Mystik und dem Bild eines Guru-mässigen Mike Shivas zu tun. «Ich möchte mich klar von der Show-Hypnose abgrenzen», stellt Müller-Kütt klar. Um jemanden in Trance zu versetzen, brauche es keine tiefe Hypnose. Bereits der Alpha-Zustand reiche dazu aus. Den erreiche man, wenn man tief entspannt auf dem Sofa liege und körperlich vollkommen entspannt sei.
«In diesem Alpha-Zustand kann man sogar noch daran denken, wie man die Steuererklärung ausfüllen muss», so Müller-Kütt. Und diesen Zustand wolle man bei der therapeutischen Hypnose erzielen. Der Klient solle sich zwar während der Sitzung komplett entspannen, jedoch noch bei vollem Bewusstsein sein. «Dennoch geht es bei Hypnose ein wenig um Manipulation», so die Worte Müller-Kütts. «Aber Klienten kommen auch zu mir, weil sie etwas ändern wollen.»
«Boah», so die Worte Davids, als die Hypnotiseurin bis zehn zählt, um ihn aus der Trance zu holen. «Ich konnte mich gar nicht mehr bewegen. Selbst dann nicht, als es mich im Gesicht gejuckt hat.» Nun muss er die Hypnosesitzung, die Müller-Kütt aufgezeichnet hat, täglich von Neuem anhören. Bis sich diese Gedanken fest in seinem Innern verankert haben.
Ob es David schafft, rauchfrei zu werden? Das erfahren Sie in einem dritten und letzten Beitrag.
(Bild: ida)