Umstrittener grüner Klotz

EWL nimmt «Steghof-Palast» nochmals unter die Lupe

Das ehemalige Unterwerk beim Steghof in Luzern würde man kaum als architektonische Perle bezeichnen. (Bild: ewi)

Mini-Erfolg für die neu gegründete IG Unterwerk Steghof. Die EWL ist bereit, den historischen Wert des grünen Klotzes beim Steghof nochmals zu prüfen. Mit ihren weiteren Anliegen läuft die IG hingegen auf.

Architektur ist oft eine Frage des Geschmacks. Es gibt jedoch Gebäude, die viele Leute als «schön» einstufen würden. Und genauso gibt es Häuser, bei denen das Gegenteil zutrifft. Sie gelten als hässlich und können aus Sicht vieler abgerissen werden.

Der grüne Klotz an der Sternmattstrasse beim Steghof in Luzern fällt in die zweite Kategorie. Vermeintlich. Doch ausgerechnet um dieses Gebäude ist ein Streit um den Wert dessen Bausubstanz entfacht. Losgetreten hat diesen die neu gegründete IG Unterwerk Steghof, welche sich aus mehreren Quartiervereinen und Architekturverbänden zusammensetzt.

Neue IG will das Gebäude erhalten

In einem offenen Brief fordert die IG die EWL, die Eigentümerin des Gebäudes, zu einem sorgfältigen Umgang mit dem grünen Klotz auf (zentralplus berichtete). Denn unter den grünen Faserzementplatten versteckt sich mit dem 1905 erbauten ehemaligen Unterwerk aus Sicht der IG ein architektonisches Schmuckstück. Das Unterwerk wurde gebaut, um die Stromversorgung der wachsenden Stadt Luzern sicherzustellen. Historische Bilder belegen, dass das Gebäude an der Sternmattstrasse früher in einem ganz anderen Gewand als heute daherkam.

So sah das 1905 erbaute Unterwerk beim Steghof einst aus. (Bild: Denkmalschutz Luzern)

Doch im Laufe der Zeit wurde das Unterwerk baulich stark verändert. Heute erinnert kaum noch etwas an den ehemaligen Industriebau. Und die Tage, als das Gebäude noch zur Stromversorgung diente, sind längst gezählt. Heute nutzt die EWL einen Teil des Hauses als Lager für die städtische Weihnachtsbeleuchtung. Weitere Teile werden vermietet.

«Es ist für uns eine Option, das Gebäude beim Steghof abzureissen und das Areal als Ausweichfläche zu nutzen.»

Gabriela Hübscher, Sprecherin EWL

Doch die IG Unterwerk sieht in diesem Haus mehr als einen grünen Klotz. In ihrem offenen Brief schreibt sie: «Versteckt unter der angebrachten Fassade sind grosse Teile der ursprünglichen schmuckvollen Backsteinfassade mit reicher Detaillierung noch vorhanden.» Diese sei charakteristisch für die damalige Industriearchitektur und das Gebäude darum von grossem historischem Wert. «Das Unterwerk kann damit als eigentlicher Kraftwerkspalast bezeichnet werden», ist die Gruppe überzeugt.

EWL braucht Platz und erwägt Abriss des Gebäudes

Doch der «Palast» steht unter Druck. Denn die EWL denkt über einen Abriss nach. Grund dafür ist die in den nächsten Jahren bevorstehende Überbauung des EWL-Areals an der Industriestrasse, welches in unmittelbarer Nähe zum Steghof liegt.

«Es wird einerseits eine Ausweichmöglichkeit für die Baumaschinen benötigt, andererseits Lagerflächen für unser Material, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Strom, Wasser und Wärme zu gewährleisten», sagt EWL-Sprecherin Gabriela Hübscher auf Anfrage. «Darum ist es für uns eine Option, das Gebäude beim Steghof abzureissen und das Areal als Ausweichfläche zu nutzen.» Durch die Nähe zum EWL-Areal und die zentrale Lage sei das Grundstück beim Steghof gut für diesen Zweck geeignet.

