Luzern: Kommt es zur Kampfwahl um Stadtratssitz?

Bürgerliche fürchten Eigentor und die SP erhält Körbe

Wer zieht für den zurückgetretenen Stefan Roth ins Luzerner Stadthaus? Bis am 26. September können die Parteien Kandidaten melden.

(Bild: mbe)

Erhält CVP-Kandidatin Franziska Bitzi Staub Konkurrenz im Kampf um den Stadtratssitz von Stefan Roth? Sowohl links als auch rechts liebäugelt man mit einer Gegenkandidatur. Doch die SVP steckt in einem Dilemma – und wartet auf den Entscheid der SP. Und den Genossen springen die Kandidaten ab.

Nur ein halbes Jahr nach den letzten Stadtratswahlen in Luzern könnten die Wähler Ende November bereits wieder an die Urne gebeten werden. Der Sitz des zurückgetretenen Stadtrates Stefan Roth wird frei. Und nebst seiner Partei, der CVP, liebäugeln auch die SP und die SVP mit einer Kandidatur. Doch ob es so weit kommt, ist alles andere als klar.

Bislang hiess es bei beiden Parteien, man wolle die CVP-Nominationsversammlung abwarten. Seit Donnerstagabend nun ist klar, auf wen die CVP setzt: Die Partei hat in einer spektakulären Wahl Franziska Bitzi Staub auf den Thron gehoben (hier geht’s zum Live-Ticker, hier zum Interview und hier zum Kommentar).

Zwei Absagen bei der SP

Inzwischen hat sich besonders die Ausgangslage bei der SP verändert. In den letzten Wochen waren drei Namen im Gespräch für eine Kandidatur – doch sowohl Kantonsrätin Ylfete Fanaj als auch Grossstadtrat Daniel Furrer haben nun abgesagt.

«Für mich stimmt der Zeitpunkt nicht.»

Ylfete Fanaj, SP-Kantonsrätin

«Ich stehe für eine Kandidatur nicht zur Verfügung», sagt Fanaj gegenüber zentralplus. Das habe aber nichts mit der CVP-Kandidatin zu tun, der Entscheid sei vorher gefallen. «Der Rücktritt von Stefan Roth kam überraschend und ich habe mir eine Kandidatur durch den Kopf gehen lassen. Dabei bin ich zum Schluss gekommen: Angesichts meiner beruflichen und persönlichen Situation stimmt der Zeitpunkt für mich nicht.»

«Aus persönlichen und beruflichen Überlegungen stehe ich nicht zur Verfügung.»

Daniel Furrer, SP-Grossstadtrat

Auch Grossstadtrat Daniel Furrer zieht sich zurück. Bei ihm tönt es genau gleich: «Ich habe es mir lange überlegt, doch aus persönlichen und beruflichen Überlegungen stehe ich nicht zur Verfügung.» Zudem würde er es begrüssen, wenn eine zweite Frau in den Stadtrat gewählt würde – was bei seiner Absage ebenfalls eine Rolle spielte.

Somit bleibt bei den Genossen Judith Dörflinger Muff. Die Grossstadträtin war als Zuschauerin an der CVP-Nominationsversammlung anwesend, an der Franziska Bitzi Staub zur Kandidatin gekürt wurde. «Franziska Bitzi ist eine gute Kandidatin und dass die CVP sie nominiert hat, beeinflusst sicher auch unseren Entscheid.» In welche Richtung, dazu könne sie noch nicht mehr sagen. Sie selber nehme sich nun die Zeit, bis zur parteiinternen Frist am Montag eine eigene Kandidatur zu prüfen. «Das ist ein Abwägen zwischen politischen Überlegungen und der Frage, ob ich mir vorstellen kann, in den Wahlkampf zu steigen.»

Bürgerliche wollen Eigentor vermeiden

Trotzdem oder gerade auch wegen der Absagen bei der SP blicken alle gespannt auf deren Versammlung am Mittwoch. Denn ob die SVP einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt, hängt massgeblich von der SP ab. Zwar hat der Littauer Kantonsrat Thomas Schärli bereits vollmundig sein Interesse angekündigt – und dabei kein gutes Haar an den CVP-Kandidatinnen gelassen (zentralplus berichtete). Und wie Parteipräsident Peter With auf Anfrage bestätigt, prüfen auch er selber und Grossstadtrat Urs Zimmermann eine Kandidatur.

