Arbeitsplätze ohne Tageslicht

«Lichtpausen» für das Zentralschweizer Verkaufspersonal?

«Kein Mangel an Licht», sagen die SBB. Der Abgang von der Post ins Railcity Luzern. (Bild: mbe.)

Die Arbeit in fensterlosen Räumen ohne Tageslicht kann krank und depressiv machen. Laut Arbeitsgesetz müssen Betriebe bauliche Massnahmen ergreifen oder ihren Angestellten Zusatzpausen gewähren. In Luzern passiert wenig in dieser Hinsicht. Die Unia fordert, dass die Unternehmen, und der Kanton als Kontrollinstanz, ihren Pflichten besser nachkommen.

Menschen brauchen ebenso wie Pflanzen Licht. Natürliches Licht. Betroffen sind vor allem Verkäuferinnen und Verkäufer in Warenhäusern, Einkaufszentren und unterirdischen Ladenpassagen. Der Betrieb muss bei solchen Arbeitsplatzbedingungen gemäss Gesetz kompensatorische Massnahmen ergreifen, sodass dem Gesundheitsschutz Genüge getan ist (siehe Infobox). Primär sind bauliche Änderungen nötig, falls realisierbar. Möglich ist aber auch, dass die Angestellten nur zu gewissen Zeiten in diesen fensterlosen Räumen arbeiten müssen oder man ihnen Zusatzpausen gewährt.

Lichtpausen gerichtlich durchgesetzt

Angestellte der Migros im «Shopville» unter dem Zürcher Hauptbahnhof haben sich das Recht auf eine 20-minütige Zusatzpause vor Gericht erstritten, berichtete der «Tages-Anzeiger». Das Zürcher Verwaltungsgericht entschied zugunsten des Arbeitnehmerschutzes. Bundesgerichtsurteile gibt es keine. Hat das Urteil aus Zürich trotzdem Präzedenzcharakter? Zuständig für die Umsetzung des Arbeitsrechts in Luzern ist das kantonale Arbeitsinspektorat. «Die Lichtfrage hat im Vollzug des Arbeitsgesetzes im Kanton Luzern seit jeher einen sehr hohen Stellenwert», teilt Arbeitsinspektor Kurt Schmid zentral+ mit. «Aufgrund des Urteils in Zürich wurden aber keine speziellen Schwerpunktkontrollen durchgeführt.»

Peter Schwander, Chef der Industrie- und Gewerbeaufsicht bei der Dienststelle Wirtschaft und Arbeit erklärt: «Wir müssen bei der Beurteilung von Bauprojekten im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens oder bei Betriebskontrollen ab und zu Situationen zu Kenntnis nehmen, bei denen die Sicht ins Freie oder die natürliche Beleuchtung beeinträchtigt sind. Die notwendigen Massnahmen zur Korrektur und Verbesserung der Situation werden für jeden Einzelfall gesondert definiert.»
Man orientiere sich dafür an der Seco-Wegleitung. Peter Schwander: «Dabei kann eine einzelne Massnahme oder eine ganze Palette von Verbesserungen zur Zielerreichung notwendig sein. Die Umsetzung der geforderten Massnahmen wird durch uns kontrolliert. Betroffene Betriebe kann Schwander keine benennen.

SBB: «Keine Auflagen und kein Mangel»

Die Situation des Bahnhofs Luzern ist nicht eins zu eins vergleichbar mit den vielen unterirdischen Ladenpassagen unter dem Zürcher Hauptbahnhof. Die Bahnhofshalle hat Tageslicht. «Wie kommen Sie darauf, dass wir einen Tageslicht-Mangel haben sollten in Luzern?», fragt Werner Widmer, Centerleiter des Bahnhofs Luzern. «Wir haben eine lichtdurchflutete Halle, die viele Läden unmittelbar belichtet. Die weiteren Läden befinden sich in unmittelbarer Nähe. Es bestehen keine Auflagen und somit auch kein Mangel.»

Giuseppe Rea, Regionalsekretär der Gewerkschaft Unia, stimmt Widmer nur teilweise zu. «Natürlich ist der Bahnhof Luzern nicht so schlimm. Es gibt Schlimmere. Aber an gewissen Orten in den Passagen ist es stockdunkel. Es ist nicht gesund, dort zu arbeiten.»

Was sagen Angestellte?

Die dunklen Läden liegen vor allem bei der Passage und der Rolltreppe zur alten Post. zentral+ hat einige besucht und die Angestellten nach ihrem Befinden gefragt. Die Filialleiterin der Reinigung «5-a-Sec» sagt, sie habe kein Problem, im Untergrund zu arbeiten. Man habe Schichten von sieben Stunden. «Wenn jemand einmal länger arbeitet, kann er eine halbe Stunde Pause machen und hinaus gehen», sagt sie.
«Man gewöhnt sich daran», findet Simone Ruckstuhl von der Bahnhof-Drogerie und -apotheke Benu. Geschäftsführer Walid Hachicha stellt fest, Sonnenlicht sei immer gut für die Gesundheit. «Wir haben einmal Pflanzen im Laden aufgestellt, aber sie sind eingegangen.»
Christoph Bachmann von der Confiserie Bachmann sagt: «Wir sind nie orientiert worden vom Kanton zu diesem Thema. Unsere Mitarbeiterinnen haben keine Zusatzpausen. Es gibt ja genug Licht in der Halle.»

Coop prüft Zusatzpausen

Ein grosser Detailhändler im Bahnhof Luzern ist Coop. Von dort erhielt die Unia schon Reklamationen. Der täglich bis 22 Uhr geöffnete Laden hat zwar Schaufenster, doch die Angestellten haben wenig davon, wenn sie im hintersten Bereich des Ladens arbeiten. «Man hat uns gesagt, wir könnten ja ab und zu zum Fenster gehen und rausschauen», sagt eine Verkäuferin zu zentral+. Die Angestellten haben morgens und nachmittags je eine halbe Stunde Pause sowie eine einstündige Mittagspause, in der sie rausgehen können. Lichtpausen werden ihnen nicht gewährt.
Das könnte sich ändern: «Wir sind laufend mit den Behörden in Kontakt und halten uns an die neue Wegleitung des Seco. Deshalb prüfen wir, welche Verkaufsstellen von der Thematik betroffen sind und allenfalls Lichtpausen respektive kompensatorische Massnahmen benötigen», schreibt Ramón Gander, Mediensprecher des Coop-Hauptsitzes.

Globus: Keine Lichtpausen

Im Globus an der Pilatusstrasse arbeiten viele Verkäuferinnen ohne Tageslicht. Globus gewährt laut Mediensprecher Jürg Welti keine Extra-Lichtpausen. Der Pausenraum im vierten Stock hat aber Tageslicht. Die Mitarbeiter würden angehalten, die Pausen auch wirklich einzuziehen und sich dort zu erholen. Für Rauchpausen und für die frische Luft hat der Pausenraum eine Terrasse. «Gut erholte Mitarbeiter sind uns wichtig», sagt Jürg Welti.

Laut Unia durchaus ein Thema

Laut Giuseppe Rea erhält die Gewerkschaft Unia immer wieder Beschwerden, und auch Anfragen, ob sie nicht etwas unternehmen könnten. Sich gemeinsam beschweren oder gar klagen will aber niemand. Dazu reicht der Mut nicht aus, zu gross ist die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren.
Die Unia betreute den Fall einer Verkäuferin, welche die Stelle wechseln musste wegen des Lichtmangels am Arbeitsplatz. Sie arbeitete früher in einem Geschäft im Emmen Center. «Ihr Körper konnte sich nicht einstellen auf die Dunkelheit, das ist ärztlich bestätigt.»
Das Emmen Center wurde von 1999 bis 2001 umgebaut und wirbt heute sogar mit seiner Tageslicht-Mall. Dennoch gibt es laut Rea auch dort immer noch Läden in den unteren Stockwerken, in denen die Angestellten kaum einen Sonnenstrahl sehen. Die Center-Leitung will dazu keine Stellung nehmen dazu und verweist an die eingemieteten Geschäfte.

Klagen aus Einkaufszentrum Zugerland

Klagen gab es laut der Unia ebenfalls aus dem Einkaufszentrum Zugerland in Steinhausen ZG, das von der Migros Luzern betrieben wird. «Uns sind solche Rückmeldungen nicht bekannt», sagt hingegen Mediensprecherin Rahel Probst von der Genossenschaft Migros Luzern. Die Mall sei lichtdurchflutet. Alle Personalräume der Migros Luzern hätten Tageslicht und auch der Aufenthaltsraum, den alle Mitarbeitenden der Geschäfte im «Zugerland» benützen dürfen.

Rahel Probst: «Der Migros Luzern, als Arbeitgeberin und Betreiberin des Einkaufszentrums, ist der Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden ein grosses Anliegen. Entsprechend wurde schon vor mehreren Jahren die Thematik Tageslicht überprüft. Die Gegebenheiten sind im ‹Zugerland› so, dass keine Zusatzmassnahmen getroffen werden müssen.»

Für die Gewerkschaft ist das Thema trotzdem nicht erledigt. «Es steht bei uns oben auf der Pendenzenliste», sagt Giuseppe Rea. «Entweder geht bald etwas oder wir werden die Arbeitgeber damit konfrontieren, dass sie das Arbeitsgesetz nicht einhalten.» Dynamische Arbeitgeber hätten jegliches Interesse daran, das Problem zu lösen. «Es ist für die Gesundheit der Angestellten gut und macht die Verkaufs-Branche attraktiver.»

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