Früherer Zuger Stadtrat verurteilt

Kein Betrug: 4,5 Jahre für Ivo Romer im Zuger Politprozess

Ivo Romer auf dem Weg zum Gericht. Er gibt sich cool und hat  fast nichts gesagt am Prozess.

(Bild: mbe.)

Viereinhalb Jahre Gefängnis: Das Zuger Strafgericht sprach heute das Verdikt gegen den früheren Zuger Stadtrat Ivo Romer. Er habe eine Witwe um rund zwei Millionen Franken gebracht und das Geld für eigene Zwecke verwendet. Von einem anderen gravierenden Vorwurf hingegen wurde er freigesprochen. 

Der 52-Jährige ist wegen Urkundenfälschung, Veruntreuung und ungetreuer Geschäftsbesorgung schuldig gesprochen worden. Es gab Freisprüche für verschiedene Vorwürfe, unter anderem auch wegen versuchten Betruges. Damit fiel auch das Strafmass deutlicher tiefer aus, die Staatsanwaltschaft hatte 6 Jahre und 10 Monate gefordert. Für eine höhere Strafe fehlten dem Gericht die Beweise.

Schadenersatz für Privatkläger

Romer muss den Nachkommen der Witwe knapp 2 Millionen zurückzahlen. Er hat gemäss dem Gericht die vermögende Baslerin um mehrere Millionen gebracht (zentralplus berichtete). Dazu kommt eine Prozessentschädigung von 33’699 Franken. Weiter muss der Ex-Stadtrat der von ihm verwalteten De Beaufort-Bubeck-Wolfensberger-Stiftung (in Liquidation) total 1,87 Millionen Franken zurückzahlen.

Das ist nicht alles: Romer muss zwei Drittel der Verfahrenskosten tragen, darunter eine Entscheidgebühr von 20’000 Franken. Überdies muss er dem Staat zwei Drittel der Kosten seines amtlichen Verteidigers von 77’000 Franken zurückzahlen, und zwar «sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben».

Romer Pass weggenommen

Die Pass- und Schriftensperre gegen Romer wird verlängert. Vermutlich auch, weil der frühere Stadtrat ein Haus in Südafrika besitzen soll. Ob er das Urteil akzeptiert oder weiterziehen wird, ist derzeit offen. Weder Romer noch sein Pflichtverteidiger Matthys Hausheer wollten sich gegenüber den Medien äussern.

Begründung des Strafmasses

Am Dienstagmorgen begründete das dreiköpfige Kollegialgericht sein Urteil. Rund 30 Personen verfolgten die Urteilseröffnung, darunter auch die Kinder der verstorbenen Millionärin. Ivo Romer erschien erst auf den letzten Drücker im Gerichtsgebäude, leger gekleidet in Jeans und Hemd, wie am Prozess im Sommer. Er schwieg die ganze Zeit und nahm das Urteil scheinbar ungerührt zur Kenntnis.

Vorwürfe an Zuger Behörden

Die Frage, wer allenfalls Mitverantwortung trug, dass die Sache nicht früher ans Licht kam, hat der PUK-Bericht geklärt. Oder doch nicht? Der Anwalt der Kinder der verstorbenen Millionärin, Michele Caratsch, wirft den Zuger Behörden vor, zu spät tätig geworden zu sein. «Damals hätte man noch etwas unternehmen können, als Frau de Beaufort noch lebte», sagt Caratsch zu zentralplus. «Man hat aber einfach auf die andere Seite geschaut.» Sechs Jahre nach ihrem Tod sei klar, dass strafrechtliche Taten begangen worden seien. Die Privatkläger seien zufrieden, dass nun ein Urteil gefällt wurde. Um die Länge der Strafe gehe es ihnen nicht. Ob Caratsch in Berufung geht, ist noch offen. Ein Sohn der Millionärin, der in Holland lebende Jan Hendrik de Beaufort, verlangt überdies Antworten vom Zuger Stadtparlament und von Stadtpräsident Dolfi Müller auf seine Fragen zum PUK-Bericht (siehe Interview im Video). «Die Unschuldsvermutung ist jetzt weg», sagt er.

