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Stefan Gisler

Ideale statt Ideologie

Es müssen nicht alle am gleichen Strick ziehen - Tolerant muss eine unterlegene Minderheit gegenüber der Mehrheit ebenso sein, wie es das Privileg der Mehrheit ist, gegenüber der Minderheit Demut zu zeigen. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Schubladen sind beliebt in der Politik – Medien, Politiker selbst, Wählende hängen Parteien und Personen Etiketten oder Klischees an und lassen sich diese durch Einzelfälle gerne bestätigten.

Was denken sie über Ehegemeinschaften sowie Adoption für homosexuelle Paare? Gefährden Kinderkrippen konservative Familienmodelle oder verunmöglichen fehlende Krippenplätze die freie Wahl des Familienmodells? Was halten sie von neoliberaler Wirtschaft? Wollen sie mehr oder weniger Gesetze und was bedeutet dies? Sparen (wie viel und wo) oder Steuern anheben (wie viel und bei wem)? Befürworten sie rein bürgerliche bzw. rein linke Regierungen oder die Einbindung der jeweiligen Minderheit? Soll die Schweizer Landschaft verbaut oder geschützt werden? Sind Verkehrsbelastungen mit mehr Strassen inklusive Tunnels (Gotthard – Stadt Zug) zu lösen? Politik/Demokratie vor Wirtschaft/Profit oder umgekehrt oder Demokratie soll Wirtschaft den Profit ermöglicht?

Den Stempel aufdrücken

Je nach Beantwortung solcher Fragen werden Politiker und Politikerinnen für links oder rechts, für liberal oder konservativ befunden. Schubladen sind beliebt in der Politik – Medien, Politiker selbst, Wählende hängen Parteien und Personen Etiketten oder Klischees an und lassen sich diese durch Einzelfälle gerne bestätigten.

Ich fände es gut, wenn jede Person politische Sachfragen aufgrund seines eigenen Wertesystems, seiner Ideale beurteilt und sich nicht in eine starre unflexible Ideologie flüchtet. Die Tendenz, dass Ideologien vor Idealen kommen nimmt zu. Schlagworte, Machterhaltung, Gegnerschaft prägen den politischen Alltag. Ideologie lässt andere Meinungen und Selbstreflektion nicht mehr zu – zudem divergieren Aussagen und Handlungen: Die SVP und FDP wollen weniger Staat, nutzen aber das Parlament rege zu Vorstössen in eigener Sache, fordern unentwegt neue Gesetze zur Regelung von Einwanderung, zur Steueroptimierung, für rückwärts gerichtete Schulreformen, etc. Das ist ihr Recht. Störend ist nur, dass z.B. eine SVP dennoch die Instrumente der Demokratie und des Rechtsstaates aushöhlt oder lächerlich macht; über die Classe politique oder Richter schimpft (die SVP stellt Politiker wie Richter!).

Als Beispiel

So hintertreibt die SVP – aus meiner persönlichen Sicht – ihr Ideal des freien selbstbestimmten Bürgers, mit ihrer Initiative «Landesrecht vor Menschenrecht». Gefangen in einer Ideologie, wonach «alles Böse» aus dem Ausland bzw. durch internationale Vereinbarungen kommt, greift die SVP so die Rechte eines jeden, einer jeden in der Schweiz an. Die individuellen Bürgerrechte z.B. auf Meinungsfreiheit oder Besitz oder faires richterliches Verfahren sind gefährdet! Hebelt man die Menschenrechte aus, könnte man künftig bald darüber befinden, ob die eine oder andere politische Partei noch zulässig ist. Ich will aber kein SVP-Verbot; auch wenn ich anderer Meinung bin. Ja, auch die SVP braucht die Menschenrechte!

Ähnlich ergeht es der FDP mit ihrem Ideal eines gesunden Staatshaushalts, welches ich sehr teile. Dieses gefährdet sie mit dem blinden Festhalten an ihrer Steuersenkungsideologie. Sie fordert stattdessen ein massives Sparpaket in Zug von 111 Millionen – die Schnapszahl kann kein Zufall sein – ohne auch nur Steuererhöhungen debattieren zu wollen. Ich meine, man soll beides unvoreingenommen und gleichzeitig prüfen.

Es gibt natürlich auch ähnliche Beispiele bei der CVP, der GLP, bei Grünen oder bei Alternativen …

Knackpunkt: Konkordanz

Ich halte die Politik und die Welt an sich für vielschichtig. Darum gilt es gesellschaftliche Grundsätze gemeinsam zu verhandeln und mit Kompromissen sowie Toleranz auf transparentem Wege Lösungen erarbeiten. Dabei ist die Einbindung aller relevanten Bevölkerungsminderheiten in Parlament, Regierung und politische Prozesse ein Erfolgsgarant in der Schweiz – es ist die Konkordanz! Tolerant muss eine unterlegene Minderheit gegenüber der Mehrheit ebenso sein, wie es das Privileg der Mehrheit ist, gegenüber der Minderheit Demut zu zeigen. Das gelingt, wenn Ideale die Politiker lenken, aber nicht Ideologie. Konkordanz statt Ignoranz! Und in der Schweiz müssen die politischen Institutionen und deren Vertreter geachtet werden – das ist umso zentraler, da Politik nämlich durch das Volk gemacht wird, dank der direkten Demokratie, aber auch dank des durch die Verfassung abgesicherten Rechtsstaates, der Bürger- und Menschenrechte von uns allen schützt.

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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