Bauprojekt an Neustadtstrasse

SBB-Abriss in der Stadt Luzern sorgt für Kritik

SP-Grossstadtrat Mario Stübi kritisiert den vorzeitigen Abriss des bestehenden Gebäudes an der Neustadtstrasse 24a. (Bild: ewi / bic)

Der SBB-Neubau an der Neustadtstrasse in Luzern verzögert sich. Eine mögliche Zwischennutzung kommt aber nicht infrage – weil die SBB das bestehende Gebäude voreilig abgerissen haben.

«Arkum» heisst das SBB-Projekt an der Neustadtstrasse 24a. Der Name – das lateinische Wort für Bogen – ist kein Zufall, schliesslich befindet sich das neue Gebäude gleich neben den Zuggleisen, die an dieser Stelle in einem weiten Bogen in Richtung Bahnhof führen. Und mit diesem lateinischen Hintergrund klingt der SBB-Neubau irgendwie bedeutsam und «fancy».

Weniger «fancy» ist allerdings der Zeitplan des Projekts. Im Baugesuch hiess es ursprünglich, das sechsstöckige Gebäude soll bis 2022 realisiert werden (zentralplus berichtete). Doch wer heute an besagtem Ort vorbeigeht, sieht nichts, ausser einer umzäunten, betonierten Fläche. Vom «Arkum» fehlt noch jegliche Spur.

SBB brauchen mehr Zeit zur Sanierung der Altlasten

Auf der Projekt-Website ist der Zeitplan mittlerweile angepasst. Demnach soll der Baustart 2024 erfolgen, der Bezug der 36 neuen Wohnungen ist für 2026 geplant. Doch ein Steckbrief des Projekts, der ebenfalls auf der Website aufgeschaltet ist, zeugt noch von den ursprünglichen Plänen: Errichtung, 2022. Inbetriebnahme: 2025.

Das Projekt «Arkum» ist seit 2020 nicht mehr als eine abgesperrte Asphalt-Fläche. (Bild: ewi)

Doch wie kommt es, dass der SBB-Zeitplan schon vor dem Baustart so aus den Fugen geraten ist? SBB-Mediensprecherin Jeannine Egi sagt dazu auf Anfrage: «Die Verzögerungen im Projekt gehen auf Abklärungen für das Sanierungsprojekt zurück und waren so nicht absehbar. Deshalb ist zwischen Rückbauarbeiten und Baustart mehr Zeit verstrichen als geplant.»

Das Genehmigungsverfahren für die entsprechende Sanierung der Altlasten auf dem Grundstück laufen derzeit. Die Baubewilligung ist Ende Oktober 2022 eingetroffen – rund drei Jahre, nachdem die SBB das Baugesuch bei der Stadt eingereicht haben.

Abriss steht exemplarisch für Problem in Luzern

Nun ist es keine Seltenheit, dass sich ein Bauprojekt verzögert. Neubauten, die den ursprünglichen Zeitplan einhalten, sind eher die Ausnahme als die Regel. Dennoch sorgt der SBB-Zeitplan für Kritik. Diese stammt von SP-Grossstadtrat Mario Stübi. Er kritisiert weniger die Verspätung des Projekts, sondern den voreiligen Abriss des Gebäudes, das früher dort an der Neustadtstrasse stand.

Dabei handelte es sich um ein Industriegebäude, das verschiedene Ateliers und Werkstätten beheimatete. Im Dezember 2019 starteten die Abrissarbeiten, um Platz für den SBB-Neubau zu schaffen. Seither steht das Areal brach – woran sich bis 2024 nichts verändern wird. Eine Zwischennutzung des Grundstücks, um die Verzögerung im Projekt zu überbrücken, ist somit ausgeschlossen.

«Das ehemals auf dem Grundstück befindliche Gebäude befand sich in einem schlechten Zustand und wurde deshalb zurückgebaut», rechtfertigt SBB-Mediensprecherin Jeannine Egi den Abriss. Doch Mario Stübi bezweifelt das: «Das ist für mich eine Standardausrede der SBB», sagt er. Die Neustadtstrasse 24a stehe exemplarisch für das Grundproblem: «Ein Mangel an Gespür für Raum im Bestand.»

«Es muss endlich Schluss sein mit der Praxis, dass einfach mal abgebrochen wird und dann erst neu gebaut, wenn einem danach ist.»

Mario Stübi, Grossstadtrat SP

So fragt Stübi rhetorisch: «Wenn das Haus tatsächlich in einem schlechten Zustand gewesen sein sollte, warum musste es denn aus Sicherheitsgründen nicht schon früher abgebrochen werden?» Wäre es möglich gewesen, das Haus zu sanieren und so für eine Zwischennutzung nutzbar zu machen? Fragen, die sich erübrigen, jetzt, da das Gebäude abgerissen wurde.

In Luzern braucht es keine Abriss-Bewilligung

Damit das in Zukunft nicht mehr vorkommt, fordert Stübi ein Umdenken seitens Eigentümer: «Es muss endlich Schluss sein mit der Praxis, dass einfach mal abgebrochen wird und dann erst neu gebaut, wenn einem danach ist.» Dabei nimmt der Grossstadtrat auch die Stadt Luzern in die Pflicht. Diese soll Abbruchbewilligungen erst erteilen, wenn gleich im Anschluss mit dem Neubau begonnen wird.

Doch hier hat die Sache einen Haken. «Das luzernische Recht sieht keine generelle Bewilligungspflicht für Abbrucharbeiten vor», sagt Astrid Rädel, Co-Leiterin Städtebau in Luzern. Eine solche gibt es nur, wenn das Gebäude in einer Ortsbildschutzzone liegt oder Teil des kantonalen Bauinventars ist. Bei der Neustadtstrasse 24a ist beides nicht der Fall. Darum war der Abbruch lediglich melde-, nicht aber bewilligungspflichtig.

