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Musiker in der Zwangspause

Corona treibt seltsame Blüten – oder: Wie man durch die Krise kommt

Cyril Montavon auf der Bühne. (Bild: Marion Gross)

Wie man sich ein neues Betätigungsfeld sucht, nachdem man sich durch alle Streamingangebote und -anbieter geklickt hat, seine Lieblingsalben vor- und rückwärts gehört sowie das Büro zum Sportraum umfunktioniert hat. Und wie man dabei bei einer Tätigkeit landet, die man so nicht auf dem Radar hatte.

Persönlich fand ich den ersten Vollstopp im März 2020 gar nicht mal so übel. Als grundsätzlich umtriebiger Mensch wurde mir eine Pause verordnet, die mir zwar nicht unbedingt entsprach, jedoch eine gewisse Ruhe in den Alltag zu bringen schien. Zwölf Monate später hat sich diese Ruhe in ein reserviertes: «Tja, schauen wir, was die Zeit so bringt …» gewandelt. Zeit für einen Rück- sowie einen möglichen Ausblick.

Endlich Zeit zum Lesen

Als Leseratte stürzte ich mich sofort auf meine längst überfälligen Bücher, welche zwar kein einsames, aber doch ein langweiliges Dasein im Bücherregal fristeten. Ich bemerkte schnell, dass sich blutige Krimis nicht immer mit einem Lockdown vertragen, wechselte auf Tatsachenberichte aus Krisengebieten (was ja faktisch im Moment der ganze Planet zu sein scheint) und endete bei mehr oder weniger sinnvollen Biografien berühmter Menschen. Meine Social-Media-Aktivitäten fuhr ich relativ schnell herunter, da ich merkte, dass ein nicht unwesentlicher Teil meiner «Freunde» sich die Zeit entweder mit Brotbacken und damit verbundenem Fotografieren vertrieb oder irgendwelche kruden Kommentare zum Zustand der Gesellschaft von sich gab. Was zur Folge hatte, dass sich auch mein digitaler Freundeskreis verkleinerte. Irgendwann habe ich auch die Bücher wieder zur Seite gelegt, die Sitz- und Liegeschäden am Körper führten zum Sport. Doch dazu später.

Die Sache mit der Musik

Als hauptberuflicher Künstleragent und Mitinhaber einer Plattenfirma hatte ich natürlich trotzdem genügend zu tun, wenn auch eher unbezahlt. Konzerte und Anlässe verschieben sich nicht von allein und für neue Musik will ja trotzdem gesorgt sein. Meine eigene Band fiel schon früh dem Virus zum Opfer, in eine weitere durfte ich Mitte des Jahres einsteigen. Die neue Bassanlage sowie zugehöriges Instrumentarium stottere ich nach wie vor ab. Im Zuge der Öffnungen im Sommer 2020 konnten wir sage und schreibe fünf Konzerte spielen. Natürlich nur vor kleinem Publikum, teilweise mussten die Besucher während des Konzerts sitzen. Funktioniert sogar bei einer Rockband erstaunlich gut. Danach wieder Schicht im Schacht.

Cyril Montavon

Cyril Montavon ist Mitinhaber der Agentur Fettes Haus sowie des Labels 6003 Records und seit 30 Jahren aktiver Musiker.

Da war doch noch was

Die Coronazeit ist auch eine Zeit für Konzeptalben. Musik, welche man mit gutem Kopfhörer oder toller Anlage, passender Stimmung und der notwendigen Gelassenheit hören kann, scheint vielen Menschen gutzutun. Sie äussern dies dann auch bei vielen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten. Ein Umstand, der teilweise für verständnisloses Kopfschütteln sorgt. Oder kann mir jemand erklären, was zum Teufel beispielsweise am Album «Lulu», welches Metallica zusammen mit Lou Reed veröffentlicht haben, tatsächlich gut sein soll? Nun denn, auch meine Wenigkeit versuchte sich im Ergötzen resp. Erhören von mächtigen Alben und dem damit verbundenen Suchen nach dem tieferen, teils auch versteckten Sinn der Kompositionen. Gefunden habe ich sehr viel grossartige und emotionsgeladene Musik, für den Rest fehlten mir wohl gewisse stimulierende Ingredienzen.

Radeln und Rudern, als gäbe es kein Morgen

Nach der Abkehr von den Büchern, eingerosteten Körperteilen und schreckhaftem Starren auf die Waage war alsbald die sportliche Phase angesagt (welche by the way immer noch andauert). Das Rudergerät gammelte vor der Pandemie vor sich hin, neu gesellte sich ein Hometrainer hinzu, auf welchem locker durch die Tage geradelt wird. Obwohl die Physis gut mitmacht, zeigt sich das monotone Radeln resp. Rudern als eher ermüdend denn aufbauend. Der Klick zum Onlineanbieter lag dementsprechend nahe, da die Fachhändler leider geschlossen waren. Ein Bildschirm musste her. Seither radle und rudere ich mit entsprechender Inbrunst weitere Serien ab, die ich ebenfalls schon länger auf einer meiner vielen Listen führe. Hilft im Fall richtig gut und die Zeit im Sattel oder auf dem imaginären Rotsee vergeht wie im Fluge.

Letztendlich fehlte doch irgendwas

Das Musikmachen – es geht ja trotzdem, wenn auch virtuell oder im Schreiben neuer Songs. Proben und Konzerte – Fehlanzeige resp. nicht wirklich zielführend. Lesen – irgendwann schädigend. Musik hören – mach ich eh den ganzen Tag. Fitnesscenter – zu Hause toll, aber auch die spannendste Serie hat ein Ende oder lässt sich auf einem Sportgerät nicht binge-watchen. Und irgendwie führt all dies auch nicht zur totalen Entspannung, auf welche ich mich zu Beginn dieser Krise «gefreut» hatte. Ich hab mir jetzt Farbstifte und ein Mandalamalbuch gekauft … ich schwör.

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