Die ganze Wahrheit im Plakat-Format?

Plakat 1: Energiestrategie 2050

Ist das Duschwasser wirklich so kalt, wie auf dem schwarz gehaltenen Plakat dargestellt wird? Bleibt das Wasser kalt, auch wenn ich die Mehrkosten von 3’200 Franken bezahlt habe? Ist das die ganze Wahrheit? Grosse Zweifel kommen mir dann postwendend beim hellblauen Abstimmungsplakat. Hier sprechen die Befürworter nur von 40 Franken. Das kann nicht die ganze Wahrheit sein. Was stimmt jetzt von beiden, wenn überhaupt etwas?

Unterdessen weiss ich, dass bei den 40 Franken nur die bis heute beschlossenen Zusatzkosten eingerechnet sind. Bei den 3’200 Franken werden jedoch alle nur möglichen Kosten zusammengerechnet.

Es gibt gute Gründe, am 21. Mai Ja oder Nein zur Energiestrategie zu sagen.

Ganz persönlich würde ich gerne Ja und Nein ankreuzen.

Ja, weil mir bewusst ist, dass wir unseren Stromverbrauch und dessen Produktion an die heutigen und zukünftigen Entwicklungen anzupassen haben. Wir möchten keinen AKW-, Kohle- oder Gasstrom mehr.

Nein, weil mich der vorgeschlagene Weg nicht ganz überzeugt. Wir alle brauchen eine 100-Prozent-Stromversorgung ohne Stromlücken und dies auch im Winter und bei drei Wochen Nebel.

Damit mein Stimmzettel gültig ist, werde ich beim Nein ein Kreuz machen. Trotzdem weiss ich: Damit ist nichts gelöst und wir werden uns weiterentwickeln müssen.

Plakat 2: Zwei Regierungsräte und deren Jahresgehalt

Auf den ersten Blick ist hier alles korrekt und wahr. Die Eingangsfrage war jedoch: Ist es die ganze Wahrheit? Da lautet die Antwort für mich Nein. Bestimmt kommen da noch einige weitere Vergütungen wie Spesen oder das Honorar für das Amt der Frau Landammann dazu. Was auch zur ganzen Wahrheit gehören würde, ist die Angabe, wie viel Steuerabgaben von diesem angemessenen Gehalt bezahlt werden. Steuern, welche für die Ausbildung der jungen Plakatauftraggeber verwendet werden.

Im ersten Moment hat mir die Kampagne noch gefallen: einfach, wirkungsvoll, jugendlich und etwas frech, passend für junge und aktive Staatsbürger. Doch auch hier stellte sich die Frage: Ist das der «wahre» Weg? Werden hier die jungen Aktivisten dem Menschen, der hinter einem gewählten Regierungsrat steht, gerecht? Können wir hier noch von Fairness und minimalem Anstand gegen über einer vom Volk in diese Aufgabe gewählten Person sprechen? Hätten im umgekehrten Fall die Gegner die persönlichen Bilder der Befürworter einfach für ihr Nein verwendet, wäre der Aufschrei wohl programmiert gewesen, und dies zu Recht.

Fazit

• Auf einem F4-Plakat hat die ganze Wahrheit schlicht keinen Platz. Gerade dann, wenn der Inhalt einseitig oder sehr emotional daherkommt.
• Die Wahrheit ist kein Punkt, sondern eine Gerade, darum bietet die Fläche des F4-Formats für sie nicht genügend Platz.
• Als Leser von Plakaten bin ich mir der Teilwahrheit von Plakaten in Zukunft bewusster.
• Von den Machern von Plakaten erwarte ich als Leser mehr Ganz- als nur Halbwahrheiten.

Nun bleibt nur die Spannung darüber, wie sich das Zuger Stimmvolk am 21. Mai entscheiden wird.