Ein Recht, wie es Mario Stübi vorschlägt, gilt in Luzern demnach nur bei Bauprojekten in historischen Ortskernen. Dort dürfen Gebäude gemäss Planungs- und Baugesetz erst abgerissen werden, wenn die Baubewilligung erteilt ist. Unter diesen Voraussetzungen hätte das bestehende Gebäude an der Neustadtstrasse rund drei Jahre länger stehen bleiben und genutzt werden können.

Das Thema «Abbruch auf Vorrat» gibt in Luzern regelmässig zu reden. Sei es in der Causa Eichwäldli oder bei den jüngsten Besetzungen in diesem Sommer an der Bruch- und der Kellerstrasse. Dass der Abriss an der Neustadtstrasse vergleichsweise ruhig über die Bühne ging, hängt wohl auch damit zusammen, dass dadurch «nur» Gewerbe-, nicht aber Wohnraum verloren ging.

Verwendete Quellen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


11 Kommentare
  • Profilfoto von Bob de Boumaa
    Bob de Boumaa, 13.12.2022, 14:11 Uhr

    Ich bin kein Gegner von Zwischennutzungen, im Gegenteil. Aber noch mehr Gesuche, Gebühren und vor allem elend lange Wartezeiten auf die Bewilligung der heillos überforderten Stadtverwaltung?

    👍6Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Barbara
    Barbara, 13.12.2022, 12:39 Uhr

    Wenn die Unterhaltskosten grösser als die Einnahmen sind, muss der Eigentümer das Recht haben abzureissen. Es bezahlt ihm ja niemand seinen Verlust, da es sein Eigentum ist. Aber Eigentum ist ja nicht SP konform. In diesem Kontext verstehe ich das Anliegen von Mario Stübi…

    👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Hugo Ball
      Hugo Ball, 13.12.2022, 14:15 Uhr

      Offenbar haben Sie im Bereich «umdenken» noch erheblichen Nachholbedarf.
      Wenn erstmal alles verstaatlicht ist, bezahlt dann der Staat dem Eigentümer den Ver…..oooops……! Error im System.

      👍4Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 13.12.2022, 07:37 Uhr

    Zum Glück macht die ewig wegschauende und sich krampfhaft die Augen zuhaltende Bau»direktorin» nun einen Abgang. Wenn sie mit einer fähigen Kraft ersetzt wird, kommen auch die städtischen Baugesetze langsam in den 1990er Jahren oder gar in der Gegenwart an.

    👍2Gefällt mir👏1Applaus🤔2Nachdenklich👎4Daumen runter
    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 13.12.2022, 09:08 Uhr

      Was mich betrifft, so habe ich mittlerweile verstanden, dass Sie der Baurirektorin den baldigsten Abgang wünschen. Was ich nicht verstehe ist, wie Sie auf die Idee kommen, dass diese nach ihrem Abgang durch eine Person mit sozialistischem Gedankengut und kollektivistischen Ideen betreffend Wohn-und Bodenpolitik, also eine Enteignerin, ersetzt wird, die sich dann in Ihrem Idealfall auch über Gesetze hinwegsetzt. Der Herr Stübi ist da ganz Ihr Bruder im Geiste. Sehen Sie, und deswegen fordere ich Stübis Abgang und Ersetzung durch eine fähigere Kraft. Er „fordert ein Umdenken seitens Eigentümer“ (sic!). Er hat aber damit zu leben, dass von ihm nicht umerzogene Leute eben genau nicht so denken wie er. Sie auch.

      👍7Gefällt mir👏0Applaus🤔2Nachdenklich👎5Daumen runter
      • Profilfoto von Ein Gläschen Dom Pérignon
        Ein Gläschen Dom Pérignon, 13.12.2022, 10:45 Uhr

        Ich schlage vor, Herr Stübi und sein gleichgesinntes Milieu aus der links-grünen Nomenklatura, sorgen in der Stadt Luzern mit eigenen Liegenschaften dafür, dass der Bedarf nach Zwischennutzung ihrer Klientel hinreichend gedeckt werden kann.

        👍8Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
      • Profilfoto von Hanspeter Flueckiger
        Hanspeter Flueckiger, 13.12.2022, 12:24 Uhr

        Herr Bitterli! Ein sehr treffend und gut formulierter Kommentar. So ist es nämlich.

        👍5Gefällt mir👏1Applaus🤔1Nachdenklich👎4Daumen runter
      • Profilfoto von Kommentarschreiber
        Kommentarschreiber, 13.12.2022, 13:15 Uhr

        @Peter Bitterli
        Ja, aber der Herr Bitterli ist auch nicht mein «Bruder im Geiste», der «eben genau so denkt wie er» und das sage ich als Vermieter und Hausbesitzer.

        👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎6Daumen runter
        • Profilfoto von Peter Bitterli
          Peter Bitterli, 13.12.2022, 16:20 Uhr

          Ok, sagen Sie das als Vermieter und Hausbesitzer. Aber bloss nicht unter eigenem Namen.

          👍4Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 13.12.2022, 07:23 Uhr

    Der präventive Direktabriss bewährt sich, wenn man sieht, was nach sog. Zwischennutzungen alles für Kollateralschäden und Ungemach auftauchen können. Fazit: Selber schuld!

    👍9Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎4Daumen runter
    • Profilfoto von Nico
      Nico, 13.12.2022, 08:58 Uhr

      Ja, da kommt der Verdacht auf, als wären die Verzögerungen nur mit dem Ziel einer alternativen Zwischennutzung….

      👍1Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎6Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon