Zuger Ex-Stadtrat steht heute erneut vor Gericht

Ivo Romer: «Ich fühle mich als Bürger zweiter Klasse behandelt»

Ivo Romer (links) und sein Pflichtverteidiger Matthys Hausheer betreten das Gerichtsgebäude.

(Bild: Archiv / mam)

Am Donnerstag hat der Berufungsprozess gegen den ehemaligen FDP-Stadtrat Ivo Romer am Obergericht Zug begonnen. Romer ist diesmal ein wenig gesprächiger, spricht von «Blödsinn» und Fehlinformationen. Zu den eigentlichen Vorwürfen sagte er bisher nichts.

Das Medieninteresse ist gross am gefallenen Ex-Stadtrat. Fotografen und Gerichtsberichterstatter von regionalen und nationalen Medien warten schon frühmorgens bei Kälte und Regen vor dem Eingang des Obergerichts.

Ivo Romer und sein Zuger Pflichtverteidiger kommen wie bereits am ersten Prozess in letzter Minute. Durch den Haupt- und nicht durch den Nebeneingang. Sie ignorieren die Medienvertreter und betreten das Gebäude. Diese knipsen durchs Fenster weiter; Fotos im Inneren des Gerichtsgebäudes sind nicht erlaubt.

Grosses Interesse

Rund 30 Personen sind am Prozess anwesend: der Beschuldigte und sein Anwalt, die beiden Staatsanwältinnen von der Abteilung für Wirtschaftsdelikte, Familienangehörige der verstorbenen Witwe und deren Anwälte sowie ein Dutzend Zuschauer.

Bei Ivo Romer ist im Vergleich zu früheren Terminen dieses langen Verfahrens keine Veränderung auszumachen. Er trägt diesmal einen braunen Anzug, dazu Jeans und ein Casual-Hemd.

Das dreiköpfige Gericht unter dem Vorsitz von Paul Kuhn stellt sich vor, erklärt den Ablauf des Berufungsprozesses. Bestritten wird das erstinstanzliche Urteil des Zuger Strafgerichts (zentralplus berichtete). Es verurteilte Romer zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren wegen mehrfacher qualifizierter Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung.

Zudem soll er 1,9 Millionen Franken an die Familie der geschädigten Frau und 1,8 Millionen Franken an die Stiftung zahlen. Vom Vorwurf des Betrugs wurde Romer freigesprochen. Das wird von den Privatklägern bestritten, die eine Verurteilung verlangen. Die Staatsanwaltschaft will, dass der ehemalige Stadtzuger Finanzvorstand wegen Geldwäscherei verurteilt wird.

Ivo Romer und sein Anwalt hingegen verlangen einen vollen Freispruch.

Romers persönliche Verhältnisse

«Ja!», ist die erste Wortmeldung des prominenten Angeklagten. Kuhn fragte ihn, ob er den Ablauf verstanden habe. Hat er. Romer sitzt sehr aufrecht in der vordersten Reihe im Gerichtssaal. Rechts von ihm sein Verteidiger Matthys Hausheer. Links ein freier Stuhl – zwischen Romer und den beiden Staatsanwältinnen. Seine Adresse? «Korrekt.»

Ivo Romer und sein Verteidiger am Obergericht. Der Prozess begann um 8.30 Uhr. (Bild: mam)

Romer sagt, er wohne mit seinen beiden Kindern im Einfamilienhaus in Zug. Das Haus gehört den Kindern, er müsse keine Miete zahlen. Er bestätigt, eine Lebenspartnerin zu haben, die aber nicht mit ihm zusammenwohnt.

Romers tiefe Stimme klingt monoton, wenn er antwortet. Er wirkt genervt und müde. «Ich verdiene rund 500 bis 1’000 Franken im Monat», sagt er. Weitere regelmässige Einkünfte habe er nicht. Aber Privatschulden von rund 150’000 Franken.

«Wenn es mir darum gegangen wäre, abzuhauen, hätte ich das auch mit der ID tun können.»
Der Beschuldigte Ivo Romer vor Gericht

Nur Reisen mit ID möglich

«Sind Sie in der Vergangenheit ins Ausland gereist?», fragt Paul Kuhn in nettem Ton. «Ja, ich war in Österreich, Spanien und Deutschland. Ferienreisen», sagt Ivo Romer. Ob ihn die Passsperre im Alltag behindere, fragt Kuhn. «Ja, ich fühle mich als Bürger zweiter Klasse. Wenn es mir darum gegangen wäre, abzuhauen, hätte ich das auch mit der ID tun können», sagt Romer.

Dazu muss man wissen: Romer hat zwar keinen Pass, die ID wird ihm aber ausgehändigt, wenn er fragt. Er kann also faktisch nur in Europa reisen.

