Bewohner erhalten öffentliche Unterstützung

Luzerner Eichwäldli: Für den Quartierverein ist ein baldiger Abriss voreilig

Dass die alte Soldatenstube bei der Allmend offen ist, wird auch von der Quartierbevölkerung geschätzt. (Bild: ida)

Die Fronten zwischen den Bewohnern der alten Soldatenstube und der Stadt Luzern sind verhärtet. Während die Stadt beim Abriss aufs Tempo drückt und mit der Physik und Geologie argumentiert, will der Quartierverein nochmals das Gespräch suchen. Denn einen Abriss würde er grundsätzlich bedauern.

Die Bewohner der alten Soldatenstube am Rand der Luzerner Allmend wollen im Gebäude bleiben und ihr Projekt weiterführen. Dies trotz der Aufforderung der Stadt, das Haus spätestens am 31. Januar zu verlassen.

Letzte Woche bekräftigten sie ihre Absicht an einer Medienkonferenz und wiederholten ihren Standpunkt: Mit der Ansicht der Stadt, dass das Gebäude nicht zu sanieren sei, sind sie nicht einverstanden. Und sie behalten sich vor, das «Eichwäldli» erneut zu besetzen (zentralplus berichtete).

Rückendeckung vom Quartierverein

Obwohl in der Causa mittlerweile viel Geschirr zerschlagen worden ist und die Absichten der «Eichwäldler» einige bissige Kommentare und Reaktionen in der Bevölkerung und der Politik provozierten, geniesst das Projekt nach wie vor Support. Und dieser kommt sogar aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Am Freitag hat der Quartierverein Obergrund einen Brief an Stadträtin Manuela Jost (GLP) geschickt. Dieser dürfte Anfang nächster Woche auf dem Schreibtisch der Baudirektorin liegen.

«Wir können den momentanen Zeitdruck nicht nachvollziehen.»

Quartierverein Obergrund

Bereits vor dem Verfassen des Schreibens haben die beiden Co-Präsidenten des Quartiervereins, Andreas Gervasi und Samuel Sieber, gegenüber zentralplus ihre Sicht der Dinge im Fall «Eichwäldli» dargelegt.

Fazit: Aus ihrer Optik wäre das Verschwinden der alten Soldatenstube mitsamt seiner Bewohnerinnen ein Verlust. Obwohl man davon ausgehe, «dass sich in nächster Zeit beim Eichwäldli einiges verändern wird, vor allem bezüglich der angedachten Zwischennutzungen».

Mit einer Botschaft richtet sich die Eichwäldli-Familie an die Passanten.

Kein Verständnis für das Vorgehen der Stadt

«Das Projekt Eichwäldli schafft tatsächlich einen Mehrwert für das Quartier, der allerdings weniger finanzieller als vielmehr soziokultureller Art ist», so Gervasi und Sieber. Die Möglichkeit, eine autonome Wohnform in einem aus historischen Gründen erhaltenswerten Gebäude zu leben, sowie die kulturellen Aktivitäten seien für das Quartier bereichernd.

Auf diesen Standpunkt stellt sich bekanntlich auch die Eichwäldli-Familie bei ihrer Weigerung, das Haus zu verlassen. Beim Quartierverein heisst es an die Adresse der Stadt dazu: «Wir können den momentanen Zeitdruck nicht nachvollziehen und erachten den Abriss – vor der abschliessenden Klärung der Weiternutzung des Gesamtareals – als wenig sinnhaft und allenfalls sogar kontraproduktiv.»

Für Quartierverein sind die Bewohner keine Besetzer

Wie die beiden weiter festhalten, standen auch sie im Kontakt mit der Stadt, um zu klären, wie und ob der Erhalt des Eichwäldli möglich wäre oder ob ein Abbruch gerechtfertigt ist. «Diesbezüglich sind die Informationen mehrdeutig. Unserer Meinung nach könnte die Soldatenstube bei genügend gutem Willen der Stadt durchaus noch so lange fortgeführt werden, bis die später geplante Zwischennutzung des gesamten Areals Eichwald geklärt und aufgegleist wird», so Sieber und Gervasi.

Im Gegensatz zu vielen in der Öffentlichkeit und den Medien möchte der Quartierverein bei den Eichwäldli-Bewohnern aufgrund der positiven Erfahrungen nicht von Besetzern sprechen. «Die Familie Eichwäldli war unseres Wissens während langer Zeit in Kontakt mit der Stadt, verfügte über Bewilligungen und Vertragsentwürfe für eine längere Dauer», führen Sieber und Gervasi aus. «In diesem Sinne liegt auch keine Besetzung vor.»

Stadt: «Sanierung wäre so teuer wie ein Neubau»

Ob die Stadt nach der Intervention des Quartiervereins auf ihren Abrissentscheid zurückkommen wird, ist allerdings fraglich. Auch wenn die Bewohnerinnen ein eigenes Gutachten haben erstellen lassen, das eine Sanierung als möglich einschätzt, und sie den Aufwand dafür selber tragen würden, wie sie immer wieder betonten.

