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Umbau eines Riegelhäuschens mit Jahrgang 1848 in Baar

Wie aus einem alten Hühnerstall ein Tiny House wurde

Viel Charme auf wenigen Quadratmetern bietet das sanierte Riegelhaus dank gezielten und kreativen Eingriffen. (Bild: Regine Giesecke)

Beim Begriff Tiny House denken viele an eine kleine, moderne Kiste. Eine Baarer Beispiel zeigt, wie man minimalistisches Wohnen auch in historischem Bestand in der Landwirtschaftszone umsetzen kann. Ganz zur Freude der Bewohnerin, für die ein Kindheitstraum in Erfüllung ging.

Für Nadja Zürcher – aufgewachsen auf einem Bauernhof im Baarer Weiler Büessikon – war schon als Kind klar: Wenn sie einmal gross ist, möchte sie im kleinen Riegelhaus wohnen, in dessen Bretterverschlag zwei Dutzend Hühner jahrzehntelang zuverlässig ihre Eier legten. Wie toll wäre es, dachte sie sich, das Häuschen mit dem abgeschrägten Dachgeschoss und den hölzernen Balken ganz nach ihrem Gusto herzurichten.

Selber wohnte sie damals noch mit den Eltern und zwei Geschwistern im grossen Bauernhaus nebenan. Doch eines Tages kam aufgrund einer landwirtschaftlichen Neuausrichtung tatsächlich der Zeitpunkt, an dem die Hühner ausgegackert hatten.

Abriss kein Thema

Das frei gewordene Gebäude blieb mehr oder weniger unbenutzt – bis man in der Familie Umbau- und Sanierungspläne schmiedete. «Ein Abriss des Riegelhäuschens stand nie zur Debatte. Wir alle mochten es», erinnert sich Nadja Zürcher.

Aus einem Hühnerstall wird ein Tiny House.
Nadja Zürcher baute mit ihrem Bruder das alte Riegelhäuschen in ein stilvolles Tiny House um. Ein Kindheitstraum ging in Erfüllung. (Bild: Regine Giesecke)

Und Bruder Philippe, der den Hof mittlerweile vom Vater übernommen hatte, war bereit, die Sanierung als Bauherr anzugehen und dafür zu sorgen, dass der Traum seiner Schwester in Erfüllung geht. Schliesslich hatte man einen familiären und emotionalen Bezug zum Häuschen mit Jahrgang 1848. Errichtet hatte es Karl Kaspar Zürcher – der Urgrossvater der Geschwister.

Aus einem Hühnerstall wird ein Tiny House.
Es war der Urgrossvater der heutigen Bewohnerin, Karl Kaspar Zürcher, der den Fachwerkbau mit Ziegeldach und Mauersockel 1848 errichten liess. (Bild: Archiv Zuger Denkmalpflege)

Denkmalschutz macht Umbau erst möglich

Doch eine Umnutzung der Baute war – da in der Landwirtschaftszone gelegen – nicht ohne weiteres möglich. Denn in dieser Zone dürfen grundsätzlich nur Gebäude stehen, die der Landwirtschaft dienen. Ausnahmen sind möglich, wenn ein Objekt unter Denkmalschutz gestellt wird. Im Wissen um diese Gesetzeslage reichte die Eigentümerschaft im Sommer 2020 einen Antrag auf Unterschutzstellung ein und erklärte ihre Absicht, das landwirtschaftliche Kleingebäude in ein Tiny House zu verwandeln.

Aus einem Hühnerstall wird ein Tiny House.
Viele Kleinbauten dieser Art wurden in der Vergangenheit abgerissen; nicht so das Tiny House auf dem Hof Büessikon in der Gemeinde Baar. (Bild: Regine Giesecke)

Kanton und Gemeinde stimmten dem Vorhaben zu. Das Häuschen, so die Begründung, gehöre zum «Bauten-Kanon», wie er seit dem 18. Jahrhundert typisch für die Höfe in der Innerschweiz sei. Zudem trage das Objekt wesentlich zur intakten Erscheinung der Hofgruppe bei. Auch habe es, weil ähnliche Bauten da und dort abgebrochen wurden, einen gewissen Seltenheitswert. Die Grundsubstanz des Objekts, so das Urteil der Fachleute, sei zudem gut und praktisch unversehrt erhalten.

Schraubenlose und leimfreie Holzverbindungen

Gemeinsam mit einer Holzbaufirma aus Neuheim und der Zuger Denkmalpflege definierte man in der Folge die baulichen Massnahmen am Denkmal. Primär galt es, die Tragstruktur instand zu stellen, die Decken und Wände massvoll zu isolieren und neue Bodenbeläge zu verlegen. Im Erdgeschoss sind es hellgraue Keramikplatten, denen auch die nassen Hundepfoten von Nadja Zürchers Vierbeiner nichts anhaben können. Im Dachgeschoss sind es Holzriemen aus Esche.

Balken, deren Holz morsch oder verfault war, wurden materialgetreu ersetzt. Komplexe schraubenlose und leimfreie Holzverbindungen aus Fichte, Tanne, Douglasie oder Lärche realisierten die Zimmermänner in Einzelanfertigung. Zudem wurden neue zweifachverglaste Sprossenfenster eingesetzt. Bei der Eingangstür vertraute man auf das Fachwissen eines Luzerner Holzprofis. Er rettete das historische Deckblatt, sanierte es, doppelte die Tür gegen innen für eine bessere Isolation auf und montierte anschliessend wieder die alten Beschläge.

Kleine Fläche, handfeste Vorteile

Eine geschmackvolle und raffiniert konzipierte Küche und eine kleine, mit Einbaumöbeln ausgestattete Nasszelle runden das Motto «Schöner und platzsparend Wohnen» im Tiny House ab. Modern und leicht wirkt die schwarze Eisentreppe, mit der das Obergeschoss erschlossen ist. Hier befindet sich der Schlafbereich, der abends dank dimmbaren LED-Streifen stimmungsvoll und diskret beleuchtet wird.

Knapp 50 Quadratmeter weist die Grundfläche auf – wahrlich wenig für die 1,80 Meter grosse Bewohnerin. «Auf kleinem Raum zu wohnen ist praktisch und hat handfeste Vorteile», findet sie hingegen. «Man muss sich überlegen, was man wirklich zum Leben braucht und realisiert, dass man auf vieles verzichten kann.» Nadja Zürcher muss es wissen. Sie hat vor dem Bezug des historischen Minihauses auf noch engerem Raum gelebt: in einem kleinen Camper, wo es ihr ebenfalls an nichts fehlte.

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