FCL-Präsident über die Folgen der Corona-Krise

Philipp Studhalter: «Diese Generation hat eine Horizonterweiterung erfahren»

FCL-Präsident Philipp Studhalter und sein operatives Team haben auch neben dem Fussballplatz ein paar Gegentore kassiert. (Bild: bic)

Der FC Luzern ist seit fast elf Monaten ein Gefangener der Corona-Krise. Die Zuschauer dürfen ihn nicht in der Swissporarena besuchen. FCL-Präsident Philipp Studhalter sagt, wie der Klub die Fans bei der Stange halten will, welches Privileg er noch hat – und ob künftig nur ins Stadion gelassen wird, wer geimpft ist.

Weil die Luzerner Fussballer und deren Betreuer nach mehreren Corona-Ansteckungen in die Quarantäne mussten, geht ihr Rückrunden-Start am Donnerstag gegen Servette mit mehr als einer Woche Verspätung über die Bühne. Die FCL-Spiele gegen Lugano, St. Gallen und Vaduz mussten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Zeit, um mit Philipp Studhalter die Auswirkungen der Corona-Krise auf den FC Luzern, seine Fans und die Gesellschaft zu erörtern.

zentralplus: Philipp Studhalter, bald einmal sind elf Monate Corona-Pandemie vorbei. Gab es in dieser Zeit einen Moment, der Ihnen wegen der veränderten Aufgabenstellung in die Glieder gefahren ist?

Philipp Studhalter: Über Weihnachten konnten wir das operative Geschäft zurückfahren, derweil die strategischen Gedanken weiterhin im Kopf zirkulierten. Das war so ein Moment, in dem dir bewusst wurde, vor welcher Aufgabe wir weiterhin stehen. Aber eigentlich sind wir als Organisation ja seit Ausbruch des Corona-Virus permanenten Veränderungen unterworfen, und die überlagern alles. Darum gab es nicht den Schock-Moment für mich. Zum Glück habe ich ein fähiges Team, auf das ich mich jederzeit verlassen kann.

zentralplus: Wegen vorübergehender Schliessungen und Ertragseinbrüchen fürchten Arbeitnehmer um ihren Job und ihre Existenz. Haben Sie auch beruhigend eingreifen müssen? Oder war diese Angst im FCL an einem kleinen Ort, weil der Klub bislang niemanden entlassen musste?

Studhalter: Sicher war das kein Selbstläufer. Aber es funktionierte mit authentischer Haltung ganz gut. Ich bin froh darum, dass dieser Wesenszug zu meiner Persönlichkeit gehört. Doch letztlich ist es nicht möglich, den Mitarbeitern alle Ängste zu nehmen. Das geht nicht, weil niemand weiss, was alles noch passieren wird. Aber wir haben die Mitarbeiter immer transparent informieren können, wo wir stehen und was wir planen. Dass die Verunsicherung in diesen elf Monaten zugenommen hat, das konnte ich nicht verhindern. Aber in dieser unsicheren Lage erreichen wir dank unserem Teamgeist eine gewisse Stabilität. Und wir haben ein grosses Privileg als Fussball-Unternehmen.

«Daraus ergibt sich ein Zwang zu einer Art Normalität.»

zentralplus: Welches?

Studhalter: Wir haben wöchentlich ein Spiel. Daraus ergibt sich ein Zwang zu einer Art Normalität. Wir müssen uns mit den sportlichen Themen befassen, die sich Woche für Woche stellen. Darin erkenne ich einen grossen Mehrwert für uns, aber auch für die Gesellschaft in Luzern. Es ist ein kleiner Teil der Normalität, wie wir ihn schon vor Corona kannten.

zentralplus: Wie wird das Corona-Virus und die Zeit, die wir durchmachen, die Gesellschaft und den Fussball verändern?

Studhalter: (überlegt.) Selbst wenn sich die aktuelle Situation auf zwei Jahre erstrecken sollte, ist der Drang zurück zur Normalität so gross, dass sich meines Erachtens keine grossen Veränderungen im Verhalten der Menschen einstellen werden. Aber diese Generation hat eine Horizonterweiterung erfahren. Sie hat miterlebt, wie labil unsere Gesellschafts- und Finanzstrukturen effektiv sind. Es ist der Nachteil gut entwickelter Länder wie der Schweiz, dass der Eindruck entsteht, wir hätten das Leben im Griff. Dass wir unzerstörbar seien. Ich denke und erhoffe mir, dass es in Zukunft mehr Platz für Solidarität, Fürsorge, Mitgefühl und Weitsicht geben wird.

zentralplus: Und wie wird das Corona-Virus den Fussball, der im Ruf steht, abgehoben und arrogant zu sein, verändern?

Studhalter: Ich muss darum bitten, dass man eine klare Differenzierung zwischen dem europäischen und dem Schweizer Fussball macht. Für den Schweizer Fussball sehe ich eine Chance, dass die Gesellschaft und insbesondere die Politik noch mehr wahrnimmt, dass der professionell ausgeübte Mannschaftssport in unserem Land alles andere als arrogant und verwöhnt ist. Wir sind bodenständig, aber ich streite nicht ab, dass wir unser Profil mit zusätzlichen Massnahmen noch schärfen können.

zentralplus: Worauf fusst Ihre Zuversicht?

