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Gastbeitrag: Wie ein Ersatzbau aussehen könnte

Jahrhundertprojekt neues Theater: Bitte keine exzentrischen Lösungen

Die Bahnhofstrasse heute: wenig einladend.

(Bild: zvg/Stefano Schröter)

Erweiterung oder Neubau? Seit der Testplanung für ein neues Theater am jetzigen Standort in Luzern ist die Debatte eingeschlafen. Dabei drängen sich bei diesem Jahrhundertprojekt einige Fragen auf. Die Architekten Frieder Hiss und Markus Heggli haben in ihrem Beitrag die drängendsten gesammelt.

Die Planung des Luzerner Theaters wird konkreter. Am 4. Februar trafen sich in der Theater-Box Fach- und Schutz-Verbände, um über die durchgeführte Testplanung für ein neues Theater zu diskutieren. Der Bericht der Jury stellt zwei Projekte in den Fokus, wobei die Lösung mit Umbau des bestehenden Theaters und einem Anbau eines neuen Theaters favorisiert wird (zentralplus berichtete).

Dazu ergaben sich viele Fragen, einige davon greifen wir hier auf. Denn bis anhin hatte das Thema – bis auf wenige Leserbriefe – erstaunlicherweise wenig Nachhall bewirkt, obwohl es sich bei diesem Vorhaben um ein Jahrhundertprojekt handeln dürfte.

Das Theater an der Stelle des früheren Freienhofes

Wir teilen die Meinung, dass städtebauliche, technische und gestalterische Auswirkungen einer Neubebauung im Bereich des ehemaligen Freienhofes – also der Lücke zwischen Luzerner Theater und Jesuitenkirche – sorgfältig geklärt werden müssen. Der Hinweis von André Meyer, dem früheren Denkmalpfleger des Kantons Luzern, auf irreversible Schäden, die an der denkmalgeschützten Kirche entstehen könnten, verpflichtet ohne Vorbehalte zu sehr sorgfältigem Vorgehen.

Für ein öffentliches Jahrhundertbauvorhaben darf er aber nicht zum Anlass genommen werden, vielversprechende Optionen vorweg auszuschliessen, wie eine Wiederbebauung der Freienhof-Brache sie beinhaltet.

Zwischen 1974 und 1980 erfuhr die Jesuitenkirche eine umfassende Sanierung. Das umlaufende Vorspannkorsett, die Stabilisierung der Türme, die Risssanierung und diverse Unterfangungen haben die Widerstandsfestigkeit des Gebäudes erhöht. Unter Einhaltung eines adäquaten Abstandes zwischen Kirche und einem Theaterneubau sind kompetente Ingenieure in der Lage, die bekannten bautechnischen Risiken im Baugrund zu meistern.

So könnte das alte Luzerner Theater Richtung Jesuitenkirche erweitert werden.

So könnte das alte Luzerner Theater Richtung Jesuitenkirche erweitert werden.

(Bild: zvg/HFF Architekten)

Städtebauliche Einfügung in der historischen Kleinstadt

Volumen und Gestaltung des Theaters dürften voraussichtlich die grösseren Herausforderungen darstellen. Um den stadthistorischen und aussenräumlichen Gegebenheiten gerecht zu werden, wird sich aus unserer Sicht eine Reduktion des Raumprogrammes aufdrängen.

Die historische Kleinstadt benötigt zudem keine exzentrischen Lösungen. Die Architektur hat der Identität dieses sensiblen Ortes gerecht zu werden und hohen (Ensemble-)Ansprüchen zu genügen – gestalterisch, städtebaulich und funktional. Der Beizug der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) dürfte dabei wesentlich sein.

Weder schützens- noch erhaltenswert

Die Jesuitenkirche ist national denkmalgeschützt und die Bauten Theaterstrasse 1 und 3 sind kantonal als erhaltenswert eingestuft. Das mehrfach umgebaute Theater hingegen ist in den Inventaren weder als schützens- noch erhaltenswert erwähnt. Im bauhistorischen Gutachten des Büros ADB S. Moeri vom Januar 2016 über das Theater wird explizit der in der Achse Kornmarkt–Rathaustreppe und Theater liegende Rathaussteg erwähnt.

