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Philip Schaufelberger

Wenn zwei sich streiten, freut man sich über das Dritte

Delikat und sensibel – geht das? Die Zeichnungen der Luzerner Illustratorin Isabel Peterhans von ihrem Aufenthalt in Jerusalem zeigen: Es geht. Für ihr Erstlingswerk «Yalla-bye-bye» hat die junge Bloggerin einen Förderpreis erhalten. Unser Kulturblock-Autor Philip Schaufelberger windet ihr ein Kränzchen.

Der Nahostkonflikt dauert mittlerweile eine Ewigkeit – könnte man meinen. Das politische Hick-Hack zwischen Israel und Palästina erscheint wie ein Tom & Jerry Cartoon mit einer Audio-Vertonung der U.S.-Regierung, gespickt mit gelegentlichen Dissonanzen der restlichen internationalen Gemeinschaft.

Hierzulande ist man es schon fast Leid, täglich etwas in den Zeitungen darüber zu lesen: Ein Selbstmordattentat da, eine Qassam-Rakete dort, Zerstörungen von Flüchtlingslagern, Diskriminierungen und willkürlicher Siedlungsbau im Westjordanland… Wann regiert unter den beiden Völkern die Vernunft? Diese Antwort werden wir wohl auch in nächster Zukunft nicht erhalten.

Dass aber nicht nur engstirnige, religiöse Nationalisten und politische Barbaren in Israel leben, zeigt uns das in saftigen Farben illustrierte Buch «Yalla-bye-bye» der in Luzern beheimateten Isabel Peterhans

Das grellgelbe Erstlingswerk der jungen Illustratorin ist die Quintessenz einer Fülle von Material, Gesprächen und Erfahrungen, wie auch der eigenen Stilfindung. Mit einer Buchvernissage am diesjährigen Fumetto kommt es nun auch in den Buchhandel.

 

Am Anfang war der Konflikt

Peterhans beabsichtigte nie, nach Israel zu gehen. Zu gross war der Respekt gegenüber dem Konflikt, welcher ihr über die Medien aus Israel zugetragen wurde. Und dennoch, die Neugier musste schlussendlich obsiegen, denn im September 2011 fand sie sich als «Exchange Student» an der Bezalet Academy of Arts in Ostjerusalem wieder. «Auf diesem Fleck der Erde, welcher flächenmässig kleiner als die Schweiz ist, passiert so viel wie nirgends sonst auf der Welt», sagt Peterhans und fügt an, dass jemand mal gesagt habe, dass die Schweiz das Gegenteil von Israel ist, «würde ich so aber nicht unterzeichnen.»

Die 28-jährige Autorin empfand denn auch ihre Zeit dort als eine intensive Lebenserfahrung, deren Verarbeitung sich ihr aufdrängte. 

Es sei seltsam, vor Ort kriege man wenig von den grossen Ereignissen mit. Man sei zu beschäftigt mit den kleinen alltäglichen Auseinandersetzungen, den «lokalen» Ungerechtigkeiten. Da seien Anschläge nur ein kleiner medienwirksamer Teil des Konflikts. Siedlungsbau sei auch dort ein Begriff, man erfahre jedoch, dass diese für minderbemittelte Israelis seien, welche dort zu unvergleichlich günstigen Konditionen leben können. Oder dass Ostjerusalem ‹aufgefrischt› wird, indem ostjerusalemischen Palästinensern die Aufenthaltsbewilligung entzogen, oder deren Häuser abgerissen werden. 

Zu Beginn darüber schreiben hingegen, wollte sie nicht. Sie hatte zu viel Ehrfurcht ein solch heikles Thema anzupacken. «Zudem wollte ich mir nicht anmassen, bei all dem medialen Wirbel um Israel, auch noch meinen Senf dazu zu geben.»

