Neue Güselkübel sind ein Erfolg

Cham ist Recycling-Pionier – Zug tut sich schwer

Die neue Recyclingstation wird gut genutzt, wie die Gemeinde in einem ersten Fazit feststellt. (Bild: Gemeinde Cham)

Mit der Pandemie landen vermehrt Glas, Pet-Flaschen und Aludosen in Zugs öffentlichen Abfalleimern. Das schadet der Umwelt. Cham setzt deshalb seit Frühling auf eine neue Recyclingstation – mit Erfolg, wie eine erste Zwischenbilanz zeigt. Der Stadt Zug ist das zu kompliziert.

Ein ganzer und ein halber Pandemie-Sommer haben Gemeinden und Kanton vor Augen geführt, dass Littering in Zug immer noch zum Problem werden kann. Vor allem öffentliche Anlagen am See und in urbanen Zentren, aber auch Grillstellen in Waldnähe sind an schönen Tagen von achtlos liegen gelassenem Abfall betroffen.

Die Pandemie zeigt aber auch, dass gerade die Hotspots die notwendige Infrastruktur für eine sachgerechte Entsorgung von Abfällen vermissen lassen und nicht für ausgedehnte Familien-Picknicks und Saufgelage gerüstet sind. Wer etwa am Zuger Alpenquai im Sinne des Anti-Littering-Slogans «Zug blibt suuber» etwas für die Sauberkeit der Stadt tun und seine Abfälle korrekt entsorgen möchte, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er nimmt Glas-, Pet-Flaschen und Aludosen zur späteren Entsorgung wieder mit nach Hause oder er entsorgt den ganzen Müll bequem in einem der zahlreichen schwarzen Container entlang der Seepromenade.

Im Nachhinein aussortiert und getrennt werden Flaschen, Bierdosen und andere Materialien, die seit der Pandemie vermehrt in Zugs öffentlichen Containern und Abfalleimern landen, allerdings nicht – weder in den gemeindlichen Werkhöfen noch in der Kehrichtverbrennungsanlage Renergia in Perlen. Statt recycliert werden sie zusammen mit dem gewöhnlichen Kehricht verbrannt. Dadurch gehen kostbare Ressourcen wie Erdöl oder Quarzsand und eine Menge Energie verloren. Die Umwelt wird zusätzlich belastet.

Cham übernimmt Vorreiterrolle

Die Gemeinde Cham hat dieses Problem unlängst erkannt. Seit Anfang April stehen im Hirsgarten deshalb zwei brandneue, multifunktionale Recyclingstationen. Sie ermöglichen es den Besucherinnen des beliebten Naherholungsgebiets, Glas-, Pet-Flaschen und Alu separat zu entsorgen (zentralplus berichtete).

Marc Amgwerd, Abteilungsleiter Verkehr und Sicherheit bei der Gemeinde, zieht nach rund drei Monaten eine positive Zwischenbilanz: «Wir sind sehr zufrieden, wie die Abfälle getrennt werden», sagt er. Erste Auswertungen würden zeigen, dass die Bevölkerung mehrheitlich die richtigen Behälter für die Entsorgung nutze. Im Glas beispielsweise befinde sich lediglich ein Fremdstoffanteil von rund 0,3 Prozent.

Zum Vergleich: Gemäss der Organisation «Vetrosuisse, die im Auftrag des Bundes die Gebühren für Getränkeflaschen aus Glas verwaltet, enthält das gesammelte Altglas schweizweit vier bis sieben Prozent Fremdstoffe. Je niedriger die Quote, desto einfacher und kostengünstiger gestaltet sich letztlich der Recyclingprozess.

«Wir gehen davon aus, dass viele Leute einfach den nächstbesten Abfalleimer benutzen.»

Marc Amgwerd, Gemeinde Cham

Noch nicht vollständig zufrieden ist Amgwerd dagegen mit der gesammelten Abfallmenge. «Wir gehen davon aus, dass viele Leute einfach den nächstbesten Abfalleimer benutzen», vermutet er. Nächstes Jahr wolle man im Hirsgarten deshalb weitere Abfalleimer abmontieren und durch vier zusätzliche multifunktionale Recyclingstationen ersetzen. Wenn die Infrastruktur bereitstehe, werde sie auch genutzt, ist Amgwerd überzeugt. Man prüfe deshalb weitere Stationen bei den Sportanlagen Röhrliberg und im Lorzenpark.

Vorläufig keine Recyclingstationen am Alpenquai

Am meisten Handlungsbedarf besteht aus umweltpolitischer Sicht derzeit wohl am Alpenquai in Zug. Zugs Stadtingenieur Jascha Hager steht der Realisierung eines ähnlichen Projekts am Alpenquai allerdings skeptisch gegenüber. Die Stadt wolle zuerst auf die definitiven Ergebnisse aus Cham warten. Die vollständige Evaluation des Chamer Pilotprojekts erfolgt im Herbst.