Diesem Bezug kommt zweifellos Bedeutung zu, auch wenn der Flussübergang erst 60 Jahre nach Eröffnung des Theaters erstellt wurde und das Theater-Hauptportal zudem gegen Westen hin orientiert ist.

Im Schlussbericht der Testplanung wird darauf hingewiesen, dass der heutige Theaterbau «in keine Richtung eine substanzielle Entwicklung zulasse». Es bleibt jedoch in der Folge offen, wie dieser entscheidende Faktor gewichtet wird. Betont wird gleichzeitig aber auch, dass das Theater im Kollektivgedächtnis der Luzerner Bevölkerung verankert ist.

So könnte ein Theaterneubau aussehen (Aufnahme aus dem Schlussbericht zur Testplanung eines Luzerner Theater).

So könnte ein Theaterneubau aussehen (Aufnahme aus dem Schlussbericht zur Testplanung eines Luzerner Theater).

(Bild: zvg)

Fragen drängen sich auf

Aus denkmalpflegerischer Sicht gälte es, die Präsenz des bestehenden Theaters im Stadtraum zu erhalten. Quelle für diese Erkenntnis ist das vorerwähnte Gutachten, nach welchem «der Innenraum durch die zahlreichen Umbauten an Bedeutung eingebüsst hat, die städtische räumliche Wirkung des Gebäudes aber durch die Veränderungen sogar gesteigert wurde.»

Diese Aussage überrascht und wirft Fragen auf: Denn das 2016 erstellte Gutachten beurteilte einen freistehenden Theaterbau.

  • Gilt daher die Aussage einer Steigerung der städtisch-räumlichen Wirkung auch für eine Ankopplung eines grossdimensionierten Erweiterungsbaus und die beabsichtigten umfangreichen «Umstrukturierungen und Transformationen» des bestehenden Theaterbaues?
  • Wie lässt sich daher ableiten, dass das heutige Luzerner Theater «wegen seines Eigenwertes und seines Situationswertes im Rahmen eines bescheidenen Anbaues umnutzbar, aber nicht abbrechbar» sei?
  • Droht nach der Vielzahl bisheriger Veränderungen und einem erneuten massiven Umbau mit Erweiterung dem Theatergebäude nicht eher der endgültige Verlust seiner «Identität»?
  • Würde mit einer geschlossenen Bauzeile entlang der Reuss nicht die ursprüngliche Abgrenzung der historischen Kleinstadt gegenüber der Neustadt – spürbar am Verlauf der ehemaligen Stadtbefestigung Hirschengraben–Kapellbrücke – an entscheidender Stelle noch unkenntlicher gemacht?
  • Sind mit der Lösung «Umbau und Erweiterung» überdies die wesentlichen Voraussetzungen für einen funktionierenden zeitgemässen Theaterbetrieb gewährleistet?
  • Ist eine erneute Diskussion über andere Theaterstandorte sinnvoll? Welche «alternativen Standorte» stünden denn wirklich zur Verfügung?

Fachpersonen sind für einen Neubau

Seit 2012 stehen wir mit Überzeugung für die Situierung des neuen Theaters an Stelle des 1949 abgebrochenen Freienhofes ein. Damit ergäbe sich die Chance für eine städtebauliche Neugestaltung dieses brachliegenden Areales und die Wiederherstellung der historischen Kontur der Kleinstadt an ihrem östlichen Ende.

Auch die anwesenden Personen von Fach- und Schutzverbänden haben sich deutlich für einen Neubau ausgesprochen. Es wurde offenkundig, dass die Lösung Um- und Anbau des bestehenden Theaters, die nach Urteil der Jury eher im Vordergrund stand, weder den Anforderungen des Theaters gerecht wird noch eine zukunftsgerichtete Lösung darstellt.

Diese Einschätzung wurde von den leitenden Personen des Theaters klar bestätigt. Bildungs- und Kulturdirektor Reto Wyss sprach sich ebenfalls für eine Neubaulösung aus. Eine Reduktion des Raumprogrammes wurde angeregt, um eine bessere Einfügung erreichen zu können und um Raum für einen Theaterplatz zu schaffen. Auf die weiteren Schritte darf man gespannt sein.

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