«Wir müssen uns effektiv überlegen, welches Vorgehen sinnvoll ist.»

Peter With, SVP-Präsident

Dass die Volkspartei die CVP herausfordert, ist aber noch alles anderes als definitiv. Denn mit einer eigenen Kandidatur könnte sie der CVP-Frau Franziska Bitzi Staub wichtige Stimmen aus dem rechtsbürgerlichen Lager wegschnappen – und die SP stünde als lachende Dritte womöglich plötzlich mit zwei Stadträten in der Regierung. «Dieses Szenario ist durchaus möglich», sagt Peter With. «Und das ist der Grund, wieso wir erst nächsten Freitag, zwei Tage nach der SP-Versammlung, unsere Strategie beschliessen.» Man müsse sich effektiv überlegen, welches Vorgehen sinnvoll sei.

«Den Linken in die Hände zu spielen, gilt es unbedingt zu vermeiden.»

Fabian Reinhard, FDP-Präsident

Dass die Bürgerlichen mit zwei Kandidaturen der SP zu einem Sieg verhelfen könnten, ist auch FDP-Präsident Fabian Reinhard ein Dorn im Auge. «Das gilt es unbedingt zu vermeiden», sagt er. Denn das oberste Ziel sei es, den zweiten bürgerlichen Sitz zu sichern. «Wenn nebst der CVP sowohl die SP als auch die SVP antreten, wird das schwierig. Die Bürgerlichen sollten gemeinsam fahren, anstatt einander Stimmen wegzunehmen», sagt Reinhard und verweist auf laufende Gespräche zwischen den Parteien. Da die CVP ihre Kandidatin bereits nominiert hat, bedeutet dies: Die FDP sähe eine Kandidatur der SVP nicht gerne, wenn die SP auch antritt. 

Die FDP setzt also lieber auf Franziska Bitzi Staub. Fabian Reinhard findet für die CVP-Kandidatin nur lobende Worte: «Wir nehmen sie als solide Finanzpolitikerin wahr – und das ist einer der wichtigen bürgerlichen Werte.» Sein Fazit: «Sie ist sicher eine gute bis sehr gute Kandidatin.»

SP lädt Bitzi Staub zum Hearing vor

Ganz anders tönt es bei der SP. «Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die CVP eine Frau nominiert hat, die grundsätzlich mehr rechts steht als Stefan Roth», sagt SP-Präsident Claudio Soldati. So sei der günstige Wohnraum – ein wichtiges Thema für die SP – nicht etwas, das Bitzi Staub stärker fördern möchte.

«Eine Frage ist, ob unsere Mitglieder eine knallharte Finanzdirektorin wollen.»

Claudio Soldati, SP-Präsident

Zudem habe sie in der Vergangenheit Abbaumassnahmen in den Bereichen Bildung und Soziales unterstützt, sagt Soldati. «Eine Frage ist, ob unsere Mitglieder eine knallharte Finanzdirektorin wollen.» Vorwegnehmen will er aber noch nichts. Ob die SP tatsächlich jemanden ins Rennen schickt, entscheide die Basis. «Es geht nicht an, dass ich im Vorfeld ein präsidiales Machtwort spreche.»

Für Soldati ist klar: Wenn SP, CVP und SVP antreten würden, seien Wahlen mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung und eine Legitimation der gewählten Person höher. Doch natürlich ist man sich bei der SP der besonderen Ausgangslage bewusst. «Klar würden sich die Stimmen bei drei Kandidierenden stärker verteilen, matchentscheidend ist das aber kaum», sagt Claudio Soldati.

Welchen Weg die SP wählt, beschliesst die Parteiversammlung nächsten Mittwoch. Dort wird es auch ein Hearing mit CVP-Kandidatin Franziska Bitzi Staub geben. «Anschliessend entscheiden wir, ob wir eine eigene Kandidatur machen und falls ja, mit wem.» Nach dem Ausscheiden von Ylfete Fanaj und Daniel Furrer ist offiziell nur noch Judith Dörflinger Muff im Gespräch.

Wie gross ist das Risiko, dass die SP gar nicht antreten kann, weil sie niemanden findet? Claudio Soldati will sich nicht auf diese Diskussion einlassen. «Unsere Kandidaturenfrist läuft noch bis am Montag. Was in diesen drei Tagen noch geschieht, ist offen.»

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