So kam Isabel die Idee, Anekdote für Anekdote auf einem Blog zu veröffentlichen. Dieser erlaubte ihr, ihre Geschichten, von und mit Israelis und Palästinensern, mit ihnen und dem Rest der Welt zu teilen, zu diskutieren und sich selbst auch Kritik auszusetzen. Ob negativ oder positiv, Kritik half ihr, sich in ihrem Projekt zurecht zu finden: «Wenn sich jemand gestossen hat, dann lag es immer an den Wörtern und nicht an den Zeichnungen.» So blieb die Illustratorin zurückhaltend mit Wörtern und versuchte möglichst viel in den Bildern zu erzählen und kreierte in diesem Prozess eine eigene Erzählweise, welche subtil mit subjektiven Illustrationen die Anekdoten aufbaut, mit wenigen aber prägnanten Sätzen aus ihren Gesprächen diese trägt und den ganzen Kosmos an Kontext auf sich zusammengefasst zu einem Abschluss bringt.

 

Mit bunten gegen schwarz-weisse Bilder

Bestehende Meinungen und Vorstellungen sollten nicht bestätigt werden. Bewusst versuchte Isabel Peterhans Geschichten auszulassen, welche Schwarz-Weiss-Denken fördern könnten. Vielmehr waren es die Geschichten, die sie persönlich hin und her rissen, die ihr Verständnis herausforderten, parallel am meisten berührten und die Komplexität des Themas zum Vorschein brachten.

Die Reaktionen auf ihren Blog waren aber nicht nur positiv. Zu kontrovers und provokativ waren die Aussagen einer nicht realisierten Episode, mit der sich eine Person in Schwierigkeiten sah, sollte sie je veröffentlicht werden. Anderen musste sie die Namen ändern, weil zum Beispiel eine homosexuelle Kommilitonin nicht erkannt sein wollte.

Grundsätzlich waren demgegenüber alle überrascht und begeistert, wie präzise Isabel Peterhans ihre Geschichten wiedergegeben hat, und wie sie es schaffte, delikate Situationen sensibel zu präsentieren.

Dies sah im Sommer 2012 auch die Luzerner Zeugin-Design-Stiftung so, denn diese sprach der Abschlussstudentin im Bachelor Illustration der Hochschule Luzern einen Förderpreis für ihre mittlerweile in einem Buch zusammen gefassten Werk zu. Weitere zwei Jahre und mehrere zusätzliche Überarbeitungen später ist es kaum erstaunlich, dass sich ihre Arbeit ab April im Programm des renommierten Edition Moderne Verlags finden lässt.

Den kritischen Blick bewahren

Untätigkeit war und ist auch für die Zukunft nicht Isabel Peterhans› Motto. Neben einer kleineren Reportage über Kräuternonnen, Dozententätigkeit in Reportageillustration und einigen kleineren Veröffentlichungen wie im Luzerner Ampel Magazin, begab sich die Illustratorin 2013 zusammen mit ihrem Freund im Wohnmobil der Zentralschweizer Stiftung Otto Pfeifer nach Italien. Querfeldein, spürten sie vor Ort lokale Kunstschaffende auf und führten Gespräche mit ihnen über Leben und Ansichten, welche später visuell verarbeitet wurden. 

Zwar mag sie eine ganze Breite an illustrativer Tätigkeiten, die Reportage scheint es ihr aber angetan zu haben: «Ich kann raus, aus dem Atelier, mich mit Menschen in Kontakt setzen, mit neuen Dingen auseinandersetzen.»

Eine Fortsetzung von «Yalla-bye-bye» sei nicht geplant, versichert die Reporterin; im selben Erzählstil weiterzufahren, könne sie sich jedoch gut vorstellen. Eine ihrer Schwestern arbeitet zur Zeit als NGO auf Haiti: «Dieses Land, mit seiner geschichtsträchtigen Vergangenheit, würde mich sehr reizen.»

Egal was kommen mag, zu Beginn einer Arbeit wisse Isabel Peterhans nie genau was am Ende dabei rauskomme. Der «Schubs ins kalte Wasser» zahle sich für sie aus und sie lerne und profitiere davon viel.

 

Webseite und Yalla-bye-bye›-Blog:

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