Die Verfahrensleiterin Svea Anlauf erklärte, es sei ein reiner Indizienprozess gewesen, da Romer die Aussagen verweigert habe – was sein Recht sei – und die geschädigte Millionärin Alice Erika de Beaufort 2011 verstarb. Harte Fakten seien nur die Belege über die Geldflüsse vom Bankkonto der Verstorbenen sowie die Eingänge auf dem Konto von Ivo Romers Fidustra AG und seinem Privatkonto gewesen.

Niemand ausser Romer selbst sei Zeuge gewesen, wie sich die Millionärin zur Verwendung ihres Geldes geäussert habe.

Verschiedene Freisprüche

Freigesprochen wurde Romer von verschiedensten Vorwürfen. Zum einen sind einige kleinere Bezüge und Überweisungen inzwischen verjährt. Das Gericht sprach Romer ebenfalls frei von Vorwürfen der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung und Geschäftsbesorgung betreffend verschiedener Bargeldbezüge 2007 und 2008 sowie Überweisungen und Wertschriftenverkäufe. Auch vom Vorwurf des versuchten Betrugs und der Geldwäscherei wurde Romer freigesprochen.

Einer der Privatkläger fordert Antworten zum Zuger PUK-Bericht:

 

Die rechtliche Lage bei den Bargeldbezügen ab dem Jahr 2008 sieht das Gericht anders als die beiden Staatsanwältinnen, weil das Bankkonto der Frau von da an mit Geld aus der Familienstiftung alimentiert wurde.

Das Vermögen der Frau sei dadurch nicht mehr geschädigt worden; das sei Stiftungsgeld gewesen. Auch andere Delikte, von denen der Ex-Stadtrat freigesprochen wurde, betreffen die Stiftung.

Im Denken klare Frau

Das Gericht beurteilt den Gesundheits- und Geisteszustand der Millionärin ebenfalls anders als die Staatsanwaltschaft (und die Familie). Ihre Sehfähigkeit sei ab 2008 schlechter gewesen, mit der Lupe habe sie aber noch lesen können. Dass sie Dokumente der UBS unterschrieb, welche Romer teilweise entlasten, und wusste, was sie tat, sieht das Gericht als erwiesen an.

«Wir haben das Bild einer resoluten, selbstbestimmten und im Denken klaren Frau. Das spricht eher gegen die von der Staatsanwaltschaft geschilderte Hörigkeit.»
Svea Anlauf, Strafrichterin

Zum Geisteszustand stützt sich das Gericht auf die Diagnose des Zuger Facharztes Emmanuel Hoffer ab. Dieses habe ergeben, dass die Dame im hohen Alter noch «sehr differenzierte kognitive Fähigkeiten» hatte. «Wir haben das Bild einer resoluten, selbstbestimmten und im Denken klaren Frau», sagte die Richterin, «das spricht eher gegen die von der Staatsanwaltschaft geschilderte Hörigkeit.»

Ivo Romer als «sechstes Kind»

Bis 2008 habe sie ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern gehabt. Dann sei sie erbost gewesen, weil diese sie unter Vormundschaft stellen wollten, habe Hausverbote erteilt. Später habe sich das Verhältnis gebessert. Ivo Romer sei auch schon als «ihr sechstes Kind» bezeichnet worden.

Glaubhaft sei eine von der Frau unterschriebene Erklärung, dass sie Barschenkungen über 1,5 Millionen Franken genehmigt habe. Sie sei eine grosszügige Frau gewesen. Nur wer diese Schenkungen erhalten habe – oder hätte erhalten sollen –, sei unklar.

Schwerster Vorwurf Veruntreuung

Zum Strafmass erklärte Anlauf, der schwerste Vorwurf sei die mehrfache qualifizierte Veruntreuung des Vermögens der Frau. Romer habe sich in gut drei Jahren rund zwei Millionen Franken vom Vermögen der Millionärin angeeignet und für eigene Zwecke verwendet. «Dieses Tatverschulden ist erheblich», sagte Anlauf.

