Wie zu Zeiten von Ritter Rudolf

Diese Burgen lassen sich in Luzern und Zug erobern

Die Burg Nünegg verdankt ihren Namen ihrer neuneckigen Form. (Bild: Mirjam Oertli)

Eine Burgruine reizt die Fantasie wie kein anderes Bauwerk. So führt der Ausflug zur gut erhaltenen Nünegg nicht nur nach Lieli ins Seetal, sondern auch direkt ins ritterliche Mittelalter. Es ist nicht die einzige Burg, die sich in Luzern und Zug erobern lässt.

Majestätisch thront sie auf der kleinen Anhöhe. Über der Mauerkrone sammeln sich Wolken am sonst blauen Himmel, was ihrer Silhouette etwas Verwegenes gibt. Und mit ihrem uralten Gemäuer strahlt sie eine Erhabenheit aus, wie sie unversehrten Bauten selten innewohnt: die Burgruine Nünegg im luzernischen Lieli.

Es ist still hier an diesem Frühlingsnachmittag. Nur das Zirpen der Grillen und das Summen einer Hummel sind zu hören, während wir die Betontreppe zur Ruine erklimmen. Flink stapft der kleine «Ritter», der mich begleitet, die gut zwei Dutzend Stufen hoch. Immerhin: Oben wartet nichts weniger als das Mittelalter. Ein orangefarbener Schmetterling schwebt lautlos dem Mauerwerk entlang. Wir folgen ihm und stehen bald vor einer imposanten Öffnung: dem Burgtor, das nun den Blick ins Innere des massiven Gemäuers freigibt.

Burgruine Nünegg
Von der Aussichtsplattform der Burg Nünegg blickt man über das Luzerner Seetal. (Bild: Mirjam Oertli)

Prunkvolles Leben

Hier also haben sie gewohnt, diese Herren von Lieli. Sie sollen die Nünegg einst gebaut und in ihr in Saus und Braus gelebt haben. Luxuriös jedenfalls. Vom einstigen Prunk ist für das ungeübte Auge zwar jetzt nicht mehr viel zu sehen. Doch Infotafeln mit Visualisierungen verhelfen unserer Fantasie zu recht konkreten Vorstellungen des damaligen Lebens.

«Die Leute, die hier residierten, haben ihren Stand gern demonstriert», erklärt es einer, der den geübten Blick professionalisiert hat: der Luzerner Kantonsarchäologe Jürg Manser. Es sei gut sichtbar, dass die Nünegg keine Verteidigungsburg, sondern eine Wohnburg mit repräsentativen Räumen war. «Das zeigen zum Beispiel die vielen grossen Fenster, auch im unteren Teil der Mauer. Für die Verteidigung wären sie ungünstig gewesen.» Auch sehe man noch heute gut, dass die Balken nah beieinander gelegen hätten. Sie mussten also viel Gewicht tragen, etwa schwere Kachelöfen.

Die Suche nach dem Siegel

Das Spiel «Das verschwundene Siegel» animiert mit Infos und Quizfragen dazu, die Burgruine Nünegg zu erkunden. Kinder, Familien und Schulklassen können Ritter Johann, Erbin Elisabeth oder dem Knappen Burkhard dabei helfen, das Siegel zu suchen.
Das Spiel ist eines von verschiedenen Abenteuern von «Kulturabenteuer Seetal», einem Vermittlungsprojekt der Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Luzern und der Pädagogischen Hochschule Luzern.

Von den Eidgenossen zerstört

Die Idee warmer Kachelöfen scheint gerade recht anheimelnd, nun da wir in den kühlen Mauern frösteln. Und die imaginären Schwerter bleiben erst einmal gesenkt: nichts mit Verteidigung. Dafür zählt der Miniritter an meiner Seite nun die Öffnungen im Gemäuer. Einst waren sie gemütliche Sitznischenfenster. Ihre Zahl benötigen wir fürs Spiel «Das verschwundene Siegel»: Ritter Johann von Lieli hat sein Siegel verloren, wie wir daraus erfahren. Er bräuchte es aber dringend, um seine Tochter Elisabeth mit dem Ritter Rudolf von Schönau zu vermählen. 

Ritter Rudolf von Schönau? Das klingt wie ein Name aus einem Rittermärchen. Oder eben: eine Fantasiefigur aus dem erwähnten Spiel… Doch diesen Rudolf gab es wirklich. Und sein Schicksal war eng mit jenem der Nünegg verknüpft. Tatsächlich gelangte die Burg nämlich durch Heirat mit Elisabeth in Rudolfs Besitz. Als Rudolf aber im Sempacherkrieg mit den Habsburgern gegen die Eidgenossen kämpfte, setzten die Luzerner die Nünegg im Frühling 1386 in Brand. Wenig später, im Juli des gleichen Jahres, fiel Rudolf in der Schlacht zu Sempach.

Hohe Bauqualität im Mittelalter

Die Nünegg dagegen überdauerte die Jahrhunderte – wenn auch seither als Ruine. Intakt war sie davor übrigens nur hundert Jahre lang. Einem erhaltenen Holzbalken ist es zu verdanken, dass man ihre Bauzeit recht exakt auf das Ende des 13. Jahrhunderts datieren kann.

Es spreche wohl für die Qualität mittelalterlicher Bauten, dass das Gemäuer so lange überdauerte: «Solche Mauern vertragen einiges», sagt Manser und erinnert an die meterdicken Durchmesser. Doch vor einigen Jahren lösten sich immer wieder Steine. Die letzte Renovation lag Jahrzehnte zurück und die Nünegg war akut einsturzgefährdet. «Eine umfassende Konservierung wurde nötig, um sie für die kommenden Generationen zu erhalten», sagt Manser, der die Arbeiten dazu begleitete.

