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Stefan Gisler für die Zuwanderungs-Initiative

Problem erkannt – Scheinlösung vorgeschlagen

Die SVP will mit der Zuwanderungsinitiative die Problematik des zu schnellen Wachstums lösen. Warum die Grünen diese Lösung als untauglich erachten, erklärt der grün-alternative Zuger Kantonsrat Stafan Gisler.

Seit über 20 Jahren setzten sich die Alternativen – die Grünen gegen die negativen Folgen des überhitzten Wachstums in der Schweiz und besonders in Zug ein. Wir fordern unter anderem folgendes:

–    zahlbares Wohnen statt Wohnungsnot.
–    Schutz der Landschaft statt Kulturland und Schutzgebiete zubetonieren.
–    Erhalt der sozialen und kulturellen Identität von Zug statt neureichem Mainstream.
–    Förderung von Velo, Bus und Bahn statt überteuerte Strassenprojekte.
–    faire Löhne gerade für Arbeiter und Angestellte statt Profitmaximierung für internationale Multis.
–    faire Steuern statt mit Dumpingsteuern Wachstum anheizen.
–    gute Renten statt Kürzungen bei Pensionskassen sowie Erhöhung des Rentenalters.

Es geschehen Zeichen und Wunder: In ihrer Kampagne zur Masseneinwanderungsinitiative behauptet nun die SVP, die Problematik des zu schnellen Wachstums entdeckt zu haben. Leider schlägt sie mit der Zuwanderungsinitiative eine untaugliche Lösung vor. Laut SVP wollen sie selbst nach einem Ja «der Wirtschaft die nötigen Arbeitsplätze nicht vorenthalten» – im Klartext, es kommen gleich viele Arbeitnehmende wie bisher rein. Gleichzeitig fallen mit einem Ja die Massnahmen gegen Lohndumping, Schwarzarbeit, Scheinselbständigkeit weg. Das öffnet dem Lohndruck und dem Import von Billigarbeitern Tür und Tor. Dass die SVP lieber billige Ausländer anstellt, bewies uns der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr, der zu Hause eine Asylsuchende schwarz putzen liess.

Zudem traue ich der erwachten Wachstumskritik sowie der Sorge um Löhne, hohe Mieten oder Landschaft der SVP nicht. Wieso? Und in der politischen Realität setzt sich die SVP bei der obigen Aufzählung konsequent für die «hintere» Satzhälfte ein! In Zug fördert die SVP durch Steuerdumping das Wachstum, wirbt mit dem Slogan «Expats keine Steine in den Weg legen» gegen strengere Integrationsauflagen und mit der Deregulierung des Marktes schwächt sie den Arbeitnehmerschutz. In der realen Politik tut die SVP alles um unsere schöne Landschaft zu zerstören: So mit ihrem Ja zum (gescheiterten) Golfplatz in Baar und dem Pushen des (gescheiterten) Novartis-Projekt in einer Seeufer- und Landschaftsschutzzone in Risch. Oder auf nationaler Ebene bei der Zweitwohnunginitiative (Volk: Ja / SVP: Nein) oder beim Raumplanungsgesetz zum Schutz vor Zersiedelung (Volk: Ja / SVP: Nein). Auch kämpft sie in Zug gegen faire Wohnpreise wie bei der Stadtzuger Wohninitiative (Volk: Ja / SVP: Nein) oder beim Recht der Gemeinden Zonen für zahlbares Wohnen einzurichten (Kantonsrat: Ja / SVP: Nein).

Die ALG setzt sich weiter konstruktiv und aufrichtig gegen Wachstumsauswüchse und gleichzeitig für faire Löhne, Landschaftsschutz und die Zuger Identität ein. Darum sind wir gegen diese Scheinlösung der SVP.

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Stefan Gisler
    Stefan Gisler, 31.01.2014, 08:55 Uhr

    Wie sie richtig ausführen, führt das masslose Wachstum zu Problemen, gerade in Zug. Und ich stimme überein, dass weder Bundesrat, noch die bürgerlichen Parteien noch eine economiesuisse die Zuwanderung abbremsen wollen und auch flankierende Massnahmen nur halbbatzig umsetzen. Und sie haben recht: Dieses Wachstum und die Wachstumsfolgen gilt es zu mildern. Ob dem Lösungsvorschlag sowie den Absichten genau der Partei, welche mit ihrer Politik in Zug seit Jahren für massiven Wachstum sorgt, zu trauen ist, bezweifle ich. Und um das zu erkennen, da gebe ich Ihnen recht, brauchte ich wirklich keinen grossen geistigen Aufwand – zu offensichtlich sind die Widersprüche.

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  • Profilfoto von Pirmin Meier
    Pirmin Meier, 30.01.2014, 15:09 Uhr

    Der geistige Aufwand in diesem Beitrag nähert sich dem Nullpunkt und kann am 10. Februar mit als Erklärung dienen, warum die Zentralschweiz entweder nur sehr knapp verwirft oder sehr wahrscheinlich annimmt. Alle die aufgezählte unökologische Politik der genannten Partei hat mit der Abstimmung nicht nur nichts zu tun, sondern was daran falsch ist, bleibt natürlich falsch. Selber war ich bis vor kurzem klar dagegen, aber eher wegen demagogischer Stiefelpropaganda als wegen der Sache selbst, der Kontingentlösung mit Einschränkung der Personenfreizügigkeit, sofern Bundesrat und Parlament überhaupt die Einwanderung verlangsamen wollen. Wollen sie es nicht, wird auch bei einer Annahme der Initiative fast nichts passieren. Absoluten Zwang zum Handeln würde die Initiative Ecopop fordern, die ich lange bevorzugte, weil sie genau umgekehrt wie die SVP-Initiative fast nur mit «grünen» Argumenten bewirtschaftet wird und das Bevölkerungswachstum mit vorgeschriebenen Zahlen bremsen will.