Das Vermögen der Frau habe sich Ende 2005 auf 6,7 Millionen Franken belaufen, am 16. Oktober 2008 seien noch 266’000 Franken auf ihrem UBS-Konto gelegen. «Das Gericht sagt nicht, dass der Beschuldigte den Differenzbetrag veruntreut hat. «Aber am Deliktsbetrag von rund zwei Millionen hat er sich bedient.»

Später Geld aus Familien-Stiftung

Ab 2008 sei das UBS-Konto der Millionärin dann mit Geld aus der Familien-Stiftung alimentiert worden. Mit dem Geld habe auch der Lebensunterhalt der hochbetagten Frau bestritten werden müssen, die eine AHV von rund 2000 Franken erhielt.

Kurz vor ihrem Tod, 2011, seien vom dahingeschmolzenen Vermögen noch 15’000 Franken übrig gewesen. «Laut Aussagen des Butlers stapelten sich tonnenweise Mahnungen.» Der Butler habe Ivo Romer förmlich anbetteln müssen, damit wenigstens die Kosten für die Pflege beglichen werden konnten.

Ivo Romer habe damit nicht nur seine Pflichten als Vermögensverwalter missbraucht, sondern auch die Nähe und das Vertrauensverhältnis zu Frau de Beaufort ausgenützt, so die Strafrichterin. Es sei ihm leicht gemacht worden, diese Taten zu begehen.

Romer habe eine Vielzahl von fiktiven Rechnungen und Honorarerträgen verbucht, um zu verschleiern, dass er sich am Vermögen der Millionärin bediente.

Delikte wegen Stiftung weniger stark gewichtet

Die Delikte zulasten der von der Millionärin gegründeten Familien-Stiftung, welche das Andenken der Familie aufrechterhalten sollte, sieht das Gericht anders als die Anklage als «nicht schwer» oder «eher leicht» an. Dort geht es um 1,8 Millionen Franken. Die Stifterin habe es Romer schwer gemacht, sich hier an den Rechtsweg zu halten. Es sei davon auszugehen, dass sie ihm immer reingeredet habe.

«Seinen Job und sein Familienleben hat er aufs Spiel gesetzt, als er deliktisch handelte.»
Svea Anlauf

Bei der Höhe des Strafmasses spielt auch die Person des Täters und sein Verhalten in der Untersuchung eine Rolle. Laut Svea Anlauf hat Ivo Romer weder Einsicht noch Reue gezeigt. «Obwohl Erklärungen angesichts der vielen Beweise denkbar gewesen wären.»

Dass sich Romer seit 2012 nichts mehr habe zuschulden kommen lassen, habe keinen Einfluss. Auch gebe es keine Strafempfindlichkeit zu berücksichtigen. Zu den familiären Umständen befand das Gericht, der Sohn sei volljährig, die Tochter ebenfalls bald. Und im Übrigen: «Seinen Job und sein Familienleben hat er aufs Spiel gesetzt, als er deliktisch handelte.»

Medienschelte

Die Richterin kam ausserdem noch auf den «Weltwoche»-Artikel von 2012 zu sprechen, der die Vorwürfe gegen den damaligen Stadtrat Romer 2012 publik gemacht hatte. Die Frage war, ob es sich dabei um eine mediale Vorverurteilung handelte, die strafmindernd sein kann.

Romer sei korrekt mit den Vorwürfen konfrontiert worden. Die Zeitschrift habe aus der Strafanzeige der Familie zitiert. Allerdings in direkter Rede und nicht indirekter Rede. Dadurch sei für den Leser nicht klar gewesen, dass es sich bei den Vorwürfen nicht um Tatsachen handle. Das Gericht kam zum Schluss, dass es sich um eine «leichte Rechtsverletzung» seitens der Zeitschrift handle.

Der Anwalt der Privatkläger Michele Caratsch, gibt Interviews. «Jetzt ist klar, dass strafrechtliche Taten verübt wurden.»

Der Anwalt der Privatkläger Michele Caratsch, gibt Interviews. «Jetzt ist klar, dass strafrechtliche Taten verübt wurden.»

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