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Verlorene Schätze aus der St. Michaelskirche

Wie Zuger Barockaltäre in Konstanz landeten

Der Hochaltar, zwei Doppelaltäre sowie die Kanzel der alten St. Michaelskirche Zug stehen in Konstanz. (Bild: Oskar Rickenbacher)

Zug verkaufte 1906 drei Barockaltäre und eine Kanzel aus der kurz davor abgerissenen alten St. Michaelskirche nach Deutschland. Die Stadt Zug befand sich damals in Aufbruchstimmung und wollte die Schätze später zurückkaufen. Der Rückkauf von Konstanz scheiterte jedoch, wie Oskar Rickenbacher im Damals-Blog festhält.

Vor einigen Tagen war ich wieder einmal in Konstanz und konnte die frisch renovierte Dreifaltigkeitskirche in der Konstanzer Altstadt besichtigen. Die Kirche, deren Renovation längere Zeit gedauert hat und nun abgeschlossen ist, liegt keine fünf Minuten vom Hauptbahnhof entfernt.

Das Spezielle an der Konstanzer Dreifaltigkeitskirche ist die Ausschmückung mit Barockaltären und einer Kanzel. Sie alle stammen nämlich aus der ehemaligen St. Michaelskirche von Zug. Diese ehemalige Zuger Pfarrkirche stand neben dem noch heute vorhandenen Beinhaus auf dem Zuger Friedhof, wurde jedoch gegen Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen.

Eine neue Kirche für Zug

Im Jahr 1898, nach intensiven Auseinandersetzungen entschied die katholische Kirchgemeinde Zug, dass auf der Hofmatte für 400’000 Franken eine neue St. Michaelskirche gebaut werden soll. Die alte, wenig ästhetische und unschöne St. Michaelskirche auf dem Zuger Friedhof wollte man abbrechen.

Bereits um 1902 sollte die neue Kirche fertig erstellt sein. Da es zu dieser Zeit noch keine Kirchensteuer gab, sollten die Baukosten durch freiwillige Spenden der Kirchgenossen gedeckt werden. Während langer Zeit waren grosse Diskussionen darüber im Gang, die alte Kirche zu erhalten oder auch nur den Turm. Schlussendlich siegten die Befürworter eines Abbruchs und ein Jahr später war die alte Pfarrkirche dem Erdboden gleichgemacht.

Keine Wiederverwendung der Altäre

Die alte St. Michaelskirche von Zug wurde um das Jahr 1360 gebaut. Nachdem die Kirche 1457 abgebrannt war, wurde die neue gotische Kirche im Jahr 1469 wieder eingeweiht. Die kunstreiche Kanzel mit Schalldach sowie die Barockaltäre, die nun in Konstanz zu bewundern sind, wurden während des 17. Jahrhunderts eingebaut.

Aus finanziellen Gründen stellte der Kirchenrat den Antrag, die alten Altäre und die Kanzel in der neuen Kirche weiterzuverwenden. Obwohl die Kirchgemeindeversammlung dem Antrag zustimmte, wurde kurz darauf der Entscheid umgestossen und es wurde die Erstellung neuer Altäre beschlossen. Die Altäre und die Kanzel der alten St. Michaelskirche, für die es einige Kaufinteressenten gab, wurden nach der Demontage an verschiedenen Orten eingelagert.

Geldsorgen wegen der neuen St. Michaelskirche

Zum Kaufabschluss kam es im Jahr 1906. Ein Kunsthändler hat den Stadtpfarrer von Konstanz darauf aufmerksam gemacht, dass in Zug Altäre und eine Kanzel aus der abgebrochenen St. Michaelskirche zu erwerben sind. Schon am nächsten Tag fuhr der Stadtpfarrer mit dem Kunsthändler von Konstanz nach Zug. Sie fanden die Schmuckstücke in einer Scheune eingelagert und kauften diese sofort für 7000 Mark, im heutigen Wert zirka 90’000 Schweizer Franken.

Die Zuger verwendeten die 7000 Mark für die Schuldentilgung der neuen St. Michaelskirche. Denn die Kirchgemeinde hatte Probleme mit der Finanzierung des neuen Kirchenbaus. Aus heutiger Sicht ist es fast nicht nachvollziehbar, dass die alte Pfarrkirche St. Michael mit den vielen Kunstwerken und Wandmalereien abgebrochen werden musste.

Konstanz will die Kunstwerke behalten

Argumentieren könnte man heute, dass die St. Michaelskirche alt war, unschön und Ende des 19. Jahrhunderts in der Stadt Zug Aufbruchstimmung herrschte. Zwischen 1850 und 1900 hat sich die Wohnbevölkerung von 3300 auf 6500 Einwohner beinahe verdoppelt. Weiter wurde der neue Bahnhof eingeweiht, neue Hotels entstanden, das Casino und Stadttheater wurden eröffnet. Neue Industrien siedelten sich an, es war eine grosse Bautätigkeit und Aufbruchstimmung im Gange.

1948, also kurz nach dem 2. Weltkrieg, gelangte der Zuger Kirchenrat an den Oberbürgermeister der Stadt Konstanz. Sie wollten die nach Konstanz verkauften Kunstwerke aus der ehemaligen St. Michaelskirche zurückkaufen. Nach zwei Schriftwechsel und längeren Abklärungen bezüglich des Eigentums der Kunstwerke bekamen sie aber 1949 eine klare schriftliche Absage des Oberbürgermeisters.

Die Dreifaltigkeitskirche mit den Konzil-Fresken, den Zuger Altären und Kanzel ist sehr sehenswert, ich empfehle eine Reise nach Konstanz zur Besichtigung dieser Kirche.

Verwendete Quellen
  • Kunstführer «Dreifaltigkeitskirche Konstanz» und «Die Konzil Fresken der Dreifaltigkeitskirche» Fink Verlag, Lindenberg
  • Akten im Stadtarchiv Zug, Gespräche mit Frau Alina Viert, Archivarin
  • Zuger Neujahrsblatt von 1965 «Zwei Zugerische Kündig des Ennetsee»
  • TUGIUM 4/1988, Herr Peter Hoppe, «Aus der Frühzeit der Denkmalpflege»
  • Bericht und Antrag des Kirchenrates Zug von 1900
  • Briefwechsel Konstanz und Kirchgemeinde Zug von 1949
  • Zeitungsausschnitt «Zuger Nachrichten» von 1961
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Ob Hintergründe zu alten Gebäuden, Geschichten zu Plätzen, stadtbekannte Personen, bedeutende Ereignisse oder der Wandel von Stadtteilen – im «Damals»-Blog werden historische Veränderungen und Gegebenheiten thematisiert.
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