Probleme sieht Hager etwa im Bereich der Logistik: «Normalerweise haben wir für jede Abfallart einen eigenen Entsorger und ein eigenes Fahrzeug im Einsatz», sagt er. Das sei am Alpenquai, wo es darum gehe, den Abfall möglichst schnell wegzubringen, schlicht nicht umsetzbar. Den schweren Altglas-Sammelfahrzeugen sei es aufgrund der Gewichtsbeschränkung eventuell gar nicht möglich, die Seepromenade zu befahren.

Am meisten zweifelt Zugs Stadtingenieur aber an der Entsorgungsmoral der Seebecken-Besucher. Ihm stelle sich vor allem die Frage, ob das jugendliche Partyvolk um 23.00 Uhr noch gewillt sei, die richtigen Separatsammelbehälter zu benutzen. Die Fremdstoffe, die am Alpenquai und an anderen Orten in den Containern landen und fälschlicherweise verbrannt würden, würden ohnehin nur einen kleinen Teil der Gesamtabfallmenge der Stadt Zug ausmachen, so Hager. Damit überwiege der zeitliche und finanzielle Aufwand den Nutzen von neuen Recyclingstationen.

Praktikable Lösungen sind vorhanden

Dass es eigentlich ausgereifte und praktikable Lösungen gibt, zeigen die Beispiele der SBB und der Stadt Zürich. Die grösste Schweizer Stadt baut das Netz an multifunktionalen Recyclingstationen im öffentlichen Raum seit Oktober 2019 sukzessive aus. Die SBB unterhalten in den Bahnhöfen der Schweiz unterdessen über 1'400 Recyclingstationen und ziehen regelmässig eine positive Bilanz.

In Cham wird der getrennte Abfall vom Hirsgarten mit einem kompakten, vergleichsweise leichten Kommunalfahrzeug auf der täglichen «Güsel-Tour» eingesammelt. Ladegewicht und zeitlicher Aufwand würden sich durch die Abfalltrennung nicht wirklich verändern, sagt Marc Amgwerd. Etwas mehr Zeit benötige die Tour allenfalls, weil der getrennte Abfall im Rahmen des Pilotversuchs in einem Schuppen zwischengelagert werde, bevor er von den Spezialfahrzeugen abgeholt werde.

Damit die zusätzlichen Recyclingstationen künftig effizienter bewirtschaftet werden können, werde der Werkhof Cham im nächsten Jahr provisorisch ein Kommunalfahrzeug mit Sammelfässern einsetzen und auf die Zwischendeponie verzichten, so Amgwerd. 2023 soll dann ein ausgedientes Kommunalfahrzeug durch ein neues mit integrierter Abfalltrennung ersetzt werden.

Gemeinden signalisieren Bereitschaft

Zum Schluss lohnt sich ein Blick auf die Erfahrungen des Kantons. Welche Menge an Wertstoffen in den öffentlichen Abfalleimern des Kantons Zugs landen und verbrannt werden, lässt sich indes schwer beziffern. Die Gemeinde Cham hat mit den zwei Recyclingstationen im Hirsgarten in 5 Wochen 23,5 Kilogramm Pet, 28 Kilogramm Aluminium und 94,5 Kilogramm Glas gesammelt. Das entspricht ungefähr 1'200 Pet-Flaschen, 1'800 Bierdosen und 300 kleinen Bierflaschen.

Für Marc Amgwerd ist deshalb klar: «Die Abfalltrennung im öffentlichen Raum lohnt sich auf jeden Fall.» Als Energiestadt mit dem Gold-Zertifikat nehme Cham auch eine Vorbildfunktion ein. «Wer möglichst umweltfreundlich entsorgen will, dem soll auch die Möglichkeit dazu geboten werden.»

Sollte sich der Pilotversuch als Erfolg herausstellen, dürften Cham weitere Gemeinden folgen. Vereinzelte hätten bereits Interesse an den Separatsammelbehältern bekundet, sagt Heidi Oswald, die Geschäftsführerin des Zeba (Zweckverband der Zuger Einwohnergemeinden für die Bewirtschaftung von Abfällen).

Das getrennte Sammeln von Wertstoffen und die Schonung wertvoller Ressourcen liege durchaus im Interesse des Verbands. Man wolle aber die Evaluation des Chamer Pilotprojekts abwarten und sich dann allenfalls bei den Gemeinden für die neuen Entsorgungsstationen einsetzen. In dem Fall würde auch die Stadt Zug die Einführung multifunktionaler Recyclingstationen in Erwägung ziehen, wie Stadtingenieur Hager versichert.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Daniela Übersax
    Daniela Übersax, 08.07.2021, 10:06 Uhr

    Faszinierend. Der reichen Stadt Zug ist zu kompliziert, was im umliegenden Ausland (Deutschland, Frankreich, selbst Italien) seit Jahren erfolgreich praktiziert wird: Getrennte Sammelbehälter im öffentlich Raum. Die ach so moderne Schweiz gibt sich einmal mehr als Entwicklungsland.

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