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Kinder sollen unglücklich sein wie nie zuvor

Rasen meine Kinder auf eine Depression zu?

Sind meine Töchter eigentlich glücklich? (Bild: nst)

Kinder, die derzeit elfjährig oder jünger sind, sind gemäss einer Studie so unglücklich wie keine Generation zuvor. Auch seien sie nur schwer zu begeistern, zeigt eine Auswertung des Instituts für Generationenforschung. Elternbloggerin Nadja hat mit ihren beiden Töchtern darüber gesprochen und wollte wissen: Was ist dieses Glück überhaupt?

Es war einer dieser Morgen, von dem ich finde, dass er ordali gut abgelaufen ist. Beide Kinder sind zügig aufgestanden und ihre Laune war für einen Morgen recht okay. Wir hatten keine Diskussion über Kleider, mein Frühstücks-Porridge schmeckte allen und sie schafften es, das Haus rechtzeitig und gar mit dem richtigen Gepäck zu verlassen. Gut gemacht, so denke ich.

Kinder unter elf sind zurzeit die unglücklichsten

Nach einer kurzen Sequenz Yoga und einer warmen Dusche stehe ich nun da im Badezimmer. Das Radio läuft. Ich höre nicht bewusst hin. Bis ich eine Nachricht höre, die mich aufhorchen lässt. Laut einer Studie des deutschen Forschungsinstitutes seien Kinder unter elf Jahren zurzeit die unglücklichsten. Hä? Ich drehe das Radio lauter.

In dieser Studie wurden über 1'200 Pädagoginnen befragt, die mit Kindern arbeiten. Nicht aber die Kinder selbst. Der zuständige Studienleiter kommt zum Resultat: «Es gab noch nie so viele unglückliche Kinder. Sie sind auch weniger begeisterungsfähig als noch vor zehn Jahren.»

Corona-Pandemie als Auslöser

Eine Rolle spiele die Corona-Pandemie, die sich entscheidend auf das Wohlbefinden der Kinder auswirke. Er sieht aber auch die Eltern in der Verantwortung. Gerade junge Eltern aus der Generation Z (ab Jahrgang 1995, nur schon, dass man hier einen Jahrgang nennt – ich bitte dich) seien zunehmend überfordert. Ein grosses Problem stelle die Überbehütung der Kinder dar. Rund jedes dritte Kind zwischen acht und neun Jahren soll davon betroffen sein.

Die sogenannten «Rasenmäher-Eltern» würden den Kindern alle Hindernisse und Probleme aus dem Weg räumen. Die Auswirkungen seien ähnlich, wie wenn Kinder von den Eltern vernachlässigt werden. Sie seien später weniger selbständig und könnten Probleme schlechter lösen. Gemäss Expertenteam stützen sich die Ergebnisse auf mehr als 22'500 Kinder ab. Bäm.

Die Studie verunsichert

Das kann ich unmöglich auf mir sitzen lassen. Den ganzen Vormittag über wälze ich diesen Gedanken in meinem Kopf hin und her. Was, wenn ich mir die ganze Zeit nur einrede, meine Kinder seien glücklich? Was, wenn sie in Wahrheit auf eine Depression zurasen und ich es nicht merke? Ein blinder Fleck meiner Muttersicht sozusagen, das kommt ja oft vor.

Wann habe ich beide Fröleins zuletzt herzhaft giggeln hören, so frage ich mich. Doch mir kommen einige Situationen in den Sinn. Dass mich meine ältere Tochter mit zunehmendem Alter weniger cool findet, schreibe ich ihrem Altern und dem Loslöseprozess zu. Aber lachen kann sie. Das tut sie doch noch, oder? Was hat sie gestern Abend beim Zubettgehen gesagt, was «heute gut war»? Beim Erzählen hat sie doch gestrahlt, oder? Diese Studie verunsichert mich und nimmt grad mehr Raum ein, als sie sollte.

Was macht meine Töchter glücklich?

Beim Mittagstisch erzähle ich den Fröleins, was ich im Radio gehört habe. Beide hören mir genau zu. Einen Moment ist es still und meine schlimmsten Gedanken rasen durch meinen Kopf. Aber dann: Empörung macht sich breit bei beiden Töchtern. Sie wollen wissen, wer dies gesagt habe und ob diese Leute überhaupt die Kinder gefragt hätten. Das stimme überhaupt nicht! Ich atme hörbar erleichtert aus. Keine bessere Reaktion hätte ich mir wünschen können. 

Wir erzählen einander, was sie (die Fröleins) und uns als Familie glücklich macht. Es sind so viele kleine und grosse Dinge! Die Mittagszeit reicht nicht aus, um alles aufzuzählen.

Die Leute sagen, dass Corona sie unglücklich mache, so erzähle ich ihnen. Das grosse Frölein findet die Zeit, in der sie nicht zur Schule gehen und keine Freundinnen treffen konnte, tausendmal schlimmer als die momentane Situation. Auch wenn sie im Unterricht zurzeit eine Maske tragen muss: hingehen zu können sei das Wichtigste. Das Abmachen mit ihren Freunden sind ihre Glücksinseln, tanzen auch und wenn sie in der Jackentasche eine Münze findet. Das kleine Frölein macht glücklich, wenn beim Fingerhandschuhe-Anziehen auf Anhieb in jedem Loch ein Finger steckt, draussen toben oder wenn sich die Busle im Bett auf ihre Beine legt.

Was macht mich glücklich?

Mich macht glücklich, die beiden diskutieren und lachen zu hören. Ihre Sicht auf das Leben, all ihre verrückten Ideen, ihre Begeisterung für gewisse Themen, auch Vorfreude auf Feste, ihre Wünsche und Träume. Und auch, wenn das Fertigfondue in einem Rutsch ins Caquelon fällt.

Beschwingt machen sie sich wieder mit dem Kickboard und Velo auf den Schulweg. Ich stehe im Türrahmen und schaue ihnen so lange nach, bis sie nicht mehr zu sehen sind. «Sie sind glücklich. Beide!» Das ist mein Mantra für diesen Tag und noch einige danach.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Alain
    Alain, 21.11.2021, 15:07 Uhr

    Immer wieder diese Behauptungen Corona sei schuld, dennoch sind z.B. Suizidzahlen während der Pandemie stabilgeblieben (in den USA sogar gesunken).

    Studien sind gut, aber sich auf eine einzelne Studien sich zu verlassen ist anti-Wissenschaftlich und dem Journalismus nicht würdig.

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