Architektonischer Wert des Unterwerks ist fraglich

Dennoch hat der offene Brief der IG Unterwerk eine erste Wirkung erzeugt. So teilt die EWL mit, dass sie gemeinsam mit der Denkmalpflege den historischen Wert des Gebäudes überprüft. Dabei hat die EWL genau dies vor einigen Jahren bereits gemacht. «Wir haben uns schon einmal mit dieser Frage befasst», sagt EWL-Sprecherin Hübscher. Doch die Denkmalpflege kam damals zum Schluss, dass das Gebäude weder schützens- noch erhaltenswert ist.

Das Gebäude wird womöglich abgerissen, um Platz für Baumaschinen und Material der EWL zu schaffen. (Bild: ewi)

So meinte Mathias Steinmann, Leiter des kantonalen Bauinventars, in einem früheren Medienbericht gegenüber zentralplus: «Der heutige architektonische Stellenwert des ehemaligen Kraftwerkpalastes wird durch die zahlreichen Eingriffe und Veränderungen erheblich geschmälert.»

«Uns ist wichtig, dass hier nicht auf Vorrat ein Gebäude abgerissen wird, dessen Bausubstanz intakt ist.»

Gerlinde Venschott, IG Unterwerk Steghof

Hübscher erklärt: «Von aussen hat man den Eindruck, dass man bloss die grünen Platten entfernen muss und das alte Gebäude ist wiederhergestellt. Auch im Innern wurde aber sehr viel verändert.» Die EWL wartet nun die erneute Beurteilung des Schutzstatus ab, bevor sie sich weiter mit der Abriss-Frage auseinandersetzt.

Und wenn das Gebäude nun doch schützenswert ist? Bei dieser Frage hält sich Gabriela Hübscher zurück. Falls das Gebäude unter Schutz gestellt würde, werde die EWL die Situation neu beurteilen. Aktuell gäbe es keinen Plan für dieses Szenario.

IG warnt vor vorschnellem Abriss

Dass die EWL den Schutzstatus nochmals überprüft, bezeichnet Gerlinde Venschott von der IG Unterwerk als Etappenerfolg. «Uns ist wichtig, dass hier nicht auf Vorrat ein Gebäude abgerissen wird, dessen Bausubstanz intakt ist, auch wenn die Schmuckfassade unter den Massnahmen der 60-/70er-Jahre gelitten hat», betont sie auf Anfrage. Nebst der historischen Bedeutung des Unterwerks sei ein Abriss auch aus Gründen der Nachhaltigkeit fraglich.

Dennoch sei der Zweck der IG nicht das Verhindern des Abbruchs um jeden Preis, sondern dass die Situation beim Steghof gründlich analysiert wird. Die erneute denkmalpflegerische Beurteilung sei ein erster Schritt in diese Richtung, so Venschott. Die Diskussion soll aber darüber hinaus führen. «Wir müssen uns als Gesellschaft grundsätzliche Gedanken darüber machen, wie wir mit bestehender Bausubstanz umgehen», sagt die Architektin Venschott.

Sie hinterfragt, ob der Abriss eines Hauses wirklich verhältnismässig ist, um vorübergehend Platz für Baumaschinen zu schaffen. «Wir haben das Innere des Hauses besichtigt und tolle Räume gesehen», betont sie. «Hier gibt es viele Nutzungsmöglichkeiten jenseits eines Abbruchs.»

Solche kommen für die EWL derzeit aber nicht infrage. Die Firma weist auf den Eigenbedarf hin. Eine öffentliche Zwischennutzung des Areals schliesst die EWL zum jetzigen Zeitpunkt darum aus. Sollte sich der Baustart für das EWL-Areal aber erneut deutlich verzögern, will das Unternehmen eine Zwischennutzung nochmals prüfen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Gabriela Hübscher
  • Medienmitteilung der EWL
  • Telefonat mit Gerlinde Venschott
  • Offener Brief der IG Unterwerk Steghof
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
    Hanspeter Flueckiger, 07.07.2023, 10:34 Uhr

    Warum muss man diese potthässliche Weihnachtsbeleuchtung überhaupt lagern?

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