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Beschneidung der individuellen Bürgerrechte

Wahlrecht im Kanton Zug: Einige Kantonsräte wollen den Zugern das Grundrecht auf unverfälschte Wahlen vorenthalten. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Einige Kantonsräte wollen den Zugern das Grundrecht auf unverfälschte Wahlen vorenthalten. Stefan Gisler, Kantonsrat Alternative – die Grünen, Zug, über das Wahlrecht und Politiker, welche Gerichte diffamieren, weil ein Entscheid ihnen nicht passt. 

Die Gewaltenteilung zwischen Regierung, Parlament und Gericht ist ein Eckpfeiler der Schweizer Demokratie. Sie hat das Ziel, die Ansammlung von zu grosser Machtfülle in der Hand von einzelnen Personen oder Institutionen zu verhindern.

Einige Politiker zielen in letzter Zeit darauf ab, die dritte Gewalt, die unabhängige Justiz, gegenüber der Politik zu schwächen. Gerne unter dem Deckmantel «Das Volk hat immer recht». Das ist fatal. Ja, in unserer direkten Demokratie entscheidet die Mehrheit der Stimmbevölkerung. Aber auch die Mehrheit hat die Bundesverfassung zu respektieren. Darin werden die Freiheitsrechte der einzelnen Bürgerin, des einzelnen Bürgers geschützt. So kann man niemandem per Mehrheitsentscheid sein Haus und Vermögen wegnehmen – das Gericht würde einschreiten und diese Mehrheitswillkür stoppen.

In Ländern, wo die Justiz verlängerter Arm der Politik – oft einer autoritären Regierung – ist, verlieren die BürgerInnen ihre Rechte. So in Russland: Dort hält das von der Politik dirigierte juristische Vorgehen gegen missbeliebige Personen unvermindert an. Ein extremes Beispiel der Diffamierung der Justiz ist Italien, wo Berlusconi als Ministerpräsident gegen diese einen Kleinkrieg führte und jetzt doch für Steuerbetrug rechtmässig verurteilt wurde. «Entweder schafft es die Politik, Lösungen zu finden, oder Italien riskiert wirklich eine Form des Bürgerkriegs mit ungewissen Folgen für alle», drohte Sandro Bondi, Senator von Berlusconis Partei Volk der Freiheit danach. Die Polemik geht weiter.

Gerichte notorisch zu diffamieren, nur weil ein Entscheid einem Politiker nicht passt, schwächt deren Glaubwürdigkeit. Das geschieht auch in der Schweiz. Missfällt ein Bundesgerichtsentscheid, wird der Ruf nach Beschneidung derer Rechte laut. So auch beim Wahlrecht im Kanton Zug. In der Verfassung ist für die ganze Schweiz das Grundrecht der «unverfälschten Stimmabgabe» festgeschrieben. Kantone dürfen dies nicht eigenmächtig beschneiden. Das Bundesgericht hatte schon vor Jahren entschieden, dass das Zuger Wahlsystem der neuen Verfassung von 1999 (auch das Zuger Volk stimmte damals zu) nicht entspricht, da es in einer Gemeinde 5% der Stimmen für einen Kantonsratsitz braucht, in anderen bis zu 33%.

Es war daher unverfroren, dass einige Kantonsräte den Zuger Bürgerinnen und Bürgern das Grundrecht auf «unverfälschte Wahlen» vorenthalten wollte, indem sie absichtlich einen Verfassungsartikel zur Abstimmung vorschlugen, der die Bundesverfassung verletzt. Das Bundesgericht als Hüterin der demokratischen Grundrechte hat darum die Abstimmung für unzulässig erklärt. Das ist richtig. Es ist ja auch so, dass schweizweit auf Autobahnen maximal 120 gefahren werden darf und der Zuger Kantonsrat nicht plötzlich anordnen darf, dass bei uns Höchsttempo 140 gilt.

Doch der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister und andere Politiker wollen nun die Kompetenz des Bundesgerichts beschneiden und sie in der zentralen Frage des Wahlrechts nicht mehr als Hüterin der Verfassungsrechte belassen.

Was als Einsatz für einen unabhängigen Kanton daher kommt, ist in Wahrheit die Beschneidung der individuellen Bürgerrechte.

Die Schweiz braucht die Gewaltenteilung, unabhängige Gerichte und den Rechtsstaat – zum Schutz der Demokratie, zum Schutze des einzelnen.

 

 

 

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Dieser Blog soll den Politikerinnen und Politikern aus den Kantonen Zug und Luzern Gelegenheit geben, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Es wird wöchentlich Bezug genommen zur aktuellen politischen Landschaft Zentralschweiz. Die Meinung von Bloggern und Gastautoren muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Philipp Federer
    Philipp Federer, 19.08.2013, 17:21 Uhr

    Dem Autor stimme ich klar zu. Nicht nur die SVP mokiert sich immer wieder über das Bundesgericht. In Zug ist es die CVP und in der Stadt Luzern sogar die SP-Stadträtin bezüglich Marktreglement. Obwohl Ursula Stämmer die Standplätze jährlich ausschreiben müsste, verzichtet sie darauf. Dies beschrieb ich unter anderem in meinem Buch säuhäfeli-säudeckeli. Wenn die Gewaltentrennung nicht eingehalten wird, verludert der Rechtsstaat. Oft rede ich an Wände, weil einige Politiker die Errungenschaften der Aufklärung bezüglich Gewaltenteilung nicht verstehen oder nicht verstehen wollen.

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