    Ich war auch deswegen lange gegen die Initiative, weil sie statt von Inländervorrang von Schweizervorrang bei der Stellensuche spricht und weil Gewerbe und Industrie wegen der Bürokratie betr. Kontingente Lärm machen. Verfassungsrechtlich ist aber der Begriff «Inländer» gar nicht existent, und wenn es heisst «alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich», gilt diese Gleichheit vor dem Gesetz für alle legal in der Schweiz Arbeitenden. Diese dürfen nicht diskriminiert werden, was dann auch ins Ausführungsgesetz muss. Am letzten Montag hat Parteiführer Blocher (andere spielen in dieser Initiative kaum eine Rolle) mit Gewerkschaftspräsident Rechsteiner zu dessen Verwunderung diese Interpretation gegeben, für die er selber natürlich nicht zuständig ist, es kommt auf das Ausführungsgesetz an. Wenn aber das Ausführungsgesetz dies so regelt, wird das Bundesgericht eine solche Regelung sicher nicht zugunsten einer Diskriminierung abändern.

    Am stärksten ist die Geld-Rechte gegen Mindestlohn, das ist klar. Aber Mindestlohn von 4000 Franken ist fast nur bei Einschränkung der Personenfreizügigkeit wirklich praktikabel. Dazu muss die Initiative angenommen werden. Gut wäre, wenn unter solchen Bedingungen dann wenigstens die CVP/BDP für einen Mindestlohn gewonnen werden könnten, was freilich nicht sicher ist. Der Mindestlohn geht in einem mit den Kontingenten. Die entsprechende Bürokratie der flankierenden Massnahmen kostet heute schon um 10 Millionen Franken jährlich.

    Selbstverständlich ist die Personenfreizügigkeit zusammen mit den drei übrigen Glaubensartikeln des Kapitalismus, u.a die globalisierte Industrie- und Unternehmenspolitik, ein Bestandteil des Brutalokapitalismus und wird von konsequenten Sozialisten, etwa den Schweizer Kommunisten und der deutschen Partei «Die Linke» aus ihrer Sicht mit genau so guten Gründen abgelehnt wie von mir auf der Grundlage von freiheitlichen und christlichsozialen Prinzipien. Im Detail unterstütze ich keine der drei Grossaktionen gegen die Personenfreizügigkeit, ich kenne die Schwächen der Masseneinwanderungsinitiative, finde allerdings Ecopop klar extremer, und auch bei der Personenfreizügigkeit mit Kroatien liegt das Problem darin, dass man eigentlich Rumänien und Bulgarien meint, deren multikultureller Bevölkerungsüberschuss und deren Aerzte, Ingenieure und Informatiker zum Schaden der eigenen Länder ab 2016 mit der vollen Wucht eines kolossalen Einkommens- und Sozialstaatsunterschiedes auf die Schweiz losgelassen werden. Aber nur mit der Annahme einer dieser drei Vorlagen, den drei «Matchbällen», kann das Masseneinwanderungssystem Personenfreizügigkeit in Frage gestellt werden.

    Die absurdesten Vorstellungen zu Einwanderung und Energiepolitik werden von Grünliberalenchef Bäumle vertreten. Dieser führte in der NZZ aus, es komme nicht auf Zahl der Leute im Land an, sondern auf den Energieverbrauch pro Person. Also im ersten Schritt eine 2000-Wattgesellschaft für gut 8 Millionen und im zweiten Schritt eine mit Computern auf Bäumen lebende 1000-Watt-Gesellschaft mit 16 Millionen Einwohnern. Dies sagte er natürlich nicht so, aber es darf so verstanden werden.

    Ich habe diese Problem etwas vereinfacht dargestellt, sie haben aber wirklich nichts damit zu tun, dass Nationalrat Fehr in einem Anfall von Menschlichkeit eine sog. serbische Asylbewerberin bei sich arbeiten liess. Nach dem EU-Beitritt Serbiens wird auch diese Frau im Arbeitsprozess voll gleichgestellt sein, so wie wir dann vielleicht auch Lehrlinge aus diesen Ländern holen dürfen, was zwar in Ostdeutschland Sarah Wagenknecht, die neue Rosa Luxemburg, zur Weissglut brachte.

    Die Innerschweiz wird wohl hauptsächlich deswegen Ja stimmen, weil bei einer Auffüllung der Ballungszentren durch Millionen Menschen, der geplanten Elfmillionenschweiz, vor der wir nach SBB-Weibel und SP-Bodenmann keine Angst haben sollen, die kleinen Kantone marginalisiert werden. Aus volkskundlicher Sicht scheint mir noch wichtig, dass man in allen Gegenden der Schweiz, wo die Leute einander noch persönlich kennen, in Dörfern, wo man einander Du sagt, eher Ja stimmen wird.

    Ich schliesse nicht aus, dass die Abstimmung mit einem Ständemehr Ja, aber einem Volksmehr Nein ausgehen wird, was beim Bundesrat dringenden Handlungsbedarf generieren würde. Die Rolle der SVP sollte man bei all dem nicht überschätzen. Das Beste an der Kontingentlösung aber ist, dass man wegen den bürokratischen Umständen im Zweifelsfall immer lieber einen Inländer gleich welchen Passes anstellen wird als weitere Leute aus ganz Europa usw. zu rekrutieren.

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