Luzerner SP-Kantonsrat über Tricks der Treuhänder

David Roth zeigt, wie einfach es ist, eine Briefkastenfirma zu gründen

«Das Schockierendste war nicht die Dreistigkeit der Ratschläge, sondern wie völlig normal die Treuhänder ihre Strategien erklärten», so David Roth. (Bild: ida)

Wie schwierig ist es eigentlich, eine Briefkastenfirma zu gründen? Genau diese Frage stellte sich David Roth. Der SP-Kantonsrat griff deswegen selbst zum Telefonhörer und rief Treuhandbüros an. Die Dreistigkeit sei schockierend, mit welcher Normalität die Treuhänder ihre Strategien erklärt hätten, so Roth.

«Wir sind hier mitten in einem Luzerner Wohnquartier. Hier wohnen ganz normale Leute, aber plötzlich sehen wir einen Briefkasten mit einer ganzen Liste von Firmen drauf. Und das ist ein ganz alltägliches Bild in Luzern», hören wir David Roth in einem Video erzählen.

Der SP-Kantonsrat stellte sich die Frage: Wie gründet man eigentlich eine Briefkastenfirma? Und wie schwierig ist das? Die Übungsanlage für ihn und sein Team sei einfach gewesen: Ein Online-Versandhandel mit Geschäftstätigkeit im Kanton Thurgau, möchte die Steuern lieber in Luzern bezahlen. Die beiden Chefs der Firma wohnen aber nicht in der Schweiz und möchten auch zu keinem Zeitpunkt nach Luzern kommen müssen.

Roth rief also mit seinem Team Treuhändern an, um sich vorgeblich beraten zu lassen. Das Telefongespräch wurde nachgesprochen und ist im Video Roths nachzuhören.

Für alle diese geschilderten Umstände hätten die Treuhandfirmen bei den Gesprächen Lösungen gefunden, schreibt Roth in einer Mitteilung. Ein Treuhänder stellt dem vermeintlichen Sneaker-Unternehmen eine Luzerner Adresse zur Verfügung. Nicht nur eine c/o-Adresse, sondern bei Bedarf biete das Treuhandbüro einen «virtuellen Unternehmensvertrag» an, indem dem Unternehmen ein Büro angeboten wird – wodurch man eine eigene Adresse erhält und in Luzern die Steuern zahlt.

Direktor mit Schweizer Wohnsitz wird zur Verfügung gestellt

Der Treuhänder beruhigt im englisch gesprochenen Telefongespräch zudem Roth und sein Team und sagt, dass die Steuerbehörde nicht unangemeldet vorbeikomme. Bei unangemeldeten Besuchern seien jedoch Leute an der Luzerner Büroadresse vor Ort, die den Besuchenden mitteilen würden, dass vom Sneaker-Unternehmen gerade niemand vor Ort sei. Weiter könnte das Treuhandbüro gar einen Direktor mit Schweizer Wohnsitz zur Verfügung stellen.

«Das Schockierendste war nicht die Dreistigkeit der Ratschläge, sondern wie völlig selbstverständlich die Treuhänder ihre Strategien erklärten.»

David Roth, SP-Kantonsrat

«Die Ergebnisse sind konsternierend für alle, die normal Steuern bezahlen», schreibt Roth in seiner Mitteilung weiter. Vor Kontrollen müssten sich die Firmen nicht fürchten, denn die Steuerbehörden würden ganz offensichtlich wegschauen, sofern diese Praxis überhaupt verboten sei. «Das Schockierendste war nicht die Dreistigkeit der Ratschläge, sondern wie völlig selbstverständlich die Treuhänder ihre Strategien erklärten. Das ist aber auch nicht verwunderlich – sie haben nichts zu befürchten.»

Dieses Phänomen, das Roth aufzeigt, ist nicht neu. Seit Jahren ist es umstritten und Teil der linken Kritik an der Tiefsteuerstrategie (zentralplus berichtete).

Roth, der für den Ständerat kandidiert, sagte in einem früheren Bericht, dass er lieber politische Inhalte aufs Tapet bringe, als den «Clown im Politzirkus» zu spielen (zentralplus berichtete). Auch so lässt sich Wahlkampf betreiben.

«Wir brauchen nicht mehr Briefkästen»

«Ich finde es unglaublich», hört man Roth im Video nach dem beendeten Telefongespräch mit dem Treuhänder sagen. «Es kann doch nicht sein, dass die Schweiz im Ausland die Steuern abziehen geht, und dass dann noch die Kantone versuchen, sich gegenseitig auszutricksen.»

Man brauche eine andere Wirtschaftspolitik, fordert Roth. Eine, die Steuern von allen Unternehmen erhalte und diese in die eigenen Stärken investieren kann. «Wir brauchen nicht mehr Briefkästen, wir brauchen mehr echte Unternehmen.»

Hier gibt's das ganze Telefongespräch nachzuhören:

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