Burgruine Nünegg
Blick ins Innere der Burg. (Bild: Mirjam Oertli)

Burg mit Aussicht

Seither führt im Innern des Turms auch eine stählerne Wendeltreppe nach oben. Hier liegen einem die satten Wiesen des Seetals zu Füssen. Weiter hinten lässt sich der Baldeggersee ausmachen, links der Pilatus. «I’m the king of the world», möchte man rufen. Oder eben «the knight». Auch ein erhobenes Schwert würde dazu jetzt gut passen. Die Idee jedenfalls, den Turm im Rahmen der Konservierung begehbar zu machen und mit einer Aussichtsplattform zu bestücken, ergibt auf einmal viel Sinn.

Neben dem Blick in die Ferne lohnt sich auch jener ins Innere des heute – im Gegensatz zu früher – dachlosen Bauwerks. Der neuneckige Grundriss, der für die Burg namensgebend war, lässt sich von oben besser erkennen. Auch sieht man die Mauerkrone aus der Nähe. Und bemerkt die rinnenförmige Betonfüllung, die sie seit der Restaurierung hat. Zu wissen, weshalb, verhilft zu einem weiteren Buchstaben zur Lösung des Siegel-Rätsels (nein, gespoilert wird nicht).

Nun ist noch der Code eines Zahlenschlosses zu knacken. Und schon bald haben wir das Siegel gefunden und können uns an der lauschigen Grillstelle im einstigen Burggraben über unsere ritterlichen Taten freuen.

Diese Burgen lassen sich erobern

In Luzern:

  • Alberswil – Burg Kastelen
    Im 13. Jahrhundert erbaute, im Bauernkrieg zerstörte Anlage. Der (sanierte) Turm kann bestiegen werden.
  • Beromünster – Burg Beromünster
    Turmburg aus dem 13. Jahrhundert, mitten im Flecken. Heute Heimatsmuseum.
  • Ettiswil – Schloss Wyher
    Malerisches Wasserschloss, 1304 erstmals erwähnt. Beliebter Ort für Veranstaltungen und Familienfeste.
  • Hitzkirch – Schloss Heidegg
    Wahrzeichen des Luzerner Seetals, etwas oberhalb von Gelfingen gelegen. Sehenswerter Rosengarten.
  • Hohenrain – Johanniterkommende
    Einstige Kommende des Johanniterordens, im 12. und 13. Jahrhundert errichtet. Der Burghof ist frei zugänglich.
  • Hohenrain – Burg Lieli (Nünegg)
    Ruine einer Burg aus dem 13. Jahrhundert. Neu restauriert.

In Zug:

  • Baar – Wildenburg
    Schöne Burganlage über dem Lorzentobel. Wurde um 1200 durch die Herren von Hünenberg erstellt. (zentralplus berichtete)
  • Hünenberg – Burg Hünenberg
    Ruine der im 13. Jahrhundert erbauten Stammburg der Herren von Hünenberg.
  • Zug – Burg Zug
    Eines der Wahrzeichen der Stadt. Die Anlage erhielt ab dem 13. Jahrhundert ihre heutige Form, die immer wieder leicht verändert wurde. Beherbergt heute das Museum Burg Zug.

Aufwändige Restauration der Burg Nünegg

2011 wurde die Nünegg für die Öffentlichkeit geschlossen, da die Mauer akut einsturzgefährdet war. Noch im gleichen Jahr ergriff der Kanton Luzern als Besitzer Notmassnahmen, wie etwa die Turmsicherung mit Ankern und Zugbändern.

In den Jahren 2014 und 2015 folgte eine umfassende Renovation. «Viele der Mauersteine hatten Risse», erinnert sich Kantonsarchäologe Jürg Manser, der die Konservierung begleitete. «Dies auch aufgrund der Hitze des Feuers, das die Burg im Jahr 1386 zerstört hatte.» Über die Jahre sei immer wieder Wasser in die Mauern und Steine eingedrungen. Das habe zu Frostschäden und zur Zersetzung des Mörtels geführt.

Teile der Mauer mussten gar ab- und wieder neu aufgebaut werden. Auch füllte man die Mauerkrone mit Beton – «wie einen Zahn, der eine Füllung braucht». Sie erhielt zudem die Form einer Rinne, um die Entwässerung sicherzustellen. «Die baulichen Herausforderungen waren enorm», so Manser, «zumal es keine Normen oder Lehrbücher für mittelalterliche Bauten gibt.» Ähnlichen Problemstellungen sei man am Megalithturm in Richensee begegnet, der zurzeit renoviert werde.

Die Konservierung der Nünegg kostete den Kanton 2,6 Millionen Franken. Die Begehbarmachung des Turms und die Aussichtsplattform wurden mit Stiftungsgeldern ermöglicht.

Dieser Artikel stammt von Mirjam Oertli und erschien zuerst im Magazin «Echt», Ausgabe Juni

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Groucho
    Groucho, 18.07.2022, 16:51 Uhr

    Es weckt die Jugenderinnerungen an die sonntäglichen Ausflüge von Luzern nach Lieli zu den Oehens im Wendelin und gegenüber zum Wohnsitz des Kunstmalers Bernegger… damit verbunden war immer auch der kurze Marsch zur Nünegg.
    Wenn ich den damaligen Zustand mit dem heutigen vergleiche, gebührt dem Kanton und der Stiftung ein herzlicher Dank für die Instandsetzung und Erhaltung.

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon