16 Jahre Zwergplanet – #PlutoforPlanet

Ein Herz für Pluto

Pluto beschäftigt auch noch 16 Jahre nach seiner «Degradierung» zum Zwergplaneten. (Bild: NASA)

Im Luzerner Planetarium reist man bald noch schneller zum Pluto. Auch wenn sein Planetenstatus nun schon 16 Jahre Geschichte ist, beschäftigt er noch immer. Nicht nur Astronominnen, sondern auch Soziologen.

«Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten.»
Falsch.
«Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel.»

Sechzehn Jahre ist es bereits her, seit Pluto seinen Planetenstatus verlor. Es war der 24. August 2006. Es war der sonnenärmste August seit über hundert Jahren, im Kino lief eine romantische Komödie mit der jungen Lindsay Lohan. Es scheint so lange her.

2’500 Astronominnen aus der ganzen Welt waren zur Versammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in Prag angereist. Bei der Abstimmung, gemäss welcher Pluto 70 Jahre nach seiner Entdeckung den Planetenstatus aberkannt wurde, waren 411 Personen anwesend. 237 waren dafür, 157 dagegen, 17 Enthaltungen.

Die Fraktion «Pluto for Planet»

Der Grund für die Aberkennung des Planetenstatus lag dabei in einem neuen Kriterium: Wer Planet sein will, muss bei seiner Reise um die Sonne immer und überall freie Bahn haben. Wer das nicht hat, wird zu den Zwergplaneten gezählt. So auch Pluto. Ihm kommen bei seiner Sonnenumrundung, die beinahe 250 Jahre dauert, ein paar Objekte aus dem sogenannten Kuiper-Gürtel in die Quere.

Doch damit wollten und wollen sich so einige Astronomen nicht abfinden. Thomas Kraupe, Chef des Hamburger Planetariums, beispielsweise gründete die Aktion #PlutoforPlanet, und NASA-Administrator Jim Bridenstine liess sich zitieren: «Aus meiner Sicht ist Pluto ein Planet. Dabei bleibe ich, so habe ich es gelernt.»

Ein definitiv ungewöhnliches Argument aus dem Munde eines Wissenschaftlers: «Das war schon immer so und deshalb bleibt es auch so.» Da könnte man das mit der Wissenschaft dann theoretisch auch gleich bleiben lassen.

«Ich brauche kein Label für die Faszination für Pluto.»

Marc Horat, Astrophysiker und Leiter des Planetariums in Luzern

Marc Horat, Astrophysiker und Leiter des Planetariums in Luzern, sieht das Thema entspannt. «Ich brauche kein Label für die Faszination für Pluto», sagt Horat, der das Planetarium seit über acht Jahren führt (zentralplus berichtete). Es sei ein spannender Zwergplanet, ein Doppelzwergplanet gar, da einer seiner Monde halb so gross wie er selbst sei. Und da erst vor wenigen Jahren die Sonde New Horizons an ihm vorbeigeflogen ist, habe man nun Hunderte von realen Oberflächenaufnahmen und viele neue Erkenntnisse gewinnen können.

Je nach Auslegung stützen diese Daten nun die Annahme, dass die extrem kalte Welt lebensfreundlich sein könnte. Sie zeigen Bergkämme aus Methaneis, oder auch eine herzförmige Struktur auf der Oberfläche. In diesem Herz erstreckt sich ein Becken, durch das gewaltige Gletscher fliessen. Und wenn das Licht der fernen Sonne diese Ebene erwärmt, sublimiert ein Teil des Eises zu Dampf, schwebt nach oben und setzt sich am Ende des Pluto-Tages wieder.

Kurator Marc Horat vor dem Eingang zum Planetarium des Verkehrshauses Luzern. (Bild: giw)

Spannende Erkenntnisse auf jeden Fall, auch ohne den Status Planet. Den Aktivismus für diesen sieht Horat zum Teil auch im amerikanischen Nationalstolz begründet – «Pluto ist der einzige Planet, der von einem Amerikaner entdeckt worden war. Nun haben sie keinen ‹eigenen› mehr.»

Es sei zudem keine neue Entwicklung, dass Planeten entdeckt würden und später klar werde, dass sie den Kriterien doch nicht entsprächen. So gab es im 19. Jahrhundert mit «Ceres» bereits eine Vorgängerin von Pluto – zwischen Mars und Jupiter gelegen. 1801 entdeckt, galt sie ein halbes Jahrhundert als neunter Planet, wurde in den 1850er-Jahren als Asteroid eingestuft, heute gilt sie wie Pluto als Zwergplanet.

Fakten- gegen Gefühlslage

«Aus praktischer Sicht machen die aktuellen Kriterien auf jeden Fall Sinn», sagt Marc Horat. Sonst hätte man mehrere weitere Zwergplaneten, die seit den 90er-Jahren entdeckt worden sind, auch in die Liste der Planeten aufnehmen müssen.

Alles logisch eigentlich. Und doch wollen trotzdem viele Menschen nicht akzeptieren – den amerikanischen Nationalstolz mal ausgeschlossen –, dass Pluto nicht mehr zu den Planeten gehört.

Bei Kindern liegt das offensichtlich oft daran, dass sie Objekten menschliche Eigenschaften zuschreiben und deshalb Mitleid haben mit dem kleinen Pluto, wie er da allein und traurig, so weit aussen seine Runden dreht – und jetzt nicht mal mehr zu den Planeten zählen darf.

«Wir sind nicht auf Veränderung erpicht.»

Christoph Hoffmann, Professor für Wissenschaftsforschung

Bei erwachsenen Menschen jedoch müsste ein gewisses Verständnis vorhanden sein. Es habe sich ja auch nicht das Objekt verändert, lediglich die Klassifizierung, betont Christoph Hoffmann, Professor für Wissenschaftsforschung an der Universität Luzern. «Und die Kriterien dazu sind Verabredungen unter Astronomen, keine, die aus dem Kosmos selbst herausfliessen.»

Und natürlich sei eine Bewertung damit verknüpft, wenn man einen Planeten zum Zwergplanten «herunterstufe». «Ein Thema oder ein Objekt verliert an Bedeutung, wenn es eine Stufe der Systematik weiter unten steht – und damit verliert es auch an Aufmerksamkeit.»

Pluto – eine Herzensangelegenheit? Das markante Herz des Zwergplaneten ist aus vielen Perspektiven sichtbar. (Bild: NASA)

Es sei auch nicht überraschend, dass Menschen Widerstand leisteten, wenn sie Gewohnheiten verändern müssten, so Hoffmann. «Wir sind nicht auf Veränderung erpicht.» Da verhalte sich der Mensch genauso wie in anderen Lebensbereichen. «Die Wissenschaft ist nichts Besonderes.»

Nichts bleibt, wie es war

Die emotionale Reaktion auf die Veränderung von Plutos Planetenstatus weise aber auch auf ein drastisches Missverständnis der Wissenschaft hin, schrieb die Astronomie- und Physik-Professorin Kristine Larsen: «Wissenschaft ist eine nie endende Suche nach Antworten sowie die Suche nach neuen und besseren Fragen.» Ja, Lehrbücher müssten geändert werden, so Larsen: «Das haben sie in der gesamten Wissenschaftsgeschichte.»

Umso schneller sich Wissenschaft und Medien entfalten, umso mehr lösen neue Erkenntnisse Abwehrreaktionen aus. «Doch als Mitglieder einer technologischen Gesellschaft müssen wir lernen, mit ständigem Wandel umzugehen, was zugegebenermassen nicht immer bequem ist», so Larsen.

Täglich massenhaft Material aus dem All

Astronomische Entdeckungen passierten heutzutage so schnell und rasant, dass Lehrbücher veraltet seien, bevor die Tinte trockne. Für Larsen ist selbstverständlich: «Wenn der Unterricht beginnt, werde ich den ersten Tag des Unterrichts so einleiten, wie ich es normalerweise tue – mit der Warnung, dass sich 10 Prozent dessen, was ich den Schülern beibringen werde, letztendlich als falsch erweisen könnte – eine eher konservative Schätzung.»

Im Luzerner Planetarium steht diesen September ein Umbau bevor, der diesen täglich neuen Erkenntnissen entgegenkommen wird. Neben einer neuen Bühne wird dabei die Ton- und Projektionstechnik mit neuer Hardware und Software auf den neuesten Stand gebracht. Mit der erhöhten Rechenleistung kann das Planetarium die riesigen Datensätze aus der Forschung künftig visualisieren, so Marc Horat.

Und wer nicht unbedingt Pluto, aber doch einen neunten Planeten vermisst, dem sei gesagt: Da die Bahnen von weiter entfernten Asteroiden auf einen solchen hinweisen, läuft die Suche nach ihm schon seit Jahren intensiv.

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