Studhalter: Wir konnten in der öffentlichen Debatte und den laufenden Prozessen um Bundesgelder in jedem Punkt, in dem es diese Vorverurteilungen gab, belegen und nachweisen, dass wir im Schweizer Fussball finanziell vernünftig agieren. Die öffentlich zugänglich gemachten Fakten zeigen, dass wir eben nicht dem Bild entsprechen, das man von uns hatte. Im europäischen Fussball hingegen könnte es Korrekturen geben. Dahingehend, dass die grossen Nationen vielleicht einen Schritt in Richtung der kleinen machen werden.

«Es besteht die latente Gefahr, dass man das Fussballspiel nur noch als Nebenaspekt wahrnimmt in diesem wirtschaftlichen Überlebenskampf.»

zentralplus: Wie hat die Corona-Krise den FCL und sein Innenleben verändert?

Studhalter: Es gibt jetzt noch mehr gesammeltes Detailwissen dank der Mitarbeiter und der Mitglieder der Geschäftsleitung, weil man notgedrungen jeden Stein, jeden Franken und Rappen umdrehen musste. Wir haben uns schon in den Jahren vor Corona stark in Richtung Versachlichung der Frage, was wirklich wichtig ist für den Fussball-Betrieb, bewegt. Das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Bereiche in einem Fussballklub ist jetzt umso grösser geworden. Corona bringt aber auch das Risiko mit sich, dass man sich zu stark auf die Finanzen fokussiert.

zentralplus: Wie meinen Sie das?

Studhalter: Man darf nicht vergessen, dass das Wesentliche, das für einen Fussballklub zählt, am Wochenende stattfindet – und das ist das Spiel. Es besteht die latente Gefahr, dass man das Fussballspiel nur noch als Nebenaspekt wahrnimmt in diesem wirtschaftlichen Überlebenskampf. Ich will damit aber nicht sagen, dass wir vergessen hätten, um was es bei uns geht.

zentralplus: Sondern?

Studhalter: Neben dem Fussballplatz gab und gibt es weitere Felder, auf denen wir um die weiterführende Existenz des FC Luzern kämpfen. Und auch da haben wir Gegentore kassiert, nach denen wir uns wieder aufrappeln mussten.

«Ich vermute, dass sich die Fans in den vergangenen elf Monaten in ihrem Freizeitverhalten neu orientiert haben.»

zentralplus: Sie spielen auf den Kampf um Bundesgelder auf dem politischen Schlachtfeld an.

Studhalter: Jedes Mal, wenn wir dachten, wir hätten unseren Job gemacht und eine gute Lösung gefunden, kam das Bundesamt für Sport mit Veränderungen um die Ecke. Das drängt dich jedes Mal zurück und kostet Energie. Bei der Vielzahl anspruchsvoller Herausforderungen – und das nicht nur auf politischer Ebene – muss man sich stets bewusst sein, dass die Lokomotive unseres Unternehmens auf dem Fussballplatz steht.

zentralplus: Wie lange kann der FCL noch in einem leeren Stadion spielen, bis die Fanbasis zu bröckeln beginnt?

Studhalter: Ich vermute, dass sich die Fans in den vergangenen elf Monaten in ihrem Freizeitverhalten neu orientiert haben. Zwangsläufig, da sie ja leider nicht ins Stadion kommen konnten. Ich vertraue aber darauf, dass unsere Fans weiterhin zum Klub stehen und wieder ins Stadion zurückkommen werden. In der Zwischenzeit wollen wir alles dafür tun, dass wir unsere Fanbasis beim FCL zusammenhalten können.

zentralplus: Mit was für Aktivitäten soll das gelingen?

Studhalter: Wir werden zeitnah alle Gruppierungen zusammenbringen und genau diese Frage zur Diskussion stellen. Erst recht im Hinblick auf nächste Saison. Wir glauben nicht, dass wir als Verein alleine etwas machen können. Der grösstmögliche Grundkonsens muss gefunden werden: Was ist machbar? Was wird gewünscht? Was können sich unsere Fans vorstellen? Es geht darum, miteinander für den Klub Entscheidungen, die von allen getragen werden, zu treffen. Denn wir können aktuell nicht sagen, wann wir die Leute wieder ins Stadion lassen dürfen.

zentralplus: Bevor Sie das dürfen, muss sich der FCL als Veranstalter des Fussballspiels klar werden, ob er nur geimpften Zuschauern Zutritt zur Swissporarena gewährt.

Studhalter: Wir würden sehr gerne alle wieder gesund in unserem Stadion wissen, damit alles wieder so ist wie vor Ausbruch der Corona-Krise. Das ist unser Ziel. Ob eine Impfung gegen das Corona-Virus für einen Eintritt zwingend ist, muss aus unserer heutigen Sicht von den Gesundheitsexperten und der Bundesbehörde entschieden werden. Da stellen sich schwierige und grundlegende Fragen, nicht nur finanzieller Art, und diese kann die FCL-Führung nicht alleine mit ihrer Fanbasis entscheiden.

Im zweiten Teil des Interviews mit Philipp Studhalter, das demnächst erscheinen wird, geht es darum, wie der FCL zu den Bundeshilfen steht.

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