Der Schattenmann in der Sportabteilung

Chefscout des FCL: «Eleke zu verkaufen war ein sportlicher Entscheid»

Einer guten ersten Saison im FCL-Dress liess Mittelstürmer Blessing Eleke eine schlechte zweite folgen: Seine sportliche Talfahrt erreichte im Cup-Eklat gegen YB ihren Tiefpunkt. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Sieben Neuzugänge auf die laufende Saison hin: In der Sommer-Transferperiode war beim FC Luzern einiges los. Sportchef Remo Meyer (40) konnte dabei auf einen Vertrauten zählen, der im Hintergrund arbeitet. Pasquale De Simone redet über das Vorgehen der Luzerner bei der Suche nach möglichen Verstärkungen.

Der 49-Jährige ehemalige Spieler des FC Luzern ist aktuell eine tragende Säule des Transfergeschäfts. Dennoch ist sein Name selbst den Fans der Luzerner nicht unbedingt geläufig: Die Rede ist von FCL-Chefscout Pasquale De Simone.

Der Grund dafür? Der «Schattenmann» verrichtet seine Arbeit im Hintergrund und ist viel unterwegs. Wir haben ihn aufgespürt und sprachen mit ihm über gutes Scouting, das Luzerner Schattenteam und Weltstar Zlatan Ibrahimovic.

zentralplus: Pasquale De Simone, viel Fussball schauen und für den Lieblingsverein arbeiten: Die Position des Chefscouts scheint ein Traumjob zu sein!

Pasquale De Simone: Sicher ist es ein Traumjob! (Er lacht.) Ich darf viele Stadien besuchen und viel Fussball schauen, das ist wunderbar. Es gibt aber auch noch eine Kehrseite der Medaille. Ein Spiel zu beobachten ist für mich nicht nur Genuss, sondern es braucht sehr hohe Konzentration und viel Vorbereitung. Ich muss die Spieler, auf die ich mich im Spiel fokussieren will, schon vorher genau kennen. Am nächsten Tag schaue ich mir den Match dann nochmals auf Video an, aber aus einem anderen Blickwinkel. 

zentralplus: Gibt Sportchef Remo Meyer vor, welche Spieler Sie beobachten müssen?

De Simone: Ich arbeite mit Remo eng zusammen und wir erstellen ein «Schattenteam», also eine ganze Mannschaft mit potenziellen Neuzugängen. Für jede Position im Kader haben wir gewisse Eigenschaften festgelegt, an denen wir uns orientieren. Interessante Spieler kommen dann auf eine Liste, auf die wir bei Bedarf zurückgreifen können. Ob wir am Ende aber einen Spieler mit Erfahrung oder einen mit Entwicklungspotenzial holen, bestimmt die Dynamik des aktuellen Kaders und das Angebot auf dem Transfermarkt. 

Pasquale De Simone ist der Chefscout des FC Luzern. (Bild: zvg)

zentralplus: Was gehört alles dazu, dass es ein Spieler auf diese Liste schafft?

De Simone: Wir versuchen, möglichst viel über einen Spieler herauszufinden. Der Besuch von mindestens einem Spiel und wenn möglich eines Trainings gehört dazu. Nebst den sportlichen Fähigkeiten ist für uns wichtig zu verstehen, wie sich der Spieler gegenüber seinen Mitspielern und Coaches verhält, wie er trainiert, wie er in der Gruppe funktioniert. Natürlich probieren wir auch, mit seinen ehemaligen Mitspielern und Coaches zu reden. Wir überprüfen zudem seine Interviews und werfen einen Blick auf seine Social-Media-Kanäle.

zentralplus: Und wer entscheidet zuletzt, welcher Spieler verpflichtet wird?

De Simone: Wenn wir unser Profil definiert haben, begebe ich mich mit Remo Meyer auf die Suche. Wir stellen dann eine Auswahl an Spielern zusammen, deren Verpflichtung realistisch ist. Am Ende entscheidet aber die Sportkommission (Sportchef, Cheftrainer, Geschäftsführer und Chefscout) und fällt einen gemeinsamen Entscheid.

zentralplus: Bei den Transfers von Blessing Eleke und Francesco Margiotta waren Sie noch nicht als Chefscout tätig. Leider entwickelten sich beide als Störfaktoren für den FCL. Können solche Fälle durch Ihr intensives Scouting verhindert werden?

De Simone: Bei diesen Transfers muss man sehen, dass beide sehr gute erste Saisons in Luzern gespielt haben. Bei Margiotta wussten wir zum Vornherein, dass er sehr ehrgeizig und zielstrebig ist. Dass sich die Situation in diese Richtung entwickelte, lag an mehreren Faktoren. Bei Eleke war es hingegen eine rein sportliche Entscheidung, ihn zu verkaufen.

