Nach Tunnel-Debakel

Velotunnel, Billig-Abo, Promenade: Wie weiter in Zug?

Ein Tunnel sollte die Verkehrsprobleme im Zuger Zentrum lösen. (Bild: Andreas Busslinger)

Der Kanton Zug wollte Tunnel bauen, doch der Souverän sagte Nein. Jetzt streitet die Politik, wie es weitergeht. Einige wollen nichts tun – andere schlagen Spektakuläres vor.

Am 3. März haben die Zuger Stimmbürger klargemacht: Wir wollen keine Tunnel. Der Ausgang war für die Regierung und die Bürgerlichen im Kanton ein Schlag. Sie hatten sich geschlossen für die Umfahrungslösungen in Unterägeri und der Stadt Zug eingesetzt.

Mittlerweile ist der Schock verdaut. Der Kanton hat ein Forschungsinstitut beauftragt, eine Nachanalyse durchzuführen. Und die Frage drängt sich auf, wie es weitergeht. Denn die Grossprojekte hätten 75 Prozent des Verkehrs in den Zentren reduzieren sollen. Wäre es nicht sinnvoll, an diesem Ziel festzuhalten?

zentralplus hat dazu eine Umfrage gemacht, unter allen Parteien des Kantonsrats, des Grossen Gemeinderats und den Ortsparteien in Unterägeri. Ihre Antworten zeigen: Das Nein an der Urne wird sehr verschieden interpretiert. Ausserdem machen erste Ideen die Runde, um den Verkehr zu verbannen.

In zwei Artikeln beleuchtet zentralplus, wie die Parteien in die Zukunft blicken. Dabei geht es um Fragen wie: Muss der Verkehr aus den Zentren – und wenn ja, wohin? Der erste Teil widmet sich der Stadt Zug, in der ein Tunnel besonders umstritten war.

Bürgerliche der Stadt Zug halten die Füsse still

Der rund zwei Kilometer lange Umfahrungstunnel sollte von der Gubelstrasse im Norden bis zur Artherstrasse im Süden führen; und so das Nadelöhr Neugasse entlasten. Dass die Bürger den Bau mit 57 Prozent ablehnten, ist für zwei Stadtparteien ein klares Zeichen – zum Nichtstun.

Zu Stosszeiten ist die Neugasse verstopft. (Bild: Andreas Busslinger)

«Wenn das Volk der Regierung das Werkzeug aus der Hand schlägt, eine Lösung zu bringen, wird es eben auch keine Lösung bekommen», sagt David Meyer, Fraktionschef der städtischen GLP. Sein Kollege Roman Küng, Fraktionschef der SVP, ergänzt: «Offenbar wird die Verkehrsbelastung als nicht sehr dramatisch empfunden.»

Bürgerliche Tunnelgegner gaben den Ausschlag

Küng betont, dass ein Nein zu den Tunneln kein Ja zu einer links-grünen Verkehrspolitik sei. «Ohne die zahlreichen Neinstimmen aus bürgerlichen Kreisen wären die Umfahrungen angenommen worden.» Denn im Kanton Zug herrscht eine bürgerliche Mehrheit.

Gleiches hört man von SVP und FDP im Kantonsrat. In einem Vorstoss schreiben die Fraktionen, einige Bürgerliche hätten Lage, Kosten und Nutzen der Tunnel kritisiert. Ihr Nein bedeute nicht, Autos zu verdrängen. Doch mehr noch: «Wir werten die Ablehnung auch nicht als generelle Ablehnung für eine Umfahrung», findet FDP-Fraktionschef Michael Arnold.

Die städtische FDP sieht es wie die Kantonalpartei. «Der Kanton Zug soll eine alternative Linienführung des Stadttunnels prüfen», schreibt Fraktionschef Mathias Wetzel. Auch Kantonsstrassen an die Stadt abzugeben, sei eine Überlegung wert. Von der Stadt Zug verlangt er alternative Lösungen – allenfalls durch Expertise aus dem Ausland.

«Wir haben jetzt eine neue Ausgangslage ohne Tunnellösung», findet dagegen Mitte-Fraktionschef Christoph Iten. Seine Partei will nun vor allem das Zentrum und die grossen Plätze der Stadt aufwerten.

Linke fordern Mut, neue Wege zu beschreiten

Der Sieg am 3. März war für die Alternative – die Grünen (ALG) und die SP ein Riesenerfolg. Als linke Minderheit standen ihre Chancen gelinde gesagt schlecht. In der Umfrage schreiben beide Parteien nun, die Verkehrsbelastung im Stadtzuger Zentrum sollte man «mittelfristig» lösen.

Die junge ALG demonstrierte im Zentrum gegen den geplanten Tunnel. (Bild: zvg)

Dagmar Amrein, Fraktionschefin der ALG-CSP, stellt sich das so vor: Aus den grossen Kantonsstrassen sollen Gemeindestrassen werden, neue Dosierampeln könnten den Verkehr lenken und «mobility pricing» die Stosszeiten entschärfen.

«Es braucht den Mut und den Willen, neue Wege zu beschreiten», findet auch Ivano De Gobbi, Chef der SP-Fraktion. Er verlangt, jetzt das Projekt «Promenade Zug» des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) Sektion Zug im Detail zu prüfen. «Als Versuch könnte die Vorstadt von Freitagabend bis Montagmorgen für den Verkehr gesperrt sein. Das geht sogar im autoaffinen Italien.»