Mit Südafrika habe er keine Kontakte mehr, erklärte er. Dort hatte Romer ein Grundstück im Wert von 250’000 Franken. Man wirft ihm im Verfahren vor, dieses Grundstück mit Geld der verstorbenen Millionärin gekauft zu haben und es – mitten im Verfahren hinter dem Rücken der Untersuchungsbehörden – verkauft und den Erlös von 85’000 Franken eingesteckt zu haben.

«Wie sehen Sie Ihre Zukunft?» «Jeder Tag ist eine Herausforderung», erklärt der ehemalige Stadtrat.

Keine Aussage zu Vorwürfen

Nun folgt ein Schnitt, es geht um die strafrechtlichen Vorwürfe. Romer muss nicht antworten und tut dies auch nicht. «Keine Angabe», lautet seine Standardantwort. Da können die drei Richter fragen, was sie wollen.

Einzig auf die Frage, ob er Alice de Beaufort-Bubeck geraten habe, gewisse Sachen nicht zu tun, antwortet er mit «Ja». Ein Beispiel? «Nein.» Als man ihn fragt, ob das Strafgericht falsch geurteilt hat, sagt Ivo Romer nichts und verweist auf die Akten seines Anwalts.

Zu den Vorwürfen der Veruntreuung der Stiftung, deren einziger Stiftungsrat Ivo Romer war, bohren die Richter noch nach. Ob er denn fachlich qualifiziert gewesen sei, wollen sie wissen. Und stellen weitere Fragen. Romer antwortet, das sei alles «Blödsinn».

Der Gerichtsvorsitzende Paul Kuhn weist Romer darauf hin, dass er am Schluss des ersten Prozesses von «böswilligen Unterstellungen» sprach. Er könne das nun ausführen. Romers Antwort: «Ich habe bis zum Lesen des Urteils gar nicht gewusst, dass ich reformiert bin und dass mir der Fahrausweis auf unbestimmte Zeit weggenommen wurde. Das sind nur zwei Beispiele!» Ansonsten verweist er auf den Anwalt.

– Siehe auch Fortsetzungsartikel vom Prozess.

– Das Urteil des Obergerichts wird voraussichtlich im Frühling 2018 folgen.

Fall Romer: Chronologie der wichtigsten Ereignisse

2004: Ivo Romer lernt als UBS-Angestellter die 89-jährige vermögende Witwe Alice de Beaufort-Bubeck kennen und gewinnt ihr Vertrauen. Er beginnt sich um ihr Vermögen zu kümmern.

2006: Romer wird nach einer internen Untersuchung, die nicht nach aussen dringt, von der UBS Zug freigestellt. Er betreut die Frau von da an als privater Vermögensverwalter.

2009: FDP-Stadtrat Ulrich Straub tritt zurück. Ivo Romer ist der erste und einzige Ersatzkandidat der FDP und wird vom Stadtrat als gewählt erklärt.

September 2011: Alice de Beaufort-Bubeck stirbt im Alter von 96 Jahren. Von ihrem Vermögen von rund 6 Millionen Franken sind auf ihrem Privatkonto noch rund 15’000 Franken übrig. Auch eine von ihr errichtete Familienstiftung in Basel ist pleite.

April 2012: Die Kinder der verstorbenen Millionärin erstatten Anzeige gegen Ivo Romer. Die Vorwürfe: Veruntreuung, betrügerischer Missbrauch, Urkundenfälschung und Geldwäscherei.

November 2012: Es wird bekannt, dass die Zuger Staatsanwaltschaft gegen den damaligen FDP-Stadtrat und Finanzvorstand Ivo Romer ermittelt.

Dezember 2012: Romer tritt von seinem Amt per sofort zurück.

August 2014: Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) des Zuger Parlaments kommt zum Schluss, dass Romer nicht systematisch seitens des Zuger Stadtrats oder von Mitgliedern der Vormundschaftsbehörde bewusst oder aktiv geschützt wurde.
Kritik übt die PUK jedoch an der Vormundschaftsbehörde und Sozialvorsteher Andreas Bossard (CSP). Sie habe 2010 zu wenig Druck auf Romer ausgeübt, als die Angehörigen meldeten, dass Romer die Rechnungen für Pflegeleistungen nicht mehr bezahle.

August 2015: Die Zuger Staatsanwaltschaft hat ihre Untersuchungen nach drei Jahren abgeschlossen. Es wird ein Indizienprozess, weil Romer grösstenteils die Aussagen verweigerte.

Juli 2016: Prozess am Strafgericht Zug

Februar 2017: Mündliche Urteilseröffnung. Das Zuger Strafgericht verurteilt Romer zu einer Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren. Romer und sein Zuger Pflichtverteidiger Matthys Hausheer legen Berufung ein. Privatkläger und die Staatsanwaltschaft legen Anschlussberufung ein (siehe Box).

14. Dezember 2017: Berufungsprozess vor dem Zuger Obergericht. Alle Seiten im Verfahren haben Berufung eingelegt, alles ist wieder offen.

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