Grund: Die Kosten für eine Sanierung, die eine längerfristige Nutzung mit Einwilligung der Stadt erlauben würde, dürften in die Millionen gehen, schätzt Marko Virant, Leiter der Dienstabteilung Immobilien bei der Stadtverwaltung. Denn dafür müsste das Gebäude laut Architekten und Ingenieuren, die es im Auftrag der Stadt untersucht haben, zurück- und danach wieder neu aufgebaut werden.

«Das Ganze käme letztlich einem Neubau ähnlich», sagt Virant. «Dafür müssten diverse Auflagen erfüllt werden, zum Beispiel im Bereich Energieeffizienz. Dies würde das Projekt am Schluss teurer machen als ein kompletter Neubau», rechnet er vor.

Bei der Sicherheit will Stadt keine Kompromisse eingehen

Ausserdem bleibe aufgrund architektonischer und geologischer Aspekte nicht mehr viel die Zeit. «Wegen der schlechten Gründung in einem instabilen Untergrund und des ständig wechselnden Grundwasserspiegels sinkt der Holzbau kontinuierlich ab.» Und weil es mehrmals mit Gebäudeteilen erweitert wurde, die unterschiedliche Fundamente haben, gerate das Gesamtgebäude mehr und mehr in Schieflage. Messungen würden ausserdem zeigen, dass sich das Haus langsam um die eigene Achse dreht.

Das Haus wurde mit Stützen verstärkt (rechts).

Ist das Gutachten der «Eichwäldler» für den Entschluss der Stadt also irrelevant? «Wenn ein seriöses Gutachten zum Schluss kommt, dass ein Gebäude nicht mehr saniert und gesichert werden kann, muss es ernst genommen werden», sagt Virant dazu. Wenn es um die Sicherheit geht, könne ein solches Gutachten nicht einfach durch ein «weniger warnendes», wie jenes der Eichwäldli-Familie, aufgehoben werden.

Obwohl es im Leben natürlich nie eine hundertprozentige Sicherheit gebe, «gehört es zu den Grundaufgaben staatlichen Handelns, erkennbare Risiken abzuwenden», sagt Virant mit Nachdruck. Einblick in das Papier der Bewohner der Soldatenstube habe er bislang nie erhalten.

Bei den Verhandlungen ging es nie um Geld

Der Eichwäldi-Familie wird immer wieder vorgeworfen, dass sie das Haus in erster Linie deshalb bewohnen möchte, weil sie nichts dafür bezahlen will. Umsonst gab es die Soldatenstube für sie aber nie. «Die Bewohnerinnen bewohnen das Gebäude nicht gratis, weil sie nichts für Wohnraum bezahlen wollen, sondern weil das Gebäude nicht mehr in einem vermietbaren Zustand ist», sagt Marko Virant von der Stadt Luzern. Aus Gründen der Fairness habe die Stadt folglich auf eine Miete verzichtet.

Die Familie Eichwäldli bezahle aber Nebenkosten für Gas, Wasser und Strom direkt. «Für weitere Nebenkosten wie die Verwaltung, die Versicherung, bauliche Stabilisierungsmassnahmen sowie für die Bewegungsmessungen des Gebäudes oder die Gutachten mussten die Bewohner hingegen nicht aufkommen», so Virant. Die Forderung nach Gratiswohnraum habe er so folglich nie vernommen. Weder als es um die Nutzung der ehemaligen Soldatenstube noch als es um eine mögliche Alternative für die Zukunft ging.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hugo Ball
    Hugo Ball, 07.12.2020, 07:34 Uhr

    Werden gewisse Personen oder Gruppen aus politischen Überlegungen willkürlich und ohne rechtsstaatliche Grundlage bevorzugt, reden sonst die hier direkt Betroffenen als Allererste und marktschreierisch von Diskriminierung u.ä. Selber (Selbstbestimmt?) nimmt man dann aber in Relation zu anderen Mietern (also, die welche Miete tatsächlich bezahlen) der Stadtluzerner Finanzliegenschaften, also de facto Eigentum der Öffentlichkeit, diese Privilegien ganz gerne und undankbar in Anspruch. Dasselbe gilt natürlich auch für die vielfältigen Gratisparkplätze rund ums Haus! Aber ja, mit der Proklamation der «offenen Herzen» ist man für eine moralische Sonderstellung natürlich prädestiniert!

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  • Profilfoto von E. Landolt
    E. Landolt, 06.12.2020, 16:52 Uhr

    Lieber Quartierverein,
    Danke dass ihr euch für die Fam. Eichwäldli einsetzt.
    Ich bin total eurer Meinung.
    Es sind keine vergammelten Besetzer. Überhaupt nicht! Diese jungen Menschen gehen einem Beruf nach. Sie engagieren sich für Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Sie teilen ihr Mahl. Im Frühling als gar nichts mehr ging, verteilten sie Lebensnotwendiges.
    Sie engagieren sich im Quartier und gar in der Pfarrgemeinde. Jetzt im Advent gestalten sie ein Adventsfenster.
    Lassen wir sie doch endlich in Ruhe! ihre Vision von einem anderen Leben, vielleicht für einige einem kleinen Stück Himmel, leben.

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