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Politik vom Maler lernen

Das Drama dürfen Politiker ruhig der Kultur überlassen

Wir sollten wieder mehr Sorge zur Diskussionskultur tragen, findet der Zuger Autor. (Bild: Silvano Cerutti)

Worte können viel bewirken. Ein kurzes Plädoyer für weniger Drama und mehr Sorgfalt in der politischen Kultur vom Zuger Autor Silvano Cerutti.

Der irisch-amerikanische Maler Sean Scully kennt sich aus mit Abstraktion. Seine Bilder bestehen nur aus Flächen. Dennoch sagt er, man könne ihn zu jedem Bild fragen, was er darauf dargestellt habe. Das sei ihm wichtig, denn mit der Antwort mache er seine Kunst auch für Laien nachvollziehbar. Man müsse seine Malerei deswegen nicht mögen, aber sie werde für den Einzelnen bewertbar.

Diesen Ansatz finde ich grossartig. Bezogen auf unsere Politik könnte man ihn nämlich so übersetzen: Die politische Arbeit in der Schweiz basiert – trotz allen Gräben – auf dem unausgesprochenen Vertrauen, dass auch der politische Gegner nur das Beste will fürs Land. 

Unerwünschte Nebenwirkungen

Dies gibt einem gleichzeitig eine einfache Richtschnur, um auch jene Argumente zu bewerten, die einem erstmal abstrakt und unverständlich erscheinen: Mit welchen Massnahmen kommt das Land am besten durch die Krise? Unterschiedliche Standpunkte gibt es viele, über die man diskutieren kann. Aber die Arroganz, andere fahrlässig mit einer potenziell tödlichen Krankheit anzustecken, ist für die Schweiz sicher nicht das Beste.

Wegen der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben viele Menschen begonnen, sich mit Politik zu beschäftigen. Gerade unter den Protestierenden sind viele, die von ihrer Funktionsweise nur wenig Ahnung haben. Dies gehört wohl zu den unerwünschten Nebenwirkungen von politisch sehr gut aufgestellten Ländern.

Wie soll aus Schaukämpfen brauchbare Politik entstehen?

Für solche Neueinsteigende ist das politische Geschäft schwer fassbar. Die eigentliche Arbeit findet hinter verschlossenen Türen in den Kommissionen statt, wo Vertreterinnen der Parteien ernsthaft, sachlich und meist konstruktiv um tragbare Kompromisse ringen. Wegen dieser Kompromisse scheint unsere Politik oft langsam und mühselig zu sein, die langwierige Auseinandersetzung macht sie aber auch sehr stabil.

Zum Autor

Der Autor Silvano Cerutti ist im Kanton Zug aufgewachsen. Er lebt und arbeitet in Bern.

In der Öffentlichkeit hingegen haut man sich Standpunkte um die Ohren. Verbaler Schlagabtausch mag einen Eindruck von Engagement bewirken und der zunehmende Einsatz von Trashtalk – Beschimpfung des Gegners – steigert das Drama. Mit der Betonung von Gegensätzen versucht man zwar, Gleichgesinnte hinter sich zu scharen, wie aus solchen Schaukämpfen aber eine brauchbare Politik entstehen soll, bleibt ein abstrakter Vorgang.

Drama kann man den Kulturschaffenden überlassen

Die Pandemie hat nun bezüglich der politischen Kultur wie ein Brennglas gewirkt. Sie führt uns vor Augen, was der rüde Stil der letzten Jahrzehnte bewirkte: Proteste knapp überm Niveau von Wirtshausschlägereien. Links wie rechts müssen wir der Diskussionskultur wieder mehr Sorge tragen – auch wenn Drama mehr Spektakel bringt. Aber dies, so würde ich mit einem Augenzwinkern meinen, darf man uns Kulturschaffenden überlassen, Drama gehört zu unserem Kerngeschäft.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen fürs 2022 gute Unterhaltung, gute Politik und gute Gesundheit.

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