«Transfersummen, die an die Öffentlichkeit dringen, sind nicht immer korrekt.»

FCL-Chefscout Pasquale De Simone

zentralplus: Wird ein gewisses Spielerprofil nach solchen Erfahrungen nun nicht mehr in Betracht gezogen?

De Simone: Das würde ich nicht sagen, nein. Primär wird der Fokus von uns auf das Sportliche gelegt. Wir sind ein kleiner Verein und müssen auf dem Transfermarkt gewisse Kompromisse eingehen, um gute Spieler zu holen. Wichtig ist herauszufinden, wie wir Spieler unterstützen können, damit sie sich auf und neben dem Platz zurechtfinden. Vor jedem Transfer besprechen wir deshalb gemeinsam, was ein Spieler brauchen könnte, damit er sich bei uns wohl fühlt. 

zentralplus: Vielfach werden Spieler heutzutage nur noch auf die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufssumme reduziert. Deshalb gab es auch Kritik nach dem Transfer von Blessing Eleke nach Belgien. Stört Sie das?

De Simone: Eleke hat einiges für den Verein geleistet, das wird vielfach ausgeblendet. Nur Einkaufs- und Verkaufszahlen zu vergleichen finde ich daher schwierig. Ausserdem sind die Transfersummen, die an die Öffentlichkeit dringen, nicht immer korrekt. Es ist letzten Endes auch die Frage, warum wir einen Spieler holen. Wollen wir ihn weiterentwickeln wie Yvan Alounga oder kommt ein erfahrener Profi wie Martin Frydek?

zentralplus: Wie bestimmen Sie bei einem Verkauf oder einer Verpflichtung den Marktwert eines Spielers?

De Simone: Das ist eine spannende Frage. Ein gutes Beispiel ist der 39-jährige Zlatan Ibrahimovic. Er ist immer noch ein sehr wichtiger Spieler für die AC Mailand, spielt wohl aber nicht weitere 10 Jahre auf diesem Niveau. Es ist sehr schwer, ein Preisschild für so einen Spieler zu definieren. Das Gleiche gilt auch für alle anderen Spieler. Grundsätzlich ist es aber einfache Marktwirtschaft: Angebot und Nachfrage. Deckt ein Spieler genau unsere Bedürfnisse, darf er auch etwas teurer sein – jedoch immer im Rahmen unseres Budgets.

«Es ist aber auch so, dass generell die Löhne der Spieler weltweit angepasst wurden.»

zentralplus: Der FCL ist und bleibt aber ein Ausbildungsverein und möchte Spieler teurer weiterverkaufen.

De Simone: Natürlich ist das ein Geschäftsmodell von uns, wir müssen auf diese Art und Weise Geld verdienen. An dieser Stelle muss ich auch ein grosses Lob an unsere Aktionäre aussprechen, die diesen Klub und sein grosses Umfeld mit ihren finanziellen Mitteln durch gute wie auch schlechte Zeiten tragen. 

zentralplus: Wie hat die Corona-Situation den Transfermarkt verändert?

De Simone: Der FCL hat Ausfälle bei den Einnahmen, das ist unbestritten und hat sicher einen Einfluss auf unser Budget. Es ist aber auch so, dass generell die Löhne weltweit angepasst wurden. Ich bemerke aber keine grundlegende Veränderung auf dem Transfermarkt. Gute Spieler sind nach wie vor sehr umworben.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Mathias Wyss
    Mathias Wyss, 01.01.2021, 10:14 Uhr

    Die Realität sieht anders aus bei den Zugängen: Frydek, Tasar, Sorgic. Da spielten weder ein Scout noch ein Chefscout eine Rolle. Warum werden die Spielerberater nicht erwähnt, die in diesen drei Fällen entscheidend waren? Alle drei Spieler stiessen erst nach Beginn der neuen Saison zum FCL, nämlich im Oktober.

    – Frydek wollte ins Ausland, der FCL war aber kaum erste Wahl. Mit Deutschland hats wohl nicht geklappt, u.a. weil er seinen Platz in der tschechischen Nationalmannschaft verloren hatte (letztes Spiel im März 2019).
    – Tasar begann die Saison bei Servette, flüchtete dann, weil er nicht Französisch lernen wollte, sich also nicht um die Integration bemühte. Also persönliche, nicht sportliche Gründe.
    – Sorgic begann die Saison bei Auxerre, spürte aber, dass man nicht mehr auf ihn setzte, weshalb ein Wechsel zurück zu seinem früheren Verein naheliegend war.

    Und da der FCL unter Druck die Abgänge von Eleke, Margiotta u.a. kompensieren musste und auch einen Linksverteidiger brauchte (die sowieso rar sind), fand man sich schnell. Ganz ohne Scouts.

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