Das Projekt «Promenade Zug» will den Verkehr eindämmen

Das Projekt des VCS sieht vor, zwischen Postplatz und Gubelstrasse eine autofreie Zone und eine Fussgänger- und Velozone am See zu schaffen. So wird die Vorstadt autofrei – durch einen Einbahnring entlang von Garten-, Bahnhof-, Post- und Industriestrasse. Nicht nur die städtische SP, auch die kantonale ALG liebäugelt mit dem Plan.

Die ALG war während des Abstimmungskampfs die lauteste Tunnelgegnerin und hätte es am liebsten, wenn die privaten Autos ganz stehen bleiben würden. «Wir müssen auch innovative Ideen prüfen, wie ein 10-Franken-ÖV-Abo für junge Menschen», sagt Co-Präsident Luzian Franzini; und ein Veloausleihsystem analog zu dem in Luzern.

Ein Velotunnel für 70 Millionen Franken könnte helfen

Den ausgefallensten Vorschlag gegen das Verkehrsproblem liefert ein Politiker, der eigentlich nichts tun will: GLP-Fraktionschef David Meyer. «Das Volk will, dass die Autos in der Innenstadt fahren und nicht im Berg sind. Der Platz in der Stadt ist nicht vergrösserbar. Also muss eben der Langsamverkehr in den Berg.»

Mit einem Velotunnel vom Casino bis zum Bahnhof und Seitenarmen auf die Poststrasse und ins Loretoquartier könnten Zuger «sicher, trocken, winterfest» durch die Stadt kommen, schreibt er. Die geschätzten Baukosten von 70 Millionen Franken könnte die Stadt mit Überschüssen zahlen.

GLP scheitert am Velorat mit Studien-Idee

Fünfmal ist ein Stadttunnel an der Urne schon durchgefallen. Für den Kanton ist die Idee nun dauerhaft vom Tisch. Doch wie die zentralplus-Umfrage gezeigt hat, gibt es neue und alte Ideen gegen das Verkehrschaos. Ihnen eine Chance zu geben, ist jetzt Aufgabe der Parteien und Regierungen.

Eine Idee hat bereits einen Dämpfer erhalten. Die kantonale GLP hatte eine Anfrage beim Velorat eingereicht, um eine Studie analog zur Studie E-Bike-City Zürich durchzuführen. «Leider haben wir eine Absage erhalten und sind nun im Gespräch mit den Gemeinden, um diese Studie durchzuführen», schreibt Präsidentin Tabea Estermann.

Schade – denn alle kantonalen und fast alle städtischen Parteien sind sich einig, dass gegen das jahrzehntealte Verkehrsproblem der Stadt etwas getan werden muss. Das Tunnel-Nein ist keine Aufforderung, die Füsse stillzuhalten – sondern neue Lösungen zu finden.

Verwendete Quellen
  • zentralplus-Umfrage
  • Mitteilung des Kantons Zug zur Beauftragung des «gfs.bern»
  • Eintrag des VCS zum Projekt «Promenade Zug»
  • zentralplus-Medienarchiv
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Ursula Armijo-Knobel
    Ursula Armijo-Knobel, 19.04.2024, 22:53 Uhr

    Wie wäre es mit einer Brücke für den Autoverkehr statt Tunnel? Es ergäbe sich genug Platz für Busse, Radfahrer und Fussgänger. Futuristisch, aber machbar….

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  • Profilfoto von Markus Meister
    Markus Meister, 19.04.2024, 17:54 Uhr

    Man sollte die Grünen abwählen!! Wir brauchen mehr Parkplätze, mehr Strassen für unsere Autos .. Ich bin doch nicht so doof und fahre mit dem Velo

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 19.04.2024, 08:56 Uhr

    Wenn Kantonstrassen zu Gemeindestrassen werden, wird's sehr teuer. Nach 40 Jahren hat Luzern erkannt, dass Dosierampeln ausser Spesen nicht's bringen! Auch haben viele nicht verstanden (auch Luzern), dass bis zu 75 der PWs unterirdisch fahren (weniger Lärmemissionen). Weniger CO2 (kann man filtern) in der Stadt und mehr Platz für Velos und Fussgänger gibt, und damit weniger Unfälle.
    Man sollte halt nicht nur im Teller rumstochern, sondern auch die Solarität im Umfeld koordinieren. Jedenfals würde ich es begrüssen, wenn Bypässe (Umfahrung) unter den Städten gebaut würden, die mit City Parkhäuser und Bahnhöfen/ ÖV verbunden wären. Damit wäre es für Velofahrer und Fussgänger lockerer.

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  • Profilfoto von Aelpler
    Aelpler, 19.04.2024, 07:22 Uhr

    Kleiner Schreibfehler bei den Absatzüberschriften da steht 70 Milliarden für den velotunnel statt 70 Millionen.
    Ansonsten: gute Verkehrsplanung der letzten Jahrzehnte! Wieso dürfen die gleichen Leute die wieder und wieder versagen wieder und wieder probieren? Lernen ist ja gut aber immer wieder die gleichen Fehler zu machen zeugt nicht von Lernfähigkeit!

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