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Anstrengende Momente mit dem kleinen Sonnenschein

Das ist doch nur so eine Phase …

Auf Schreiphasen folgen immer auch mal wieder sonnige Zeiten …

 

Begonnen hatte alles mit der «Ich dreh am Rad»-Phase. Danach kam die Nachtschreck-Phase, gefolgt von der «Sich behaupten»-Phase, der «Heute mein Freund, morgen mein Feind»-Phase, und dann auch noch die «Der andere ist schuld»-Phase. Noch schlimmer als die Launen unseres Neunjährigen waren aber oft die Reaktionen aus der Umgebung.

«Das esch nur en Phase!» Dieser Satz, meine lieben baldigen Erstlingseltern, werdet ihr bald ständig hören und wahrscheinlich irgendwann auch selbst des Öfteren sagen. Die erste sehr intensive Phase unseres Sohnes fing kurz nach seinem ersten Geburtstag an, die «Ich dreh am Rad»-Phase. Die war echt schräg. Er wollte an allem drehen, was rund war. Wirklich an allem! Es reichte schon ein einigermassen runder Joghurtfleck auf dem Tisch.

Nicht alles Runde lässt sich drehen

Damit kommen wir zum eigentlichen «Problem» dieser Phase, denn nicht alles, was rund ist, lässt sich auch drehen, was wiederum bei unserem Sohn zu riesigem Frust und entsprechenden Wutanfällen führte. Herrlich. Also haben wir ihm Spielzeug gekauft, welches man auf irgendeine Art und Weise drehen kann. War nicht die klügste Idee, denn der kleine Mann drehte nur noch an Rädchen und am Rad. Wie ein Besessener drehte er und wurde schlussendlich ebenfalls auch da so sauer, dass er vor lauter Frust versucht hat, sich in die kleinen Händchen zu beissen. Also haben wir all das, was man drehen konnte oder sonst rund war, weggeräumt. Jesses, vorher war mir nie aufgefallen, wie viele Sachen eine runde Form haben – ein schier unmögliches Unterfangen. Doch wir gaben unser Bestes, die Phase legte sich und er drehte danach wegen anderem am Rad.

Dann kam die Nachtschreck-Phase. Bevor ich Kinder hatte, wusste ich gar nicht, dass es so was gibt. Da wacht (oder eben eigentlich ja nicht) das eben noch so friedlich schlafende Kind plötzlich auf und verhält sich wie ein wild gewordenes Tier. Das war wirklich erschreckend. Das ging bis zu einer Stunde so, in der unser kleiner Sohn wie vom Teufel gebissen wütete. Wir konnten nichts anderes tun, als dafür zu sorgen, dass er sich selbst nicht weh tut, und warten. Warten, bis der Spuk vorbei war, der genau so schlagartig aufhörte, wie er gekommen war. Irgendwann war auch diese Phase vorbei und dann, dann kam sie! Die legendäre Autonomie-Phase.

Ohropax sehr erwünscht

Die war streng bei unserem Buben. Echt streng. Unser Sohn hatte die schöne Angewohnheit, lautstark zu kreischen, wenn ihm was nicht passte. Da wir ja von der Autonomie-Phase reden, weiss wohl so ziemlich jeder, wie oft einem Kind etwas nicht passt. Es war ein einziges «Göisskonzert».

Was aber wirklich schwierig ist an dieser Phase – oder eigentlich an fast allen Phasen –, sind nicht die Kinder, sondern die Mitmenschen. Da muss man, gerade als Mama, echt anfangen eine unglaubliche Coolness zu entwickeln und einen etwa fünf Meter dicken Schutzschild um sich aufzubauen. Denn viele der Grossen und ach so brutal weisen Menschen wissen bis heute noch nicht, dass das schreiende dreijährige Kind kein verwöhnter «Saugoof» ist, sondern gerade in dieser wirklich extrem wichtigen Phase steckt und die Eltern dem Kind kein «Kläbi» über den Mund kleben dürfen. Wobei: wollen wir wohl ab und zu schon, aber wir dürfen das nun einmal nicht.

Wir können uns auch nicht die ganze Zeit in der Wohnung verbarrikadieren, bis die Phase vorbei ist. Nein, wir müssen wohl oder übel am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und statt böse Blicke zu den sonst schon schwitzenden Eltern rüberzuwerfen, lächelt sie doch lieber an. Oder ignoriert es einfach. Damit tut ihr nicht nur den kämpfenden Eltern einen grossen Gefallen (solche Menschen waren in dieser Zeit immer meine persönlichen Helden des Tages). Sondern auch euch selbst, weil ihr euch in Toleranz und Gelassenheit übt, ihr somit mindestens neunzig Jahre alt werdet und dies erst noch glücklich. Auch ich muss mich immer wieder darin üben, zum Beispiel wenn ich abends in Luzern unterwegs bin und ein Polterabend johlend auf mich zukommt. Statt sie böse anzuschauen, verlasse ich einfach gelassen (und schnell wie Flash) den Ort des Grauens. Funktioniert super.

Nicht jedes Theater braucht Zuschauer

Einkaufen ist der Spiessrutenlaufen Deluxe. Das Anstehen an der Kasse kann sich innert Sekunden zu einem theatralischen Drama entwickeln, bei dem man eigentlich lieber keine Zuschauer hätte. Mein Tipp für den einigermassen stressfreien Einkauf mit Trotzkind: Nehmt einen Menschen mit, der zwei Meter hoch ist, und der soll das Kind huckepack tragen. Weit weg von Schoggi und Schläckstängel. So einen hatte ich leider nicht zu Hause im Schrank stehen und ich selbst habe eher die Grösse von Frodo.

Dann kam die Einschulung und somit die «Sich behaupten»-Phase, die «Heute mein Freund, morgen mein Feind»-Phase, die «Der andere ist schuld»-Phase, natürlich «Die Schule ist blöd»-Phase und ja manchmal gab es Zeiten, da war keine Phase eher die Phase. Aber trotz allem: Es war bis jetzt einfach eine tolle Zeit mit unseren Kindern und ein einziges Abenteuer. Man lernt sich selbst auch gut kennen, was manchmal auch ein wenig erschreckend sein kann. Unser Sohn hat letzte Woche seine erste Strafe bekommen, wegen Schwatzens ohne aufzustrecken. Er meinte darauf: «Kei Angscht, Mama. Das esch secher nur en Phase!» Na dann, auf geht’s!

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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